Vor zwei Jahren musste ein St. Galler 88060 Franken Steuern zahlen, wenn er sich im Alter 65 ein Pensionskassenkapital von 1 Million Franken auszahlen liess. Dieses Jahr verlangt der gleiche Fiskus dafür nur noch 51800 Franken. Die Bundessteuer blieb gleich: Sie liegt bei 23000 Franken.
Andere Einwohner der Stadt St. Gallen zahlen neuerdings mehr: Wer nur 50000 Franken Kapital bezieht, zahlt heute 2590 Franken Steuern. Vor zwei Jahren waren noch 1943 Franken fällig. Dazu kommt die Bundessteuer mit 394 Franken.
Wenig geändert hat sich im Mittelfeld: Bei 400000 Franken Kapitalbezug zum Beispiel verlangt das Steueramt neu 28432 Franken. Das sind inklusive Bundessteuer 6,8 Prozent weniger als 2015 (siehe Tabelle im PDF).
Ursache der Veränderungen ist das neue St. Galler Steuersystem. Auf das Steuerjahr 2016 schaffte der Kanton die progressive Besteuerung von Kapitalleistungen aus der beruflichen Vorsorge sowie der Säule 3a ab und führte eine lineare Besteuerung ein. Seither zahlen alle Steuerpflichtigen auf Kapitalleistungen 2 Prozent Staatssteuern – unabhängig von der Höhe der Auszahlung.
Dazu kommt ein Zuschlag der Gemeinde. Er beträgt beispielsweise in der Stadt St. Gallen 3,18 Prozent. Die Gesamtsteuer liegt im St. Galler Hauptort also bei 5,18 Prozent – egal, wie hoch das bezogene Kapital aus der zweiten und dritten Säule ist.
Lineare Besteuerung: Grosse Vorsorgevermögen profitieren
Vor St. Gallen hatten bereits die Kantone Obwalden und Thurgau auf die lineare Besteuerung von Kapitalauszahlungen umgestellt. Diese Kantone wollen mit dem neuen Steuersystem angehende Rentner mit grossem Vorsorgevermögen möglichst im Kanton halten. Gleichzeitig wollen sie «dem Steuersparspiel mit dem gestaffelten 3a- und Pensionskassenbezug einen Riegel schieben», sagt Jakob Rütsche, Leiter der Thurgauer Steuerverwaltung.
Etliche andere Kantone kennen eine lineare Besteuerung für «kleinere» Kapitalbezüge. So etwa Graubünden. In Chur zum Beispiel werden Bezüge bis 600 000 Franken in einem Jahr mit 2,85 Prozent besteuert. Erst danach beginnt die Progression.
In anderen Kantonen gilt folgende Besteuerung: Baselland (Beispiel Liestal) verlangt bis 400000 Franken fix 3,3 Prozent, Zürich (Stadt Zürich) bis 340000 Franken 4,38 Prozent, Aargau (Aarau) bis 60000 Franken 2,03 Prozent oder Bern (Stadt Bern) bis 50000 Franken 2,99 Prozent.
Lohnt es sich in diesen Kantonen also nur noch für Grossverdiener, mehrere 3a-Konten zu führen und sie gestaffelt in mehreren Jahren aufzulösen? Nein, davon können alle Kapitalbezüger profitieren. Denn die Bundessteuer auf Auszahlungen der zweiten und dritten Säule ist nach wie vor stark progressiv: Bis zu 40000 Franken sind keine Steuern fällig, für 100000 Franken nur gerade 394 Franken. Für 1 Million beträgt die Bundessteuer aber bereits 23000 Franken.
Und wie sieht es in den übrigen Kantonen aus? Jakob Rütsche hat als Präsident der Schweizerischen Steuerkonferenz den Überblick: «Es gibt keinen Trend weg von der progressiven hin zur linearen Besteuerung von Kapitalleistungen.» Eine Umfrage von K-Geld bei einem Dutzend Deutschschweizer Kantone bestätigt diesen Befund: Reformen in diese Richtung sind in keinem der befragten Kantone im Gang.
Der progressive Tarif entspreche einer «Besteuerung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit», begründet beispielsweise Philipp Moos von der Steuerverwaltung des Kantons Zug das Festhalten am bisherigen Steuermodell.
Die Steuerpflichtigen hätten beim Einzahlen der Pensionskassen- und 3a-Gelder von einer progressiven Steuerersparnis profitiert. «Es macht deshalb Sinn, im Gegenzug auch die Auszahlung einer progressiven Besteuerung zu unterwerfen.»