Meine Frau ist eine Shangbanzu. Dieser chinesische Begriff bedeutet «vom Stamme der Werktätigen» und bezeichnet in Taiwan Büroangestellte. Das Shangbanzu-Schicksal ist oft kein leichtes. Viele Überstunden, despotische Chefs, Büros ohne Tageslicht – wenn meine Frau es jeweils nach ein paar Jahren nicht mehr aushält, wechselt sie die Stelle.
So ein Jobwechsel bedeutet meist auch ein neues Privatkonto für den Lohn. Denn Überweisungen zwischen Banken kosten Gebühren. Und um die zu sparen, verdonnert der Chef die Angestellten zu einem Konto bei der Hausbank der Firma. Das hat Stress und Papierkram zur Folge.
Die Geschäftszeiten der Banken sind für Berufstätige ähnlich unpassend wie in Europa. Schafft meine Frau es, während der Mittagspause am Schalter zu erscheinen, ist der Erfolg längst nicht sicher. Einmal erklärte der Mitarbeiter sich für unzuständig, weil die Filiale nicht die nächstgelegene zur Firma oder zur Wohnung war. Ausserdem sind Bankangestellte misstrauisch, weil Trickbetrüger oft unter falscher Identität Konten eröffnen. Deshalb musste meine Frau in einem anderen Fall zur Kontoeröffnung eine zweite Mittagspause opfern, um auch den Arbeitsvertrag vorzulegen.
First Bank, Chang Hwa Bank, Fubon Bank – zu Hause stapeln sich Unterlagen von Geldinstituten. Zwar bemüht sich meine Frau, nach jedem Jobwechsel das nutzlose Konto aufzulösen, doch das ist nicht so einfach: Sie muss in dieselbe Filiale, in der sie das Konto eröffnet hat. Schwierig, wenn der Jobwechsel einen Umzug mit sich brachte. So besitzt sie noch immer ein Konto, das sie 2003 in der Stadt Taichung eröffnet hatte. Zwei Jahre später zog sie nach Taipeh und hatte nie wieder mit dieser Bank zu tun. Wenigstens kostet das Konto keine Gebühren und ist bis auf wenige Franken geräumt.
Der Lohn ist übrigens auch der Grund, warum viele Shangbanzu oft die Stelle wechseln: In Taiwans konfuzianisch geprägter Arbeitskultur zeichnen sich Vorgesetzte durch übergrosse Autorität aus. Deshalb bringen Angestellte selten den Mut auf, eine Lohnerhöhung zu verlangen. Dann lieber kündigen und nach ein paar Wochen woanders mit einem höheren Salär wieder einsteigen.Nur: Bei den Ferien fängt man wieder bei null an. Erst im zweiten Arbeitsjahr gibts sieben Tage Ferien, ab dem dritten zehn usw. Und der Stapel der Bankunterlagen wächst um ein weiteres Konto.