Hypotheken: Die irreführenden Zinsprognosen der Banken
Die Banken verbreiten seit Jahren das Schreckgespenst steigender Zinsen und verleiten Kreditnehmer so zum Abschluss von Festhypotheken. Tipps, wie man günstiger fährt.
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K-Geld 03/2013
29.05.2013
Letzte Aktualisierung:
11.06.2013
Bernhard Bircher
Banken verkaufen Hypotheken nach wie vor zu tiefen Preisen. Das zeigt der Hypothekarzinsindex des VZ Vermögenszentrums. Beispiel: Für eine fünfjährige Festhypothek im Mai 2013 zahlte man im Durchschnitt bloss rund 1,54 Prozent Jahreszins – bei einer Belehnungshöhe von 65 Prozent des Verkehrswerts der Liegenschaft. Derselbe Kredit kostete bei der Axa Winterthur gar nur 1,34 Prozent Zins. Die Zinskurven des VZ Hypozinsindexes zeigen auch: Seit Index-Start 1985 war...
Banken verkaufen Hypotheken nach wie vor zu tiefen Preisen. Das zeigt der Hypothekarzinsindex des VZ Vermögenszentrums. Beispiel: Für eine fünfjährige Festhypothek im Mai 2013 zahlte man im Durchschnitt bloss rund 1,54 Prozent Jahreszins – bei einer Belehnungshöhe von 65 Prozent des Verkehrswerts der Liegenschaft. Derselbe Kredit kostete bei der Axa Winterthur gar nur 1,34 Prozent Zins. Die Zinskurven des VZ Hypozinsindexes zeigen auch: Seit Index-Start 1985 waren Hypotheken nie so günstig wie in den Jahren 2012/13.
Doch mit kurzfristigen Hypotheken fahren Kreditnehmer rund ein Drittel günstiger als mit fünfjährigen Festhypotheken. Eine Liborhypothek mit drei Monaten Laufzeit kostete Mitte Mai 2013 im Durchschnitt gerade mal 1 Prozent Zins pro Jahr. Libor steht für London Interbank Offered Rate und ist jener Satz, zu dem sich Banken untereinander kurzfristig Geld ausleihen. Auf diesem Zins basieren Liborhypotheken – auch Geldmarkthypotheken genannt. Ihr Zinssatz wird alle drei oder sechs Monate angepasst. Die Kosten der Liborhypothek sind transparent, denn der Zins setzt sich zusammen aus dem Liborzins und der über die ganze Laufzeit des Vertrags gleich- bleibenden Gewinnmarge der Bank. Laut Hypothekenbörse Uster beträgt diese Marge bei Eigenheimfinanzierungen 0,8 bis 1,35 Prozent.
Die grossen fünf Banken lagen über weite Strecken voll daneben
Doch in der Hypothekarberatung der Banken dominieren gemäss Leserzuschriften an K-Geld die Themen «Sicherheit» und «Risiko». Meist verweist der Berater auf die historisch tiefen Zinsen und möchte den Kunden von einer «sicheren» Festhypothek mit langjähriger Laufzeit überzeugen. Grund: Banken verdienen an Festhypotheken mehr. Von den «riskanteren» Liborhypotheken wird daher oft abgeraten.
Das belegt auch eine K-Geld vorliegende Statistik der Zürcher Kantonalbank (ZKB): Gemessen am gesamten Hypothekenbestand der ZKB betrug der Anteil Liborhypotheken per Ende 2012 nur 14 Prozent. Bei den Raiffeisenbanken sind es laut Pressesprecher Franz Würth «unter 10 Prozent». Bei der Migros-Bank liegt der Liboranteil laut Pressesprecher Albert Steck aktuell bei rund 4 Prozent. Das VZ Vermögenszentrum hingegen empfiehlt Liborhypotheken seit Jahren. Deren Anteil am Gesamtvolumen beträgt denn auch 50 Prozent.
Als Argument gegen Liborhypotheken dient den Banken das Zinsänderungsrisiko. Das Risiko also, dass die Zinsen bei Fälligkeit der Hypothek klar höher sind und die Ablösehypothek zu viel schlechteren Konditionen abgeschlossen werden muss. Dieses Risiko sei für viele Kunden nicht tragbar.
So warnte UBS-Chef Sergio Ermotti gerade Mitte Mai wieder in der «NZZ am Sonntag»: «Eines der grössten Risiken aus heutiger Sicht ist eine abrupte Trendwende bei den Zinsen.» Die UBS empfiehlt Liborhypotheken denn auch nur Kunden mit «finanziellem Spielraum». Die Credit Suisse rät auch Kunden mit einem «ausgewogenen» Risikoprofil, maximal 40 Prozent der Kreditsumme über eine Liborhypothek zu finanzieren.
Doch soll man nun auf günstige Liborhypotheken mit Zinsänderungsrisiko setzen oder eher auf langjährige Festhypotheken? Um das zu entscheiden, muss ein Kreditnehmer überlegen, wie sich die Zinsen entwickeln. Solche Annahmen liefern ihm seit vielen Jahren Credit Suisse, Julius Bär, UBS, Unicredit und ZKB. Diese fünf Banken geben der Zeitung «Finanz und Wirtschaft» jeweils ihre drei- und zwölfmonatigen Prognosen für den Liborzinssatz sowie für die Renditen zehnjähriger Schweizer Bundesobligationen bekannt. Das VZ Vermögenszentrum sammelt die publizierten Prognosen. Der Einfachheit halber setzt es die Renditeannahmen für die Eidgenossen mit den Zinsen einer vier- bis sechsjährigen Festhypothek gleich.
Wie zuverlässig waren die Zinsprognosen der Banken? Die Grafik unten links «Prognose für Geldmarktypotheken» zeigt: Die fünf Banken lagen über weite Strecken daneben. Im Dezember 2008 z. B. prophezeiten sie, dass eine Liborhypothek ein Jahr später im Durchschnitt rund 3,91 Prozent kosten werde. Effektiv zahlte man Ende 2009 gerade mal 1,25 Prozent.
Die Grafik zeigt auch: Wer seit fünf Jahren auf die Liborprognosen achtete, wurde mit vermeintlich viel höheren Zinsen abgeschreckt. Folge: Es wurden mehr Festhypotheken abgeschlossen. Die realen Liborzinsen liegen seit Dezember 2008 immer unter den erwarteten. Dasselbe Bild zeigt sich bei Festhypotheken (siehe Grafik unten): Die Banken lagen mit ihren Prognosen weit über den effektiven Marktzinsen. Beispiel: Im August 2012 wurden Zinsen von durchschnittlich 3,5 Prozent erwartet. Effektiv lagen sie bei rund 1,5 Prozent – also 2 Prozentpunkte tiefer.
5-jährige Festhypothek: 42 500 Franken teurer als Liborkredit
Die falschen Zinsprognosen kosteten Leute mit Festhypotheken eine schöne Stange Geld. Beispiel: Ein Kunde, der im Dezember 2008 eine fünfjährige Festhypothek abgeschlossen hatte, zahlt 2,9 Prozent Zins pro Jahr – bis zum Vertragsende im Dezember 2013. Zinskosten für eine 500 000-fränkige Hypothek: 72 500 Franken. Zum Vergleich: Für eine dreimonatige Liborhypothek hätte er bis jetzt durchschnittlich 1,2 Prozent Zins gezahlt. Falls sich der Libor bis Ende Jahr nicht gross verändert, hat die Liborhypothek in den fünf Jahren 30 000 Franken Zinsen gekostet. Das sind 42 500 Franken weniger als mit der Festhypothek.
Allen Warnungen vor steigenden Zinsen zum Trotz bewegte sich der Liborzins seit Dezember 2008 bis Mai 2013 von 1 bis maximal 1,4 Prozent. Auch ein Langzeitvergleich des 6-Monats-Liborsatzes mit den Zinsen fünfjähriger Festhypotheken seit 1985 zeigt: Mit wenigen Ausnahmen lagen die Liborzinsen stets unter den Zinsen der Festhypothek – im Durchschnitt fast 1,7 Prozentpunkte.
Doch wie erklären sich die über viele Jahre überhöhten Zinsprognosen der Banken? Der pensionierte St. Galler Wirtschaftsprofessor Walter Wittmann sagt: «Wer im Hypogeschäft tätig ist, liefert immer Prognosen, die ihm selbst am meisten bringen.»
Doch man muss sich nicht zwingend über die Zinsentwicklung Gedanken machen: Bei den meisten Banken kann man während der Laufzeit einer Libor- auf den nächsten Zinstermin hin in eine Festhypothek wechseln. Man kann also relativ kurzfristig reagieren, wenn der Libor schnell steigen sollte.