Wer in Pension geht, steht vor einer wichtigen Entscheidung: Soll man das Altersguthaben der Pensionskasse als Rente oder als Kapital beziehen – oder allenfalls beide Varianten kombinieren?
Tatsache ist: Im Jahr 2022 bezogen 54'273 Versicherte bei der Pensionierung Kapitalleistungen von total 13 Milliarden Franken. Zehn Jahre zuvor hatten sich erst 34'840 Neupensionierte für den Bezug des Kapitals entschieden. Vor zwei Jahren betrug das bezogene Kapital bei den Neupensionierten im Durchschnitt 240'000 Franken – eine Zunahme von 43 Prozent. Das zeigen Pensionskassenstatistiken des Bundes.
Diese Entwicklung ist auch bei der Publica, der Pensionskasse des Bundes, zu beobachten. Das bezogene Kapital pro Kopf stieg dort innert zehn Jahren um 179 Prozent. Die Publica untersuchte deshalb die Gründe für diese Entwicklung. Dafür wertete sie die Daten zu den insgesamt 13'000 Pensionierungen bei der Publica zwischen 2013 und 2023 aus und befragte 1400 dieser Rentner.
Resultat: Im Jahr 2013 hatten nur 5 Prozent der in Pension gehenden Erwerbstätigen das gesamte Altersguthaben als Kapital bezogen. 28 Prozent entschieden sich für eine Kombination aus Kapital und Rente, und 67 Prozent wählten die Rente. 2022 sah die Verteilung wesentlich anders aus: 21 Prozent entschieden sich für den Bezug des ganzen Kapitals, 31 Prozent für eine Kombination aus Kapital und Rente. 48 Prozent wählten eine vollständige Rente.
Tieferer Umwandlungssatz beeinflusst den Entscheid
Ein wesentlicher Anreiz für den Kapitalbezug dürfte bei den Versicherten der Publica die zweimalige Reduktion des Umwandlungssatzes sein: Im Jahr 2015 sank er von 6,15 auf 5,65 Prozent, 2019 auf 5,09 Prozent. Für die Versicherten bedeutet das: Die Neurenten schrumpften innert weniger Jahre um 17 Prozent. Wer das Kapital bezieht, ist vom sinkenden Umwandlungssatz nicht betroffen.
Die Analyse der Publica zeigt auch: Versicherte mit einem relativ kleinen Altersguthaben bis 250'000 Franken wählten besonders häufig die vollständige Auszahlung ihres Guthabens. Männer bezogen eher Kapital als Frauen. Zwischen Verheirateten und Ledigen gab es keine markanten Unterschiede.
Die Forscher wollten von den Pensionierten wissen, warum sie sich für die Rente oder das Kapital entschieden. Die Rentenbezüger nannten als Gründe am häufigsten Sicherheit, ein regelmässiges Einkommen und kein Interesse an Geldanlagen. Für den Kapitalbezug entschieden sich die befragten Pensionierten vor allem wegen der Umsetzung der eigenen Anlagestrategie, des Risikos für einen frühen Tod und des reduzierten Umwandlungssatzes.
Bei allen Varianten nannten die Befragten zudem Angehörige respektive Hinterbliebene als Motivation: bei der Rente durch eine Absicherung via Hinterbliebenenleistungen – beim Kapital durch das Vererben des nicht verbrauchten Altersguthabens an Partnerin, Partner und Kinder.
Steuervorteil beim Kapital als Hauptgrund genannt
Fasst man die genannten Gründe jener Leute zusammen, die das Alterskapital ganz oder teilweise bezogen, ergibt sich Folgendes (Mehrfachnennungen möglich): An erster Stelle stand der Steuervorteil durch den Kapitalbezug (56 Prozent), dann folgte die Umsetzung der eigenen Anlagestrategie (32 Prozent), der Finanzbedarf nach der Pensionierung wie etwa die Amortisation einer Hypothek (30 Prozent) und an vierter Stelle der tiefe Umwandlungssatz für Rentenbezüger (29 Prozent).
Von dem als Hauptgrund für den Kapitalbezug genannten Steuervorteil sollte man sich allerdings nicht täuschen lassen. Zwar fällt beim Bezug eine relativ niedrige Kapitalbezugssteuer an. Doch das Geld wird anschliessend bis zum Tod beim Vermögen jedes Jahr erneut besteuert. Das führt in vielen Fällen dazu, dass Kapitalbezüger unter dem Strich bis zum Tod mehr Steuern zahlen (K-Geld 1/2024).
Fabio Haufler, Hauptautor der Publica-Studie, zeigt sich darüber erstaunt, dass der tiefe Umwandlungssatz nicht häufiger als Grund für den Kapitalbezug genannt wurde. Seiner Ansicht nach lassen sich die Begründungen für den Kapitalbezug bei der Publica auf andere Pensionskassen übertragen. Allerdings ist die Publica die Pensionskasse des Bundespersonals. Dessen Löhne liegen im Durchschnitt weit über denjenigen der Angestellten von Privatbetrieben.
Die Publica zählt relativ wenig Versicherte im Tieflohnbereich. Und: Die Al-tersguthaben der Bundesangestellten zum Zeitpunkt der Pensionierung sind meist viel höher als jene der Durchschnittsbevölkerung. Das ergibt sich aus den Pensionskassenstatistiken. Das Altersguthaben von Publica-Versicherten bei der Pensionierung belief sich 2022 im Durchschnitt auf 881'238 Franken.
Die meisten Rentner sind mit ihrer Wahl zufrieden
Immerhin: Ein Ergebnis der Publica-Untersuchung ist für alle noch Erwerbstätigen aussagekräftig. Sie zeigt, dass die Zufriedenheit der Pensionierten mit ihrer Wahl von Kapital, Rente oder einer Kombination sehr hoch ist. 94 Prozent der Pensionierten würden heute nochmals gleich entscheiden. Die meisten Befragten gaben an, dass sie ihren gewohnten Lebensstandard nach der Pensionierung beibehalten konnten. Besonders hoch ist dieser Anteil mit 88 Prozent bei Versicherten, die das Kapital wählten. Bei einer Kombination aus Kapital und Rente sinkt die Quote auf 83 Prozent, beim ausschliesslichen Bezug als Rente auf 70 Prozent.
Rente oder Kapital: Diese Pro- und Kontra-Argumente sollten Sie bedenken
Bezug als Rente
Pro:
- Regelmässige Leistungen bis ans Lebensende.
- Nominalrente ist garantiert.
- Hinterlassenenrenten.
- Keine Finanzkenntnisse nötig.
Kontra:
- Rente muss als Einkommen versteuert werden.
- Im Todesfall geht vorhandenes Alterskapital, das nicht für die Hinterlassenenrenten benötigt wird, an die Pensionskasse.
- Es besteht kein Anspruch auf Teuerungsanpassung. Real wird die Rente also laufend kleiner.
Bezug als Kapital
Pro:
- Möglichkeit, das Geld selber anzulegen, Chance auf Ausgleich der Teuerung und der Rendite.
- Bis zum Tod nicht verbrauchtes Alterskapital kann vererbt werden.
- Kapital stets verfügbar, etwa für Amortisation Hypothek, Reisen.
- Kapitalbezugs- und Vermögenssteuer kann niedriger sein als Einkommenssteuer auf Rente.
Kontra:
- Geld muss selbst verwaltet werden, bei Delegation an Bank entstehen zusätzliche Kosten.
- Erträge der Geldanlagen können schwanken.
- Kapital muss bis zum Lebensende ausreichen.
- Geld wird jährlich als Vermögen besteuert.