Wer eine eigentlich naheliegende Idee mit Hartnäckigkeit und Überzeugung verfolgt, kann mit etwas Glück Grosses erreichen. Das beweist Giada Ilardo. Sie hat die Tattoo- und Piercingszene von ihrem Schmuddelimage befreit. Solche Studios liegen bis heute oft in den Seitenstrassen von Vergnügungsvierteln, sind düster und wenig einladend. Giada Ilardo aber nennt ihre Läden Boutiquen. Sie liegen an besten Adressen, sind hell und modern eingerichtet. Den jüngsten, grössten und luxuriösesten Shop eröffnete die 39-Jährige vor einem Jahr an der Zürcher Bahnhofstrasse.
Ihre Karriere begann im Jahr 1999. Giada war damals 16 Jahre alt. Sie hatte in Zürich die Realschule besucht und in Italien ein Kunstgymnasium abgebrochen. Weil sie keine Lehrstelle fand, die sie interessiert hätte, fragte sie ihre Mutter, ob sie stattdessen Piercings stechen dürfe. Die Mutter sagte: «Ja, wenn du das versuchen möchtest, dann mach das», und gab der Tochter 1000 Franken Startkapital.
Giada Ilardo lernte das Handwerk und empfing ihre meist gleichaltrigen Kundinnen und Kunden in ihrem Kinderzimmer in Zürich Altstetten. Zuerst kam alle paar Tage ein Kunde, später wurden es mehr. Im Alter von 22 Jahren führte sie zwei Studios und verdiente rund 3000 Franken pro Monat. «Ich brauchte nicht mehr», sagt sie. «Meine Motivation war nie das Geld. Mir geht es nur um das Gestalten. Für die Freiheit, etwas schaffen zu können, nehme ich die Verantwortung und die Anstrengungen in Kauf.»
Ihre Vision ist es, die Branche im Luxussegment zu positionieren und Tattoos als Kunstform zu etablieren. «Irgendwann wird man ein Tattoo für 50'000 Franken verkaufen können. Es wird ein Kunstwerk sein wie ein Gemälde. Piercingschmuck haben wir schon als Luxusgut positioniert. Ich sehe ein Riesenpotenzial. Das beflügelt mich.»
Bis vor kurzem hatte sie fünf Studios in Zürich, Basel, Luzern und Winterthur, jedes an vorteilhafter Lage im Stadtzentrum. Die Läden liefen gut, trotzdem schloss sie die drei Studios ausserhalb von Zürich. Giada Ilardo sagt: «Die fünf Shops machten die Firma schwerfällig. Es dauerte lange, bis die Entscheidungen umgesetzt waren. Ich möchte schnell und agil bleiben. Nur die Anpassungsfähigsten überleben.»
Sie spaltete ihr Geschäft auf, konzentrierte sich in ihrem bisherigen Zürcher Laden auf Tattoos und eröffnete die Boutique an der Bahnhofstrasse. Hier verkauft sie mit Diamanten besetzten Piercingschmuck aus eigener Produktion für bis zu 8500 Franken.
Über ihre Geschäftszahlen spricht sie nicht. «Darin zeigt sich vielleicht die Schweizerin in mir», sagt sie und lacht. Nur so viel: Mit den zwei Zürcher Läden mache sie heute 80 Prozent des Umsatzes der bisherigen fünf Shops – bei viel weniger Aufwand. Obwohl: Ihr persönlicher Aufwand ist riesig. Seit ihre zwei Buben auf der Welt sind, arbeite sie häufig abends, und im Winter stehe sie am Morgen zwischen drei und vier Uhr auf. «Ich arbeite immer. Auch wenn es sich nicht immer so anfühlt.»
Fürs Fernsehen hat sie keine Zeit. Am ehesten informiert sie sich in Dokus auf Youtube. Zurzeit interessieren sie beispielsweise NFTs, Non-Fungible Tokens. Das sind digitale, unteilbare Unikate, die wie Bitcoins in einer Blockchain abgebildet sind. Sie plant, Tattoos mit NFTs zu hinterlegen oder Tattoos gar rein virtuell als NFTs zu verkaufen. «Viele Leute wollen ein Tattoo, aber sie wollen sich nicht stechen lassen. Das wird kommen.» Auch hier gilt für sie: «Ich sehe ein Riesenpotenzial.»