Mit Coupons in den Kapitalismus gestartet

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K-Geld 01/2021

03.02.2021

Letzte Aktualisierung:
04.02.2021

Kilian Kirchgessner, Korrespondent in Prag (Tschechien)

Am 17. November hatten wir ein Familientreffen. In Tschechien erinnert dieser Tag an die sogenannte «Samtene Revolution» in der damaligen Tschechoslowakei. Sie setzte im Jahr 1989 dem Kommunismus ein Ende. Wir plauderten über dieses historische Ereignis. Plötzlich funkelten die Augen meines Schwiegervaters. «Ich zeige dir ein echtes Symbol von damals», rief er und sprang auf. Er brachte ein Heftchen, das uns auf eine Zeitreise mitnahm.

Die früh...

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Die frühen 1990er-Jahre zählen für viele Tschechen zur besten Zeit ihres Lebens. Es war eine Phase der Euphorie und der scheinbar unbegrenzten Möglichkeiten. Nur: Wie schafft man es, eine Planwirtschaft in ein kapitalistisches System zu überführen? Was tun mit den meist maroden Firmen, die im Staatsbesitz waren? «Dafür hatten wir das hier», verweist mein Schwiegervater auf das mit einem Wappen verzierte Heftchen. «Kuponová knížka» steht darauf. Mit diesem Coupon-Heft konnte jeder Bürger für einen kleinen Betrag Anteile von Staatsunternehmen kaufen, also quasi Aktien. Allerdings bekamen die Firmen dadurch kein frisches Kapital, weil die Tschechen selbst nur einen symbolischen Betrag für die Coupons an den Staat zahlten. «Die Unternehmen wurden unter uns Bürgern aufgeteilt», erklärt mein Schwiegervater. Jeder konnte eine genau festgelegte Zahl von Anteilen erwerben. «Wir sind alle von der gleichen Startlinie in den Kapitalismus gestartet.»

Allerdings gingen viele Unternehmen später pleite. «Ich hatte keine Ahnung von den Mechanismen der Marktwirtschaft», sagt mein Schwiegervater. Sein damaliger Chef machte mit seinen Coupons innert kurzer Zeit ein ansehnliches Vermögen. Dann verlor er es wieder, als er Betrügern aufsass. Für meinen Schwiegervater hingegen verlief der Einstieg in den Kapitalismus glimpflich. Für sein Coupon-Heft zahlte er 1993 die obligatorischen 1000 Kronen. Das war etwa ein Viertel seines Monatslohns. Damit kaufte er Anteile der Zivnobank. «Das war damals ein grosser Name. Das erschien mir seriös.» Sieben Jahre später verkaufte er seine Papiere. Der Wert der Aktien war um den Faktor 20 gestiegen. Sein Lohn hatte sich seither immerhin verdreifacht.

Vorsichtig schiebt mein Schwiegervater sein Coupon-Heft in die Klarsichtfolie und räumt es in den Schrank. Er hat seither nie mehr Aktien gekauft. Aber das Heft bewahrt er auf wie einen Schatz. Es erinnert ihn an eine Zeit, in der alles möglich schien.

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