Wer mehr als einen Wohnsitz hat, darf nicht einfach wählen, wo er besteuert werden möchte. Steuerpflichtig ist man dort, wo man seinen Lebensmittelpunkt hat. Auch dann, wenn es anderswo vielleicht steuergünstiger wäre.
Wo sich dieser Lebensmittelpunkt befindet, ist oft umstritten – gerade bei Wochenaufenthaltern. Am Arbeitsort mit seinen vielfältigen beruflichen und gesellschaftlichen Beziehungen? Oder sind die familiären und sozialen Bindungen am ursprünglichen Wohnort immer noch so intensiv, dass man dort steuerpflichtig bleibt?
Bei Verheirateten mit Kindern ist der Wohnort der Familie Lebensmittelpunkt. Umgekehrt besteht eine Vermutung, dass sich der Lebensmittelpunkt eines Ledigen an den Arbeitsort verlagert, wenn er über 30 Jahre alt ist oder bereits mehr als fünf Jahre als Wochenaufenthalter auswärts lebt. So urteilte das Bundesgericht bereits mehrmals.
Bundesgericht gewichtet bestehende Beziehungen zum Geburtsort höher
Doch Ausnahmen sind möglich, die Vermutung ist widerlegbar. Beispiel: Die Beziehungen zu Familie und Freunden, zu Vereinskollegen und zur Dorfbevölkerung sind trotz auswärtiger Arbeit weiterhin so intensiv, dass der Lebensmittelpunkt am Wochenendwohnort bleibt. Zu diesem Entscheid kam das Bundesgericht jüngst im Fall eines 33-Jährigen, der unter der Woche in der Stadt Zürich lebte, am Wochenende aber jeweils in sein St. Galler Heimatdorf zurückkehrte (Urteil 2C_87/2019 vom 17. Juli 2019).
In Zürich ist der Mann Hauptmieter einer 4,5-Zimmer-Wohnung, die er mit zwei Untermietern teilt. Sein Mietanteil kostet ihn 758 Franken monatlich. Seine Freundin lebt in der näheren Umgebung. In seiner St. Galler Heimatgemeinde wohnt er bei seiner Mutter, die er dafür mit 500 Franken monatlich entschädigt. Für die Zürcher Steuerverwaltung waren das genug Hinweise, dass sein Lebensmittelpunkt in Zürich liegt.
Doch der ETH-Absolvent hat auch intensive und vielfältige Beziehungen zu seinem Heimatdorf: Er amtet dort als Fussballschiedsrichter und bildet Schiedsrichter aus. Er ist Mitglied des Tennisclubs, der Pistolenschützen und der dortigen Offiziersgesellschaft. Er pflegt enge Beziehungen zu seiner Mutter sowie zu seinen Geschwistern, sieben Nichten und Neffen, die alle im Ort oder in der näheren Umgebung leben. Und letztlich hat er auch Hausarzt, Zahnarzt und Coiffeur am Ort seiner Jugend beibehalten.
Das alles zählt in den Augen des Bundesgerichts mehr als die neueren Beziehungen an seinem Arbeitsort Zürich. Der Mann darf seine Steuern deshalb weiter an seinem Geburtsort entrichten.
Tipps: Steuerabzüge für Wochenaufenthalter
Wochenaufenthalter dürfen ihre externen Wohnkosten sowie ihre Pendlerkosten als berufsbedingten Aufwand von ihrem steuerbaren Einkommen abziehen. Das gilt allerdings nur in eingeschränktem Mass: Die Pendlerkosten sind bei der direkten Bundessteuer auf 3000 Franken limitiert. Auch eine Mehrheit der Kantone begrenzt den Pendlerabzug (K-Geld 5/2017).
Die Wohnkosten am Arbeitsort sind auf den Preis eines Zimmers oder einer 1-Zimmer-Wohnung begrenzt. Wer mehr Komfort wünscht, also etwa im Hotel wohnt oder sich eine grössere Wohnung leistet, darf dennoch nur die anteiligen Kosten respektive die Kosten einer ortsüblichen 1-Zimmer-Wohnung abziehen. Das zeigt ein Bundesgerichtsurteil vom März 2011.