Fritz Kuhn (Name geändert) aus Andermatt UR möchte das Handy-Abo wechseln. Regelmässig scheitert er aber kurz vor dem Vertragsabschluss. Grund: Die Telecomfirmen verweigern ein neues Abo, weil sie vorgängig die Bonitätsdatenbank der Wirtschaftsauskunftei Intrum abrufen. Und dort ist ein Vorfall registriert, der sechs Jahre zurückliegt: Kuhns Ehefrau hatte in den Ferien in Kroatien das Smartphone oft benutzt. Von der Rechnung über 2800 Franken fürs Daten-Roaming bezahlte Kuhn nur einen Teil. Denn Sunrise hatte seine Frau bei Überschreiten ihres Daten-Kontingents nicht über die Kostenfolgen informiert. Seither sitzt Intrum Kuhn mit Inkassoforderungen im Nacken.
Gemäss Auskunftei ist Peter Meyer verstorben. Doch Meyer lebt.
Peter Meyer aus dem Kanton Graubünden machte mit der Wirtschaftsauskunftei CRIF schlechte Erfahrungen. Kürzlich wollte er bei einem Versandhaus einen Unkrautvernichter für Fr. 63.30 bestellen. Das Versandhaus verweigerte die Lieferung gegen Rechnung. Die Begründung: Er sei gemäss der CRIF-Bonitätsdatenbank verstorben. Meyer ärgert sich: «Muss ich nun noch mein irdisches Dasein nachweisen?»
In der Schweiz speichern und bearbeiten Wirtschaftsauskunfteien wie Intrum und CRIF Millionen von Daten von Privatpersonen und Firmen. Diese Daten verkaufen sie Finanzinstituten, Telekomfirmen, Versandhäusern oder Vermietern, die wissen wollen, wie zahlungsfähig ein potenzieller Kunde ist. Diese Bonitätsdaten können also dafür entscheidend sein, ob jemand in einem Internetshop auf Rechnung bestellen darf, von der Bank eine Kreditkarte erhält oder eine Wohnung mieten kann.
Die gespeicherten Daten sind jedoch sehr fehlerhaft. Das zeigen nicht nur die beiden dargestellten Fälle. Sondern auch die Ergebnisse einer K-Geld-Stichprobe mit 20 Personen, die ein Gesuch um eine Datenauskunft an die vier grossen Wirtschaftsauskunfteien Bisnode, Creditreform, CRIF und Intrum stellten. Die Auskunfteien sind gesetzlich verpflichtet, den Betroffenen die gespeicherten Informationen mitzuteilen (siehe unten).
Alle vier Auskunfteien gaben die Daten heraus. Bei Intrum und bei Bisnode war allerdings in je einem Fall eine Nachfrage nötig. Und bei CRIF erhielten vier Personen zunächst keine Auskunft. Nach einem zweiten Gesuch trafen dann immerhin bei dreien die gewünschten Informationen ein. Bei der vierten Person behauptete die Wirtschaftsauskunftei CRIF, nie eine Anfrage bekommen zu haben. Das Gegenteil beweisen lässt sich nicht, da die Gesuche nur per E-Mail eingereicht wurden.
Die Auskünfte bestehen aus mehr oder minder umfangreichen Daten zur Person und aus Informationen zur Kreditwürdigkeit. Bei den Personendaten tauchen bei allen vier Auskunfteien kleinere Fehler auf. Darunter fallen etwa veraltete Wohnadressen, nicht mehr existierende Telefonnummern und E-Mail-Adressen, ein falscher Ledigenname, ein erfundener Vorname, ein falsches Geburtsdatum oder die Geschäftsadresse als Privatwohnsitz.
Gröber sind die Schnitzer bei CRIF: Einem Mann in der Stichprobe jubelte die Auskunftei ein nicht existierendes drittes Kind unter. Zudem ordnet sie seinem Haushalt vier Nachbarn zu. Davon starb einer auch schon im Jahr 2003. Trotzdem vermerkt CRIF: «Zuletzt bestätigt im Haus am 13.10. 2018.»
Eine andere Person erfuhr aus ihrem Auszug von CRIF, dass sie schon bei drei Unternehmen im Management gesessen haben soll, unter anderem bei der Credit Suisse. Aktuell soll diese Person Mitinhaberin bei der Spirituosen-Vertriebs-Firma Scotch Incase sein. Davon trifft nichts zu.
CRIF räumt auf Anfrage von K-Geld ein: Wegen eines ähnlichen Vornamens sowie demselben Heimat- und Wohnort sei es zu einer Vermischung von zwei Personen gekommen. «Solche Vermischungen sind äusserst selten.»
Allerdings: Auch im eingangs geschilderten Fall von Peter Meyer, der verstorben sein soll, liegt eine Verwechslung vor. Dazu sagt CRIF: «Herr Meyer war mit einer Person mit demselben Namen verknüpft, der einmal an derselben Strasse gewohnt hat.»
Nebst Personendaten speichern die Auskunfteien auch Betreibungsauskünfte, Inkassomeldungen und Informationen zur Zahlungspünktlichkeit. Nur bei einem kleinen Teil der Selbstauskünfte sind Zahlungserfahrungen oder Betreibungsauskünfte aufgelistet. Das hindert Bisnode, CRIF und Intrum aber nicht daran, jeder erfassten Person eine Bonitätsnote zuzuschreiben. Nur Creditreform verzichtet darauf.
Die 20 Stichproben-Teilnehmer erreichten bei Bisnode einen sogenannten Bonitätsscore zwischen 62 und 83 Punkten (von maximal 100). Allerdings sind nur bei sieben Personen Daten zur Zahlungsmoral aufgeführt. Auch eine Teilnehmerin ohne Zahlungserfahrungen erreicht mit 78 Punkten einen guten Bonitätsscore. Das ist der gleiche Wert wie bei einer Frau, die 47 Prozent ihrer Rechnungen zu spät bezahlte. Umgekehrt verteilt Bisnode in einem Fall mit lediglich 3,6 Prozent zu späten Zahlungen tiefe 70 Punkte. Das heisst: Es ist nicht nachvollziehbar, wie der Bonitätsscore zustandekommt.
Ähnlich ist es bei CRIF. Die Bonitätswerte innerhalb der Stichprobe schwanken zwischen 474 und 569 Punkten (maximal 600). Faktische Zahlungserfahrungen tauchen nirgends auf. In einem Fall sind zwei Betreibungsauskünfte ohne negatives Resultat vermerkt. Die Auskunfteien wollen sich nicht zu ihren Score-Verfahren äussern. Das sei Geschäftsgeheimnis.
Bei Intrum erreichen alle Personen in der Stichprobe den zweitbesten Bonitätsindex B und die Kreditwürdigkeits-Einschätzung «Hoch». Laut der Intrum-Mediensprecherin Daniela Brunner fallen die meisten Personen in der Schweiz in diese Bonitätskategorie. Der noch bessere Bonitätsindex A werde nur erreicht, wenn positive Zahlungserfahrungen vorliegen.
Allerdings zeigt der Bonitätsindex nur die halbe Wahrheit: Auch Fritz Kuhn, dem Telecomfirmen den Abschluss eines neuen Handy-Abos verweigern, verfügt vordergründig über den Bonitätsindex B und eine hohe Kreditwürdigkeit. Auf seinen Daten steht aber der Scorewert «–4» – bei allen anderen Stichproben-Teilnehmern hingegen eine Null. Intrum-Sprecherin Brunner sagt dazu: «Wenn der Scorewert negativ ist, steht das in einem Zusammenhang mit einer noch offenen Forderung.»
Fazit der Stichprobe: Die Informationen der Wirtschaftsauskunfteien sind oft fehlerhaft und für die Betroffenen wenig transparent. Um zu verhindern, dass falsche Bonitätsdaten das Leben erschweren, empfiehlt es sich, die Daten regelmässig zu überprüfen. Falsche Informationen müssen auf Verlangen berichtigt oder gelöscht werden.
So bestellen Sie eine Selbstauskunft
Das Datenschutzgesetz erlaubt das Sammeln von Daten, die es ermöglichen, die Kreditwürdigkeit einer Person zu beurteilen. Man kann also nicht verhindern, dass die Auskunfteien Daten sammeln. Jeder hat aber das Recht, von diesen Auskunft über die gespeicherten Daten zu erhalten. Diese umfasst alle von der Auskunftei gespeicherten persönlichen Informationen sowie deren Herkunft. Eine Auskunft pro Jahr ist kostenlos.
Auskunftsbegehren kann man per Brief, E-Mail oder Internet bestellen. Dafür ist die Postadresse anzugeben und ein Foto/Scan der Identitätskarte oder eines anderen amtlichen Ausweises mitzuschicken. Nachteil: Die Datensammler verfügen dann auch über ein Bild sowie alle weiteren Angaben, die sich aus dem Ausweis ergeben. Die Auskunfteien müssen die Anfrage innert 30 Tagen beantworten.
Die Adressen der Auskunfteien
Bisnode:
Bisnode D&B Schweiz AG
Grossmattstrasse 9
8902 Urdorf
www.bisnode.ch } Datenschutz } Was Sie tun können info.ch@bisnode.com
Creditreform:
Creditreform
Teufener Strasse 36
9000 St. Gallen
www.creditreform.ch } Selbstauskunft } nat. Person
info@creditreform.ch
CRIF:
CRIF AG
Selbstauskunft
Postfach, 8034 Zürich
www.crif.ch } Privatpersonen } Selbstauskunft
selbstauskunft.ch@crif.com
Intrum:
Intrum AG
Eschenstrasse 12
8603 Schwerzenbach
www.intrum.ch } über Intrum } Ihre Privatsphäre ist unsere Priorität } Kontakt
datenschutz@intrum.ch