Unbestritten ist: Anlegerinnen und Anleger sollten ihr Geld nicht zufällig investieren. Sondern sich genau überlegen, welche Anlagestrategie für sie die richtige ist. Sprich: Wie gross der jeweilige prozentuale Anteil an Obligationen, Aktien Immobilien usw. im gesamten Portfolio sein soll.
Nur: Anlagebereiche entwickeln sich im Laufe der Zeit unterschiedlich. Beispiel: Ein Anleger entscheidet sich Anfang 2008 für folgende 40/40/20-Aufteilung von 100000 Franken:
40 Prozent Franken-Obligationen, breit gestreut,
40 Prozent Schweizer Aktien, von Nestlé bis zum kleinsten an der Börse kotierten Unternehmen,
20 Prozent Schweizer Immobilienfonds.
Im Verlaufe von 2008 brechen die Aktien regelrecht ein. Die Obligationen hingegen legen ordentlich zu, vor allem dank den krisensicheren Bundesobligationen, den sogenannten Eidgenossen. Und die Immobilienfonds machen minim vorwärts.
Das hat zur Folge, dass das Portfolio Ende 2008 noch 88300 Franken wert ist. Wobei die Aktien jetzt einen Anteil von weniger als 30 Prozent haben und die Obligationen im Depot mit über 47 Prozent vertreten sind.
Was nun? Soll der Anleger nichts machen – nach dem Prinzip «Kaufen und laufen lassen»? Oder soll er das Portfolio auf die ursprüngliche Aufteilung (40/40/20) zurückführen? Letzteres wird Rebalancing genannt. Es hiesse im konkreten Fall, einen Teil der Obligationen und Immobilienfonds zu verkaufen und mit dem Erlös die Aktien aufzustocken.
Viele Vermögensverwalter preisen Rebalancing als wahres Wundermittel an. Zum Beispiel die Internetplattform True Wealth (K-Geld 4/2015). Im letzten Juli überschrieb True-Wealth-Chef Felix Niederer einen Artikel mit «Rebalancing: ein halbes Prozent extra». Gemeint ist eine entsprechende Mehrrendite. «Rebalancing ist so wichtig, dass wir in den Portfolios unserer Kunden jeweils rund 40 Trades im Jahr durchführen», so Niederer.
Aber bringt das wirklich eine Mehrrendite? Etwas spricht dafür: Man verkauft, was gut gelaufen, das heisst teuer geworden ist. Und man kauft zurückgebliebene, günstige Wertschriften beziehungsweise Anlageklassen. Antizyklisches Handeln wird das genannt.
K-Geld hat sowohl das Rebalancing als auch den Verzicht auf diese Strategie mit der erwähnten Investition von 100000 Franken Anfang 2008 modellhaft durchgespielt – über einen Zeitraum von zehn Jahren.
Die Grafiken rechts zeigen das Ergebnis: Greift der Anleger nicht ein, steigt der Wert seines Portfolios bis Ende 2017 auf rund 155200 Franken (Grafik im PDF). Dies ohne Berücksichtigung von Kosten.
Nun der Vergleich mit dem Rebalancing: Wer sich dafür entscheidet, muss wählen, in welchem Rhythmus er das Portfolio genauer anschaut. Und ab welcher Abweichung von der ursprünglichen Struktur er eine Korrektur vornimmt. Angenommen, der Anleger macht die Kontrolle am Ende jeden Jahres. Und er führt ein Rebalancing dann durch, wenn eine oder mehrere Anlageklassen im Portfolio mindestens 10 Prozent von den Zielwerten abgewichen sind. Dann resultieren Ende 2017 rund 160600 Franken (untere Grafik). Das Rebalancing, für das insgesamt zwölf Transaktionen nötig waren, führte somit zu einer Mehrrendite von 5400 Franken.
Auf den ersten Blick ist das ein erklecklicher Betrag. Es sind aber nicht mal 0,4 Prozent pro Jahr. Und auch das ist stark zu relativieren. Denn in diesem Beispiel brachen die Aktien 2008 massiv ein, was zu einer Aufstockung führte, und dann zogen die Aktien kräftig an. Das Rebalancing führte also dazu, dass Aktien überproportional profitierten.
Was das Rebalancing konkret bringt, hängt somit von vielen Faktoren ab:
Wie haben sich die Märkte entwickelt? Zum Beispiel bringt ein Auf und Ab der Märkte andere Resultate als Seitwärtsbewegungen.
Welche Anlageklassen und wie viele Titel befinden sich in welcher prozentualen Zusammensetzung im Depot?
Wie häufig korrigiert man und welche Kosten fallen dabei an?
Wie lange ist der Betrachtungszeitraum – 10, 20 oder noch mehr Jahre?
Aus diesem Grund kommen internationale Studien zu ganz unterschiedlichen Resultaten. Die US-Fondsgesellschaft Vanguard untersuchte einen Zeitraum von mehr als 80 Jahren mit 60 Prozent Aktien und 40 Prozent Obligationen. Ganz gleich, welche Rebalancing-Methode zur Anwendung kam – die Renditen waren im Durchschnitt sogar tiefer als bei einem reinen «Kaufen und halten».
Die Erklärung: Aktien sind auf die Länge ertragreicher als Obligationen. Tut man nichts, nimmt ihr Anteil am Portfolio mit der Zeit zu. Bei der Vanguard-Studie stieg er von ursprünglich 60 auf schliesslich 84 Prozent.
Nicht zu vernachlässigen ist auch die Psychologie. Wer sich für das Rebalancing entscheidet, sollte unbeirrt die zu Beginn gewählte Methode durchziehen. Doch das kann Anleger auf eine harte Probe stellen. Wenn beispielsweise Aktien um 30 Prozent eingebrochen und weitere Verluste nicht ausgeschlossen sind – wer hat dann den Mut, sie kräftig aufzustocken? Oder umgekehrt: Wer hat die Disziplin, Anlageklassen oder Titel abzubauen, die wunderbar gelaufen sind?
Die Alternative: Man steckt das Geld in Mischfonds oder vertraut es Vermögensverwaltern an, die das Rebalancing besorgen. Dabei fallen allerdings Fondsgebühren und Mandatskosten an, die einen allfälligen Rebalancing-Vorteil zunichte machen können.
Tipps: Rebalancing ist kein Wundermittel
1. Betrachten Sie Rebalancing nicht als Wundermittel, das immer höhere Erträge garantiert. «Kaufen und laufen lassen» wirft unter Umständen sogar eine höhere Rendite ab.
2. Allerdings kann «Nichts tun» dazu führen, dass das Portfolio mit der Zeit stärkeren Schwankungen unterliegt als ursprünglich erwünscht. Dies ist beispielweise der Fall, wenn der Anteil der Aktien deutlich wächst und jener der Obligationen sinkt. Je schlechter Sie Schwankungen ertragen, umso eher sollten Sie Gegensteuer geben.
3. Auch wenn Sie Ihre Geldanlage bald auflösen müssen, weil Sie Bargeld brauchen, sollten Sie die schwankungsanfälligen Portfolio-Anteile abbauen.
4. Manche Banken und Vermögensverwalter werben damit, dass ihre Produkte das Rebalancing besorgen und daher vorteilhaft für Sie sind. Bedenken Sie aber, dass damit auch Kosten verbunden sind. Es kann zwar Sinn machen, Mischfonds mit Rebalancing zu kaufen – aber weniger wegen des Rebalancings, sondern weil sie eine bequeme Lösung für Geldanlagen sind.
So lesen Sie die Grafiken: In diesem Beispiel hat ein Depot mit 100000 Franken Anfang 2008 eine 40/40/20-Aufteilung in Obligationen, Aktien und Immobilien.
Ohne Rebalancing endet das Depot nach zehn Jahren bei 155200 Franken. Die Verteilung auf die Anlageklassen ist in diesem Beispiel nach zehn Jahren weitgehend unverändert.
Mit Rebalancing endet das Depot nach zehn Jahren bei rund 160600 Franken. Aktien sind Ende 2017 mit einem Anteil von 44 Prozent vertreten und liegen damit über dem ursprünglichen Ziel von 40 Prozent.
Für die Wertentwicklung wurde mit drei Indizes gerechnet.
Index für Obligationen: SBI AAA-BBB
Index für Aktien: Swiss Performance Index SPI
Index für Immobilienfonds: SWX Real Estate Funds TR Index SWIIT