Die Internet-Börsenzeitung «Cash» gehört Ringier Axel Springer Schweiz. «Cash» brachte vor einem Jahr mit der Finanzfirma Leonteq ein fondsähnliches Produkt auf den Markt: ein sogenanntes Tracker-Zertifikat. «Cash» wirbt dafür öfter in der «Handelszeitung», die im gleichen Verlag erscheint.
Wer das Zertifikat kauft, setzt auf eine positive Wertentwicklung von zehn Aktien im «Cash Insider Aktienfavoriten Portfolio Index». Darin vertreten sind etwa Aktien von Holcim, Novartis und der Zürich Versicherung.
Brisant: Am 21. März schreibt «Cash», die Holcim-Aktie habe ein Aufwärtspotenzial von fast 50 Prozent. Die Prognose basiert auf dem Kursziel von 64 Franken pro Holcim-Aktie der US-Bank Citigroup. Sogar auf 74 Franken könne der Titel steigen. Dieses Plus von 63 Prozent bezieht sich auf das Kursziel der unbekannten Finanzfirma Octavian. Dass die Analysten der renommierten Banken Julius Bär und Berenberg Holcim nur eine Bewertung von 52 und 43 Franken zutrauen, verschweigt «Cash». Mit einer Gewichtung von 15 Prozent ist Holcim die wichtigste Aktie im hauseigenen Finanzprodukt.
Auch andere Medienhäuser vermarkten Finanzprodukte. Die zum Medienhaus Tamedia gehörende Börsenzeitung «Finanz und Wirtschaft» verkauft drei Zertifikate. Sie enthalten Aktienportfolios mit unterschiedlichen Risiken: «Risk», «Value» und «Eco». Die NZZ wiederum besitzt 30 Prozent des Finanzblogs «The Market». Die übrigen 70 Prozent gehören den Gründungspartnern, die selbst journalistisch tätig sind. «The Market» verkauft zwei Anlagen: «Best Ideas» und «Dividend Opportunities».
Vor kurzem hat die ehemalige Moderatorin von «SRF Börse», Patrizia Laeri, die Finanzplattform Ellexx.ch gegründet. Sie vermittelt Anlagewissen für Frauen und das Aktienzertifikat: «Gender Equality Basket».
Wie unabhängig sind Redaktoren von Medienhäusern, die eigene Finanzprodukte verkaufen? «Zwecks Ausschluss von Interessenkonflikten hat kein Redaktionsmitglied von ‹Cash› privat in das Zertifikat investiert», sagt «Cash»-Chefredaktor Daniel Hügli. «Die Redaktionen von Ringier Axel Springer Schweiz berichten unabhängig und unvoreingenommen.» Ob das auch für die eigenen Finanzprodukte gilt, bleibt unklar. Ähnlich tönt es bei «Finanz und Wirtschaft»-Chef Jan Schwalbe. Die Berichterstattung erfolge unabhängig.
Auch Ellexx sieht keine Probleme, neben redaktionellen Artikeln Anlageprodukte anzubieten. «Unsere Redaktorinnen schreiben nicht über die Ellexx-Produkte. Die Texte auf der Produktseite stammen von Kooperationspartnerinnen», schreibt Katja Schaffrath von Ellexx.
Gesprächiger ist Mark Dittli von «The Market». Das Team des Finanzblogs bestehe aus Redaktoren mit vielen Jahren Erfahrung in der Finanzanalyse, sagt der Chefredaktor und Mitgründer. Er ist einer von sieben Partnern, die an «The Market» beteiligt und redaktionell tätig sind. «Alle haben eigenes Geld in die Zertifikate investiert.» Trotzdem sei «unabhängige Analyse» das höchste Gebot. Wenn ein Unternehmen die Qualitätskriterien nicht mehr erfülle, würden die Aktien aus dem Portfolio verschwinden.
Wertentwicklung mager, Produktekosten hoch
Alle erwähnten Produkte sind erst seit kurzem auf dem Markt. Punkto Wertentwicklung brillierte keines. Am besten schnitten die Zertifikate von «Finanz und Wirtschaft» ab. Seit Auflage gewannen sie 42 («Risk», seit 18.1.19), 32 («Value», 30.8.19) und 18 Prozent («Eco», 10.11.20). Dahinter folgen die Produkte von «The Market», die knapp 12 («Best Ideas», seit 19.1.21) und gut 1 Prozent («Dividend Opportunities», 10.5.21) zulegten. Das «Cash»-Papier (seit 8.3.21) liegt mit 2 Prozent, das Ellexx-Zertifikat (8.11.21) mit 11 Prozent im Minus.
Das Risk-Portfolio von «Finanz und Wirtschaft» ist also am längsten auf dem Markt, das Gleichstellungsprodukt «Gender Equality Basket» von Ellexx am wenigsten lang. Das Ellexx-Produkt liegt seit der Lancierung 14 Prozentpunkte hinter dem Vergleichsindex zurück (Stand: 21.3.22).
Die Medienhäuser verkaufen nur Zertifikate und keine Indexfonds. Denn Zertifikate unterstehen nicht der Bewilligungspflicht der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht. Die reinen Produktekosten der Zertifikate der Medienhäuser sind relativ hoch. Sie betragen 0,75 bis 1,1 Prozent der investierten Summe. Zum Vergleich: Indexfonds kosten nur gerade 0,1 Prozent.