Lucienne und Jakob Sonderegger aus Steinach SG fielen aus allen Wolken, als sie im Juni 2016 ein Schreiben des Gemeindesteueramts erhielten: Eine Neueinschätzung ihrer Liegenschaft habe ergeben, dass Sondereggers statt wie bis anhin 14400 Franken neu 15600 Franken Eigenmietwert pro Jahr versteuern müssten. Der Eigenmietwert ist ein von Bund und Kantonen bei selbst genutztem Wohneigentum festgelegtes fiktives Einkommen, das Wohneigentümer versteuern müssen.
Für den pensionierten Werkzeugmacher bedeutet dies eine Steuererhöhung um 300 bis 400 Franken. Dieser Betrag ärgert Sondereggers nicht so sehr – aber die Höhereinschätzung an sich: «Eigentlich hätten wir eher Anspruch auf eine Reduktion des Eigenmietwerts», sagt Jakob Sonderegger.
Grund: Die Lärm- und Geruchsimmissionen rund um das Haus nehmen seit mehreren Jahren massiv zu. Lastwagen bringen Bauschutt auf ein benachbartes Gelände, und wegen des Halbstundentakts fahren mehr Züge am Haus vorbei. Zudem ist in der Nähe eine Kompostieranlage gebaut worden, die ebenfalls mehr Verkehr und vor allem Geruchsbelästigungen mit sich bringt.
Jakob Sonderegger erhob Einspruch gegen den Entscheid der Gemeinde und begründete eingehend, weshalb seine Liegenschaft keine Wertsteigerung erfahren habe. Er verlangte, dass es bei der alten Einschätzung bleibe.
Mit Erfolg: Nur eine Woche später teilte das Gemeindesteueramt dem Ehepaar mit, die Eigenmietwert-Erhöhung werde zurückgenommen. Allerdings mit einer ganz anderen Begründung: Die Nutzfläche seines Grundstücks sei mit 80 Quadratmetern so klein, dass sich eine entsprechende Reduktion gegenüber den Vergleichsgrundstücken rechtfertige.
Einsprachefrist von 30 Tagen keinesfalls verpassen
Das Beispiel der Familie Sonderegger zeigt: Neueinschätzungen sind nicht in Stein gemeisselt. Und wer sich gegen einen höheren Eigenmietwert wehrt, hat durchaus Chancen auf Erfolg. Voraussetzung ist allerdings, dass die Einsprache gut begründet und eventuell auch mit Fotos und Plänen dokumentiert ist. Und – sehr wichtig: Die Einsprachefrist von 30 Tagen seit Kenntnisnahme der definitiven Einschätzung darf nicht verpasst werden.
Begehren auf eine Reduktion des Eigenmietwerts haben vor allem dann Erfolgschancen, wenn ein fachmännisches Gutachten belegt, dass der neue Eigenmietwert 70 Prozent der erzielbaren Marktmiete übersteigt. Aber auch spontane Reduktionsbegehren können durchaus bewilligt werden, weil sich ein Bewertungskriterium – zum Beispiel Lärmbelastung, Aussicht oder Sonneneinstrahlung – verschlechtert hat.
Ein Gutachten kann Aussicht auf Erfolg erhöhen
Es ist deshalb wichtig, dass die Eigenmietwert-Berechnungen der Behörden kritisch geprüft werden. Vor einer allfälligen Einsprache (sie hat schriftlich zu erfolgen) sind folgende Fragen zu klären:
Hat die Behörde mit den korrekten Angaben zur Fläche gerechnet?
Wurden Baubeschränkungen sowie denkmalpflegerische Auflagen und Dienstbarkeiten wie beispielsweise Fuss- und Fahrwegrechte berücksichtigt?
Hat die Behörde berücksichtigt, dass die effektiv erzielten Handänderungspreise bei vergleichbaren Objekten in der näheren Umgebung tiefer liegen als der bei Ihnen eingesetzte Steuerwert?
Hat das Steueramt beachtet, dass die tatsächlich bezahlten Mietpreise bei Vergleichsobjekten nicht oder nur geringfügig höher liegen als der Eigenmietwert, den Sie bezahlen müssten?
Wurden verschlechterte Lagebedingungen berücksichtigt – wie mehr Verkehrslärm, weniger Sonneneinstrahlung, verbaute Aussicht usw.?
Ein Schätzgutachten kann die Erfolgsaussichten einer Einsprache deutlich verbessern. Ein solches Gutachten für ein Einfamilienhaus oder eine Eigentumswohnung kostet in der Regel 1300 bis 2000 Franken.
Diese Ausgabe kann sich lohnen, denn der Eigenmietwert wird ganz dem steuerbaren Einkommen zugeschlagen. Liegt er nur schon 6000 Franken tiefer als gefordert, so sind die Gutachterkosten bereits im ersten Jahr weitgehend bezahlt (Annahme: der Grenzsteuersatz beträgt 25 Prozent). Rechtzeitiges Handeln lohnt sich: Zu viel bezahlte Eigenmietwertbeträge können nicht mehr zurückgefordert werden.