Der Ärger war gross, als Irma Mundwiler aus Uetendorf BE einen Brief ihrer Krankenkasse Swica erhielt. Darin stand, sie und ihr Mann hätten bis jetzt bei der Spitalzusatzversicherung von einem Rabatt in der Höhe von 15 Prozent profitiert. Der werde aber nächstes Jahr gestrichen, weil Irma Mundwiler als Migros-Mitarbeiterin nun pensioniert sei. Mundwilers finden das empörend.
Auch die Angestellten von Clariant, Coop und Swisscom verlieren den Swica-Rabatt, wenn sie ins Rentenalter kommen.
Anders behandelt die Swica die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Manor. Der Rabatt, den sie mit einer Zusatzversicherung erhalten, wird ihnen auch im Rentenalter gewährt. Auch die Angestellten der Raiffeisen-Banken und der Credit Suisse behalten ihren Rabatt bei der Pensionierung.
Kollektivverträge: Bedingungen sind frei verhandelbar
Diese widersprüchliche Rabattpraxis im Rentenalter ist nur ein Beispiel dafür, wie unterschiedlich die Vergünstigungen bei den Kollektivverträgen geregelt sind. Denn die konkreten Bedingungen sind frei verhandelbar.
Das heisst: Die jeweilige Firma bzw. ein Verband setzt sich mit einer Krankenkasse zusammen und legt fest, welche Zusatzversicherungen für die Belegschaft bzw. die Verbandsmitglieder wie stark rabattiert werden. Für die Krankenkassen sind solche Verträge ein wichtiges Verkaufsinstrument.
Ein Beispiel: Der Schweizer Radsportverband Swiss Cycling hat einen Kollektivvertrag mit der Concordia. Seine Mitglieder erhalten auf die beiden Pflegezusatzversicherungen Diversa und Natura je 15 Prozent Rabatt, auf die Spitalversicherung halbprivat 25 Prozent.
Auffallend ist die grosse Anzahl von Verträgen, die es gibt. Die Swica zum Beispiel sagt, sie habe rund 2000 Verträge mit rund 320 000 Versicherten. Die Helsana gibt an, sie habe rund 1700 Kollektivverträge, davon könnten rund 600 000 Firmen- oder Verbandsmitglieder profitieren. Das Spektrum reicht hier vom aargauischen Lehrerverband bis zur Thai-Swiss-Association, einem thailändischen Verein in der Schweiz.
Die Concordia kommt nach eigenen Angaben auf rund 1500 Kollektivverträge mit 240 000 angeschlossenen Personen – wie zum Beispiel die Angestellten der Cigarrenfabriken Villiger Söhne AG in Pfeffikon LU, die Mitglieder des Turnverbands Luzern, Ob- und Nidwalden oder die Versicherten der Mobiliar. Die CSS hat nach eigenen Angaben 2300 Verträge.
Bei der Krankenkasse nach allfälligen Rabatten nachfragen
Der Tipp daraus ist klar: Wer bei seiner Krankenkasse Zusatzversicherungen hat, sollte sich unbedingt nach einem Kollektivrabatt erkundigen, falls er noch keinen hat. Bei der riesigen Anzahl an Verträgen ist die Chance gross, irgendwo «Unterschlupf» zu finden – sei es bei einem Verein, einem Sport- oder Personalverband. Sogar für Kundinnen und Kunden des Jelmoli-Onlineshops existiert bei der Concordia ein Kollektivvertrag mit einer Vergünstigung von bis zu 25 Prozent.
Erleichternd kommt dazu, dass viele Firmen und Verbände Kollektivverträge mit mehreren Krankenkassen haben. Ein Beispiel: Der Verband Angestellte Schweiz VSAM hat für seine 20 000 Mitglieder einen Kollektivvertrag mit der Sanitas. Wenn nun aber ein VSAM-Mitglied seine Zusatzversicherung bei einer anderen Kasse hat und diese nicht wechseln kann oder will, ist das nicht weiter schlimm – denn der VSAM hat auch Verträge mit Atupri, Concordia, EGK, Groupe Mutuel, Helsana, KPT, Swica, Sympany und Visana.
Eine Einzelmitgliedschaft kostet beim VSAM 150 Franken pro Jahr. Bedeutend günstiger ist die Zugehörigkeit zum Schweizerischen Kaderverband in St. Gallen: Dieser verlangt lediglich eine einmalige Eintrittsgebühr von 50 Franken – und er hat ein Spitzenangebot: einen Rabatt von 35 Prozent auf die Spitalzusatzversicherung halbprivat und privat, der übrigens nach Erreichen des 65. Altersjahres bestehen bleibt. Dem Kaderverband können sich Arbeitgeber, Selbständigerwerbende, Akademiker und Kaderpersonen aller Branchen anschliessen.
Allerdings hat die Concordia für sämtliche Interessenten eine generelle Hürde eingebaut: Wer bei ihr eine Zusatzversicherung neu will, muss zum Zeitpunkt des Abschlusses zwingend auch die Grundversicherung bei ihr haben bzw. abschliessen. Ein Jahr später kann man die Grundversicherung wieder wegzügeln von der Concordia. Die Concordia darf die Zusatzversicherung deswegen nicht kündigen, und der Rabatt bleibt bestehen.
Noch zwei Tipps:
- Oft geht der Rabatt verloren, wenn jemand aus der betreffenden Firma bzw. aus dem jeweiligen Verband austritt. Teilweise läuft er jedoch weiter, erkundigen Sie sich. Es kommt auch vor, dass die Krankenkasse gar nicht so genau prüft, ob die Rabattberechtigung noch besteht.
- In der Regel gelten die Kollektivvergünstigungen für sämtliche Familienmitglieder.
Kollektivverträge: So kommen Krankenkassen an neue Kunden
Rabatte gegen Adressen: Für die Krankenkassen sind Kollektivverträge wichtige Instrumente, um neue Kunden zu gewinnen. Deshalb kommt es immer wieder vor, dass eine Krankenkasse von einer Firma oder einem Verband die Adressen sämtlicher Angestellten bzw. Mitglieder verlangt. Denn in der Regel sind ja nur wenige Firmenangestellte bzw. Verbandsmitglieder schon bei der betreffenden Kasse versichert. So kommt die Krankenkasse zu neuen Adressen, die sie mit Werbematerial «beglücken» kann.
Stossend dabei ist: Die Krankenkassen machen höhere Rabatte von der Adressenweitergabe abhängig. Das geben die Krankenkassen auch zu.
Die Concordia zum Beispiel schreibt: «Die Höhe der Kollektivrabatte ist vor allem abhängig von der Risikostruktur des entsprechenden Kollektivs. Zusätzlich spielt der Grad der Akquisitionsunterstützung des Kollektivpartners eine Rolle.»
Und die Helsana ergänzt: «Eine Abmachung mit einem Kollektivpartner kann sein, dass der Kunde uns Adressen zur Verfügung stellt, die zu Marketingzwecken verwendet werden dürfen. Der Partner muss uns in solchen Fällen zusichern, dass vor der Lieferung der Daten die betroffenen Personen informiert werden.»
Die Migros beispielsweise ist auf dieses Spielchen nicht eingegangen: «Die Migros-Unternehmen stellen anderen Unternehmen grundsätzlich keine Mitarbeiteradressen zur Verfügung.»