Keine Lust auf Spielzeuggeld
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K-Geld 06/2020
02.12.2020
Letzte Aktualisierung:
03.12.2020
Randi Häussler, Korrespondentin in Stockholm (Schweden)
Vor einem Jahr waren Kinderbasare noch erlaubt. Eltern stellten Spielzeug her, um es am Basar zu verkaufen. Wir hatten uns viel Mühe gegeben. Der Erlös kam der Schule meines Sohnes zugute. Ich stand in der schwedenroten Schreinerscheune meines Schwiegervaters und sägte Rundhölzer in knapp zentimeterdicke Scheiben. Münzen, dachte ich mir. Drüben im Haus nähte meine Schwiegermutter aus bunten Stoffen kleine Beutel. Portemonnaies, dachte ich mir. Ich war sicher...
Vor einem Jahr waren Kinderbasare noch erlaubt. Eltern stellten Spielzeug her, um es am Basar zu verkaufen. Wir hatten uns viel Mühe gegeben. Der Erlös kam der Schule meines Sohnes zugute. Ich stand in der schwedenroten Schreinerscheune meines Schwiegervaters und sägte Rundhölzer in knapp zentimeterdicke Scheiben. Münzen, dachte ich mir. Drüben im Haus nähte meine Schwiegermutter aus bunten Stoffen kleine Beutel. Portemonnaies, dachte ich mir. Ich war sicher: Man würde mir die Beutel mit dem Spielgeld für den Kaufmannsladen aus den Händen reissen. Leider kam es anders: Holzschwerter, Strickpüppchen und bunte Windräder gingen weg wie warme Weggli. Meine Spielzeugmünzen hingegen wollte kaum jemand.
Ich dachte viel über dieses Ereignis nach. So schämte ich mich, meine Schwiegereltern zu einem Projekt angespornt zu haben, das sich als totaler Flop erwies. Haben die Schweden Bargeld wirklich aufgegeben? Das würde erklären, warum es unnötig ist, den Kindern ein Gefühl für Münzen und Scheine zu vermitteln. In vielen schwedischen Läden kann man nicht mehr mit Bargeld zahlen. Das gilt auch für meinen Lieblingsbäcker, bei dem ich oft eine typisch schwedische, wunderbar duftende Zimtschnecke kaufe. Selbst die Verkäufer von Obdachlosenzeitungen in Stockholm werden von ihrem Verlag mit Kartenlesegeräten ausgestattet. Und in vielen Gottesdiensten kann man die Kollekte mit dem Smartphone überweisen. Bis 2025, so glauben Experten, könnte die Hälfte aller hiesigen Geschäfte kein Bargeld mehr entgegennehmen. Zu teuer sei die Handhabe von Münzen und Scheinen. Immer weniger davon ist im Umlauf. Ob die Schweden das wirklich wollen?
Viele Ältere fühlen sich übergangen, wenn man nur noch digital zahlen kann. Und obwohl Schweden sehr transparent ist – man kann auf einfache Weise herausfinden, was der Nachbar verdient –, sehen einige noch die Vorteile des Einkaufens mit Bargeld. Vor allem im Krisenfall. Die schwedische Regierung sagt, man solle immer etwas Bargeld zu Hause haben. Zum Beispiel für den Fall, dass mal das Internet lahmgelegt ist oder das Handy keinen Empfang mehr hat. Es sind vor allem die Jüngeren, die nur noch elektronisch zahlen. Sie werfen Münzen in den Abfallkübel, weil sie nicht wissen, wohin damit. Das kommt wohl davon, wenn man als Kind nicht mehr mit Spielgeld und dem Spielzeugladen spielt.