Seit Monaten erhält K-Geld-Leser Pius Müller aus Horgen ZH (Name geändert) Telefonanrufe von Aktienverkäufern, die ihm den Kauf von Aktien der Honesto AG aus Adliswil ZH schmackhaft machen wollen. Honesto – auf Spanisch das Wort für «ehrlich» – bietet Privatpersonen eine Handels-App für Kryptowährungen wie Bitcoin und Ethereum und verspricht «Krypto-Handel für jedermann». Man sei eine «einzigartige Unternehmung», biete «noch nie dagewesene Sicherheit» und etabliere den Schweizer «Rechts-, Regulations- und Sicherheitsstandard in der Kryptowelt».
Die Verkäufer tragen dick auf: «Wir gehören zu den 10 besten aufstrebenden Unternehmen der Schweiz und haben weltweit das mit Abstand beste Angebot in unserer Branche», schreiben sie Pius Müller. Darum: «Profitieren auch Sie von diesen verrückten Zeiten, indem Sie sich bei uns beteiligen.» Honesto spiegelt vor, auf reges Medieninteresse zu stossen: «Sie finden uns auch regelmässig auf Cash.ch, ‹Finanz und Wirtschaft›, sowie vielen anderen Medien-Outlets wie ‹Blick›, ‹Tages-Anzeiger› oder in der ‹Handelszeitung›.» Dabei verschweigt die Firma, dass es sich mehrheitlich um bezahlte Artikel handelt.
Honesto versucht, den potenziellen Anlegern die Angst vor dem risikoreichen Kryptohandel zu nehmen. Bei Kryptowährungen könne «Gesetzlosigkeit herrschen» – aber es gebe Leute, die für Ordnung und Sicherheit sorgten: «Genau da kommen wir ins Spiel», heisst es in der Werbebroschüre. Nichts anderes als die «vertrauenswürdigste Krypto-Handels-App der Welt» habe man im Angebot.
Konto bei Zürcher Bank gaukelt Sicherheit vor
Honesto ist Kunde bei der Incore Bank AG aus Schlieren ZH und hat dort ein Konto. Die Incore verwahrt die Kryptos, welche Kunden von Honesto über deren App kaufen – wie eine Depotstelle bei Aktien. Die Kryptos gelten als Sondervermögen. Bei einem Konkurs der Bank oder von Honesto sind diese Werte für die Kunden geschützt. Aufgrund solcher Aussagen wurde Pius Müller trotz anfänglicher Vorsicht neugierig und liess sich eine Offerte zukommen.
Die Aktienverkäufer der Honesto AG aus Adliswil schickten ihm einen Zeichnungsschein. Er solle 3500 «Honesto Token» (Hoto) zum Preis von Fr. 5.20 je Token für insgesamt 18 200 Franken kaufen. Ein Hoto ist ein Kryptovermögenswert der Honesto AG in Liechtenstein, die 2019 gegründet wurde. Ein solches Token ist gleichzusetzen mit einem Partizipationsschein ohne Stimmrecht nach liechtensteinischem Recht mit einem Nominalwert von 1 Rappen. Es würden 5 Millionen solche Tokens existieren, ist in dem Vertrag zu lesen. Bei einem Preis von Fr. 5.20 pro Stück würde Honesto also allein mit den Verkäufen an Privatanleger 26 Millionen Franken einsammeln. In Werbebroschüren behauptet die Firma, bereits 85 Prozent seien verkauft – beim angegebenen Stückpreis wären das also über 22 Millionen Franken.
Alleinaktionärin der liechtensteinischen Mutterfirma ist offiziell Sanela Lüscher aus Horgen ZH. Würde Pius Müller das Angebot annehmen, investierte er also nicht in die Honesto AG in der Schweiz, sondern in jene im Ländle. Das Geld muss dann nach Liechtenstein überwiesen werden. Gemäss dem Kaufvertrag gilt liechtensteinisches Recht, Gerichtsstand ist Schaan (FL). Bei Rechtsstreitigkeiten könnte sich Pius Müller also nicht an Schweizer Recht halten.
Sanela Lüscher wollte K-Geld nicht sagen, wie hoch die Provisionen der Aktienverkäufer sind. In der Branche sind Provisionen zwischen 30 und 60 Prozent keine Seltenheit (K-Geld 4/2016).
Ambitionierte Ziele, altbekannter Mitgründer
Aus dem «Financial Plan», den Pius Müller erhielt, geht hervor, wie Honesto Geld verdienen will. Demnach beabsichtigt die Firma, noch dieses Jahr 75 000 Benutzer für die App zu gewinnen. Das ist äusserst ambitioniert. Zum Vergleich: Yuh ist eine App der sehr bekannten Unternehmen Postfinance und Swissquote, über die man auch Kryptos kaufen kann. Nach gut einem Jahr hat sie 60 000 Kunden. Honesto rechnet damit, dass ihre App in diesem Jahr ein Handelsvolumen mit Kryptowährungen von 675 Millionen Franken erreichen wird. Davon möchte Honesto ein Prozent einstreichen – die Firma rechnet mit Bruttoeinnahmen von 6,75 Millionen Franken. Bis 2025 will Honesto schon 278 000 Kunden haben. Wie viele es heute sind, sagt die Firma nicht.
Obwohl bei Honesto Sanela Lüscher gegen aussen als Gründerin auftritt, ist ihr Mann Michael «Mike» Lüscher eine der treibenden Kräfte hinter der Firma. Auf dem Business-Portal Linkedin gibt er an, Gründer und «Head of Investor Relations» von Honesto zu sein. Mit Kryptowährungen hat er Erfahrung. Vor Jahren stellte er an Verkaufsveranstaltungen für den Onecoin tolle Gewinne in Aussicht (K-Geld 3/2016). Inzwischen stellte sich Onecoin mutmasslich als Milliardenbetrug heraus. Das US-Justizdepartement beziffert den Schaden in seiner Anklageschrift auf gegen 4 Milliarden US-Dollar.
Die Recherchen von K-Geld zeigen: Ein Investment bei Honesto ist mit hohen Risiken verbunden. Wer sich an Honesto beteiligt, muss mit dem Risiko eines Totalverlusts leben können, denn es handelt sich um eine Privatplatzierung. Das Unternehmen befindet sich im Aufbau und ist nicht an der Börse kotiert. Deshalb ist Honesto auch nicht zu Transparenz verpflichtet. Eine Beteiligung zu verkaufen, dürfte für Anleger schwierig sein. Dieses Risiko war Pius Müller deutlich zu gross, er zeichnete keine Aktien.
Honesto wollte diverse Fragen von K-Geld nicht beantworten. Immerhin: Die Firma verspricht, möglichen Investoren Einblick in «sämtliche Kommunikation, Zahlen, Verträge, Audits» zu gewähren, wenn man vorher einen Geheimhaltungsvertrag unterschreibt.