Ende Februar an der Turbinenstrasse 16 in Winterthur ZH: Im Scan-Center im ersten Stock geht es zu wie in einem Taubenschlag. Aus dem ganzen Kanton Zürich liefern Post und Kuriere Couverts mit den Steuererklärungen 2019 an. Angestellte ordnen die Dokumente nach Gemeinden und bringen Formulare sowie Beilagen in eine vorgeschriebene Reihenfolge. Heftklammern werden entfernt, kleine Belege auf A4-Blätter kopiert.
Die sortierten Steuerdossiers kommen in den Scan-Raum. An der Reihe sind heute Steuererklärungen aus den Zürcher Gemeinden Birmensdorf, Hedingen und Wädenswil. Vier Mitarbeiter füttern zwei Hochleistungsscanner ununterbrochen mit Papier. Ein solches Gerät kann bis zu 420 Seiten pro Minute erfassen – die Vorder- und Rückseiten gleichzeitig. Eine Erkennungssoftware wandelt dann die eingescannten Zahlen und Buchstaben von den physisch vorhandenen Steuererklärungen in maschinenlesbare Zeichen um. Hat jemand die Steuererklärung im Internet ausgefüllt, erfasst der Scanner den Barcode auf der zugeschickten Freigabequittung und holt die zugehörigen Daten von zwei abgesicherten Servern des Kantons.
Die meisten Steuerpflichtigen in der Schweiz füllen die Steuererklärung heute am Computer aus (siehe Kasten). Danach wird sie in der Regel ausgedruckt und ans Steueramt geschickt. Viele Kantone führen eigene Scan-Center, um die Papierberge zu erfassen.
«Im Scan-Center gilt absolute Verschwiegenheit»
«Von Februar bis Mai haben wir hier Hochsaison», sagt Christian Andrist. Er leitet das Scan-Center der Stadt Winterthur. 106 der 162 Zürcher Gemeinden lassen dort die Steuererklärungen von Privatpersonen elektronisch erfassen. Das sind rund 380000 Steuererklärungen. Insgesamt 67 Mitarbeiter mit unterschiedlichen Pensen sind während sechs Tagen pro Woche im Einsatz, um die Masse an Dokumenten zu bewältigen.
Unter den Saisonmitarbeitern des Scan-Centers finden sich etwa Studenten, Hausfrauen oder Stellensuchende. Ihnen kommen auch Steuererklärungen von Prominenten oder von Bankern mit Millionensalären in die Finger. «Im Scan-Center gilt aber absolute Verschwiegenheit», sagt Andrist. Die Mitarbeiter dürfen weder untereinander noch gegen aussen etwas über das Gesehene verlauten lassen. Alle elektronischen Zugriffe werden exakt protokolliert.
Nach der elektronischen Erfassung durchlaufen die Steuerdossiers verschiedene Prüfprogramme. Diese kontrollieren etwa, ob alle Formulare vorhanden und in der korrekten Reihenfolge sind. Zudem zeigt ein Programm alle Fälle an, in denen die Erkennungssoftware nicht eindeutig bestimmen konnte, um was für eine Zahl oder einen Buchstaben es sich handelt. Hat jemand falsch gerechnet, merkt das die Software ebenfalls und markiert entsprechende Resultate. Eine Mitarbeiterin sichtet die Anmerkungen der Prüfprogramme.
Am Ende liegt die ursprüngliche Steuererklärung in zwei Versionen vor: als elektronisches Bild und als computerlesbare XML- oder DAT-Datei. Diese Dateien überträgt das Scan-Center Winterthur auf Server, auf welche die Gemeindesteuerämter Zugriff haben. Die Steuerdossiers aus Papier schickt Winterthur spätestens eine Woche nach Eingang an die Gemeinden zurück.
Nun beginnt die Steuerveranlagung durch die Steuersekretäre der Gemeinden. In Winterthur geschieht das auf derselben Etage wie das Einscannen. Die computerlesbare Datei durchläuft ein Programm mit 320 Kontrollregeln. Steueramtschefin Caroline Lüthi will K-Geld keine Einsicht gewähren in dieses Regelwerk. Nur so viel: Das Programm untersucht die Zahlen auf Ungereimtheiten. Beispielsweise, ob das Vermögen stark anstieg, obwohl das Einkommen gleich blieb. In diesem Zusammenhang vergleicht das Programm die aktuelle Steuererklärung automatisch mit der aus dem Vorjahr.
Zu jeder Position der Steuererklärung spuckt das Regelwerk eine Bewertung aus: Bei Grün ist alles in Ordnung, Orange erfordert ein genaueres Hinschauen und bei Rot liegt eine grobe Regelverletzung vor. Bei rund 10 Prozent der Steuererklärungen ist alles im grünen Bereich. Laut Lüthi findet aber auch bei diesen Steuererklärungen keine automatische Veranlagung statt. Sachbearbeiter führen eine Kurzkontrolle durch. Alle drei Jahre werden auch grüne Steuererklärungen genauer überprüft.
Die Software zeigt, wo das Steueramt genauer hinschauen muss
Die Winterthurer Steuerveranlager arbeiten mit zwei grossen Bildschirmen. Auf dem einen sind die nackten Zahlen und Ampel-Einschätzungen des Regelprogramms, auf dem anderen findet sich ein Abbild der Original-Steuererklärung. Auf dem Bildschirm steht auch, wenn im Rahmen des automatischen Informationsaustauschs eine Meldung aus dem Ausland vorliegt.
Das Steueramt Winterthur steigerte durch die Digitalisierung der Verarbeitung seine Effizienz deutlich. Die elektronische Unterstützung hilft den Sachbearbeitern zudem, Steuersünder leichter aufzuspüren. Die Software zeigt, wo sie genauer hinschauen müssen. «Wir gehen vor allem den Fällen nach, bei denen es vermutlich etwas zu holen gibt», sagt Lüthi dazu.
Sobald die Veranlager die Einschätzung vorgenommen haben, erstellt die Stadt eine definitive Steuerrechnung. Im Erdgeschoss des Gebäudes werden die Rechnungen ausgedruckt, in Couverts gesteckt und an die Steuerpflichtigen verschickt.
So digitalisiert sind die Steuerämter
Nicht nur im Kanton Zürich, sondern auch in der übrigen Schweiz hat die Digitalisierung in den Steuerämtern längst Einzug gehalten. Der überwiegende Teil der Steuerpflichtigen füllt die Steuererklärung am Computer mit einer auf den Kanton zugeschnittenen Software aus. Danach werden die meisten Steuererklärungen aber ausgedruckt, unterschrieben und zusammen mit den Belegen per Post ans Steueramt geschickt.
Rund 10 Prozent der Steuererklärungen werden noch von Hand ausgefüllt. In Kantonen wie AG, BL, BS, TG, SG oder ZH kann man die Steuererklärung zwar elektronisch übermitteln – man muss aber trotzdem eine unterschriebene Freigabequittung einreichen. Viele Kantone betreiben eigene Scan-Center oder delegieren diese Aufgabe an private Firmen.
Deutlich weiter gehen Kantone wie BE, LU, OW, SO oder ZG: Dort können die Steuerpflichtigen die Steuererklärung vollständig elektronisch einreichen, inklusive Belege (Erfassung mit App). Eine Unterschrift entfällt, da die Kantone die Identifikation des Steuerpflichtigen durch einen postalisch zugestellten Zugangscode und weitere Sicherheitsmerkmale als genügend erachten.