Hotel Hilton Garden Inn Zurich Limmattal in Spreitenbach AG: An einem Samstag im Januar herrscht hier Hochbetrieb. Vor dem Hotel sind Autos aus der ganzen Deutschschweiz parkiert, darunter ein schwarzer Bentley mit Liechtensteiner Nummernschild.
Drinnen drängen sich über 100 Personen in einen Saal, wo um 12 Uhr ein «Breakpoint-Seminar» stattfindet. Der Eintritt ist gratis, Kaffee und Mineralwasser kosten extra. Im Saal prangen Plakate der SWM AG aus Liechtenstein und der Swiss Gold Treuhand AG aus Zug. Die SWM ist laut Firmenwebsite «Spezialist in der Vermittlung von Einkauf und Verkauf werthaltiger Edelmetalle».
«Handy ausschalten und ja nichts aufnehmen»
Im Publikum sitzen auffallend viele junge Männer. K-Geld ist ebenfalls zu Gast und will wissen, was der als Hauptredner angekündigte Michael Turgut den Zuhörern erzählen wird. Über die Jahre verloren Tausende von Anlegern in Deutschland ihr Geld mit Produkten, die Turgut und seine Verkäufer unter die Leute brachten. Im Jahr 2016 wurde er wegen vorsätzlichen Konkurses und falscher Zeugenaussage zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Das Urteil wurde 2018 rechtskräftig. Das bestätigt die Staatsanwaltschaft im bayerischen Hof gegenüber K-Geld. Turgut selber erwähnt das am «Breakpoint-Seminar» mit keinem Wort.
Zu Beginn der Veranstaltung begrüsst ein junger Mann namens Kevyn Arnold die Anwesenden: «Wer von euch hat Träume und Wünsche?» Die Hände gehen in die Luft. «Und wer möchte sie so schnell wie möglich erreichen?» Wieder gehen die Hände hoch. Dann mahnt er: «Handy ausschalten und ja nichts aufnehmen!»
Arnold übergibt nun das Wort an Michael Turgut, einen kleinen Mann mit glatten, nach hinten gekämmten schwarzen Haaren. Er stellt sich vor: «Mein Name ist Turgut, Michael, ich bin 54 Jahre jung und schaue jünger aus!» Seit 36 Jahren sei er im Geschäft, mit der Firma SWM habe alles angefangen. Wer nur von Lamborghinis und Rolexuhren träume, sei bei ihm an der falschen Adresse, denn «das sind nur Abfallprodukte des Erfolgs».
Turgut sagt, er wolle nichts verkaufen, das habe er nicht nötig. Er projiziert Bilder an die Wand, welche die Firmengruppe rund um die International Finance & Precious Metals Group vorstellen, zu der die SWM und die Swiss Gold Treuhand gehören. Turgut selber taucht darin nirgends in offizieller Position auf. Auf die Swiss Gold Refinery AG sei er besonders stolz, sagt er. In Afrika hätten sie fünf Raffinerien. «Wenn Sie Gold stempeln können, dann ist das wie Geld drucken!»
Im Internet und in Werbebroschüren sind Fotos entsprechend geprägter Gold- und Silberbarren zu finden. Dazu teilt das Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit K-Geld mit, die Swiss Gold Refinery besitze keine Bewilligung für das Herstellen und das Inverkehrbringen von Schmelzprodukten wie Goldbarren. Es sei strafbar, Barren ohne legale Schmelzprüfzeichen in der Schweiz und in Liechtenstein in Verkehr zu bringen.
Investment in Gold der SWM soll alle Probleme lösen
Turgut kommt nun zu seinem Hauptthema: «Was sind die grössten Probleme unserer Zeit?»: Problem Nummer 1 laut Turgut: «Wir zahlen zu viele Steuern!» Dem Publikum erklärt der Deutsche, er lebe seit 2008 in der Schweiz, zuerst in Basel, inzwischen in Glarus. Er habe mit der Schweiz ein Steuerabkommen, sagt er. Doch Steuerbeamte und die Justiz mag er nicht: «In Deutschland gibts Knast, wenn du eine Million vergessen hast. Und eine Million vergisst man schnell!» Das Publikum johlt.
Turgut fährt mit Problem Nummer 2 fort: «Unser Geld ist immer weniger wert!» Schuld seien die Amerikaner – sie würden alle anderen Länder in den Abgrund ziehen. Problem Nummer 3: «Übermorgen können wir von der Rente nicht mehr leben.» Turgut stellt die Lösung für all diese Probleme vor: Man müsse nur bei der SWM AG in Feingold investieren. Gold werde automatisch teurer, denn «in 16 Jahren wird es kein Gold mehr im Boden haben». Der Wert von Gold, Silber, Platin und Palladium werde sich alle viereinhalb bis fünf Jahre verdoppeln, sagt Turgut. Wer bei SWM kaufe, profitiere von einem einmaligen «Sicherheitskonzept». Das Gold werde im Zollfreilager in Embrach ZH gelagert.
Kleingedrucktes offenbart hohe Kosten für Anleger
Nun spricht Turgut die allgemeinen Geschäftsbedingungen an: «Haben Sie schon mal so klare AGB gesehen? Ich wette, Ihr Telefonvertrag ist komplizierter!» Fakt ist: Die AGB haben es in sich. Anleger müssen einen Vertrag für mindestens zwölf Jahre unterschreiben. Gleich zu Beginn werden «Einrichtungskosten» von 4,9 Prozent der «Gesamtzahlungssumme» fällig. Die monatliche Mindestzahlung beträgt 50 Euro, davon gehen 5 Prozent «Agio» weg. Für «Lagerungs- und Versicherungskosten» zwackt die SWM jährlich 1,2 Prozent des Werts der für den Kunden gelagerten Edelmetalle ab. Zusätzlich darf die SWM für «laufende Kosten» bis zu 1,8 Prozent pro Jahr kassieren. Kündigt man vor Ende der Laufzeit, gibts nach Abzug der «Einrichtungskosten» den aktuellen Verkaufswert der Edelmetalle zurück.
Wer bei SWM einzahlt, hat das Metall nicht physisch in den Händen, sondern partizipiert am Preis des Goldes, das angeblich im Zollfreilager liegt. Zum Vergleich: Das ist auch mit einem Gold-ETF möglich – zu einem Bruchteil der Kosten. Kauft man einen Gold-ETF, etwa jenen der UBS (Valor 10602712), kann man dies zu jährlichen Kosten von 0,23 Prozent der investierten Summe tun – zuzüglich Depotgebühr und Kaufkosten. Der Fonds investiert in physisch vorhandenes Gold, das in einem Tresor in der Schweiz aufbewahrt wird.
Das «Angebot» der SWM sei noch nicht alles, fährt Turgut fort: Für Kunden mit mehr als 100000 Franken habe man die Swiss Gold Treuhand AG – das sei «quasi die Private-Banking-Abteilung». Dort könnten Anleger in Rohgold investieren. «Wir kaufen in Afrika vor Ort ein – mit eigenem Geld für 15 Prozent unter dem Markt», behauptet Turgut. Was er nicht sagt: Die Swiss Gold Refinery AG und die Swiss Gold Treuhand AG arbeiten mit dem Umfeld des mehrfach verurteilten Betrügers Claudio de Giorgi zusammen. Dieser gleiste in der Zentralafrikanischen Republik die Swiss Gold Value Sarl auf und sammelt dort in Kleinstminen Rohgold ein. Die beiden Firmen bestreiten, mit de Giorgi zusammenzuarbeiten.
Um 17 Uhr entlässt Michael Turgut das Publikum mit einem Video, das wichtige Verkäufer beim Besuch des Filmfestivals Monte Carlo im Jahr 2022 zeigt. Auf dem roten Teppich in Monaco liess sich Claudio de Giorgi mit Renato Vitetta ablichten, dem damaligen Verwaltungsratspräsidenten der Swiss Gold Refinery. Die Firma war einer der Hauptsponsoren des Festivals.
Die SWM schreibt K-Geld, Michael Turgut sei freier Trainer und Coach. Er sei 2013 in einer Privatsache verurteilt worden. Dieses Urteil sei zurzeit beim Oberlandesgericht Bamberg (D) in Revision. «Michael Turgut wirbt bei den Seminaren auch nicht für Rohgoldkäufe oder andere Käufe», sagt SWM. Das «Breakpoint-Seminar» sei eine reine Informationsveranstaltung für neue Geschäftspartner.