Häufig erkundigen sich K-Geld-Leser bei der Redaktion über nachhaltige Anlagen. «Nachhaltig» bedeutet, dass die betreffenden Unternehmen nicht mehr Ressourcen verbrauchen als nachwachsen können. Allerdings gibt es keine einheitliche Definition für solche «grünen» Anlagen. «Es herrscht ein grosses Durcheinander», sagt Reto Ringger, Gründer und Chef der Zürcher Globalance Bank. Jede Bank habe eine eigene Methodik, um Produkte zu qualifizieren, und ein eigenes Nachhaltigkeitslabel. «Für Anleger ist das nicht überschaubar.»
Ringger ist ein Pionier auf diesem Gebiet. Er gründete im Jahr 1995 die Firma Sustainable Asset Management und erfand kurz darauf den Dow Jones Sustainability Index – den ersten globalen Nachhaltigkeitsindex. Dieser enthält die Aktien der 500 vorbildlichsten Firmen aus 58 Branchen, die unter den 2500 grössten börsengehandelten Firmen zu finden sind. Dieser Best-in-Class-Ansatz führt allerdings dazu, dass im Index auch Aktien aus der Erdöl-, der Luftfahrt- und der Automobilbranche stecken. Die meisten Anleger denken nicht an solche Firmen, wenn sie nachhaltig investieren möchten. Heute räumt Ringger ein, dass der Best-in-Class-Ansatz «überholt» sei.
Ratingagenturen haben unterschiedlicheBewertungsmethoden
Unternehmen müssen heute in den drei Bereichen Umwelt (Environment), Soziales (Social) und Geschäftsführung (Governance) gut abschneiden, um als nachhaltig zu gelten. Man spricht dabei von den ESG-Kriterien. Diese Abkürzung taucht häufig in Fondsnamen auf – ist aber oft nur ein Verkaufsinstrument. Wer wirklich nachhaltig anlegen will, muss genauer hinschauen.
In der Praxis sind Fondsmanager kaum in der Lage, laufend zu überprüfen, ob die Nachhaltigkeitskriterien bei allen Firmen, in die sie investieren, erfüllt sind. Daher delegieren sie diese Aufgabe an Ratingagenturen. Diese prüfen Geschäfts- und Medienberichte oder Meldungen von Nichtregierungsorganisationen, um herauszufinden, wie nachhaltig ein Unternehmen tatsächlich wirtschaftet. Auf der Basis dieser Analysen bewerten sie die Geschäftstätigkeit und erstellen ESG-Ratings. Gestützt darauf, entscheiden die Fondsmanager, welche Papiere gekauft oder verkauft werden sollen. Allerdings gelten in der Finanzwelt immer auch ökonomische Kriterien. Schliesslich wollen die Anleger Gewinne erzielen.
Für Anleger haben diese Ratings einen weiteren Haken. Sie können für das gleiche Unternehmen unterschiedlich ausfallen, weil sich die Methoden der Ratingagenturen unterscheiden. Anleger, die diese Methoden kennen, können die nach ihrer Einschätzung nachhaltigen Anlagen besser auswählen. Manche Investoren legen mehr Wert auf Klimaschutz, andere gewichten eine gute Unternehmensführung stärker.
Die global bedeutendste Ratingagentur ist MSCI ESG in den USA. Sie untersucht jedoch nicht die Nachhaltigkeit der Produkte von börsenkotierten Firmen. Vielmehr bewertet sie das finanzielle Risiko, das aufgrund verfehlter Nachhaltigkeitsziele entstehen kann. Wenn etwa ein Zementhersteller mehr CO2 ausstösst als erwartet, muss er Emissionszertifikate dazukaufen. Das schmälert den Gewinn. MSCI ESG bewertet 8500 Unternehmen weltweit und nutzt den Best-in-Class-Ansatz, vergleicht also die Risiken innerhalb einer Branche.
Ähnlich geht Sustainalytics vor, eine niederländische Tochterfirma des Finanzanalysten Morningstar. Diese Ratingagentur bewertet, wie gut ein Unternehmen mit Risiken umgeht. Als Quellen dienen neben Geschäfts- und Medienberichten auch Beobachtungen von Nichtregierungsorganisationen (etwa Transparency International), wenn es um Korruption geht. Das Problem: Gemäss einer Schätzung von Transparency International werden nur etwa fünf Prozent aller Korruptionsfälle überhaupt bekannt. Wo das der Fall ist, konfrontiert Sustainalytics die involvierten Unternehmen mit der Kritik und fragt, wie sie gegen die Missstände vorgehen. Auf dieser Basis erstellt Sustainalytics Jahr für Jahr ein Rating pro Unternehmen. Daraus lässt sich die Bewertung für die Fonds berechnen, die in die jeweiligen Firmen investieren.
Auf Morningstar.de/de/funds/esg.aspx finden Anleger die Fonds mit den besten Nachhaltigkeitsratings. Fünf Weltkugeln bedeuten, dass der Fonds zu den nachhaltigsten zehn Prozent gehört. Fonds mit einem Globus gehören zum schlechtesten Zehntel.
Privatanleger können auch mit Hilfe des Faktenblatts oder des Geschäftsberichts eines Fonds herausfinden, in welche Aktien dieser investiert. Auf Sustainalytics.com/esgratings kann man die gewünschte Aktie eingeben. Zum Beispiel jene des Baustoffherstellers Holcim: Das Resultat ergibt, dass Holcim von den 13858 Firmen, die Sustainalytics untersucht, auf dem 3501. Platz rangiert. Zementproduzenten verursachen hohe CO2-Emissionen. Fairer ist daher der Vergleich innerhalb der 118 Baustoffkonzerne, die Sustainalytics untersucht. In dieser Gruppe steht der Schweizer Konzern auf dem guten 6. Rang. Sustainalytics erklärt in einem kurzen Video auf der Website, wie diese Bewertung im Detail zustande kommt.
Dax kommt schlechter weg als der Swiss Performance Index
Auch Fe.globalanceworld.com ist hilfreich. Dort können sich Anleger kostenlos registrieren und danach Indizes oder Einzelaktien eingeben. Gezeigt wird, wie klimaschädlich ein Index oder eine Aktie angeblich ist. Der deutsche Aktienindex Dax etwa kommt wegen der Automobilbranche schlechter weg als der Swiss Performance Index mit grossen Vertretern aus weniger CO2-intensiven Branchen wie Pharma und Versicherungen. Peter Zollinger, leitender Analyst bei Globalance, erklärt, dass den Zahlen der gesamte CO2-Ausstoss eines Unternehmens zugrunde liege – und zwar entlang der ganzen Wertschöpfungskette. Das sei «eine Orientierung für Anleger», aber keine genaue Messmethode. Zahlen der Treibhausgasemissionen seien global standardisiert und stammen von der Website Ghgprotocol.org. Dort legen die Unternehmen ihre Emissionen offen.
Anlagen gratis auf Nachhaltigkeit prüfen lassen
Wer wissen möchte, wie nachhaltig seine bestehenden Anlagen sind, kann die Recherche kostenlos an das VZ Vermögenszentrum delegieren. So gehts: Depotauszug schicken an VZ Vermögenszentrum, «Nachhaltigkeits-Check», Gotthardstrasse 6, 8002 Zürich. Über Vzch.com/nachhaltigkeitscheck können Anleger den Auszug auch elektronisch einreichen. Aufgrund von Daten der Ratingagenturen MSCI ESG und Morningstar Sustainalytics nimmt das VZ eine Bewertung vor und versieht die Aktien- und Fondspositionen mit einem roten, orangefarbenen oder grünen Punkt (Ampelsystem).
Unterschiedlich nachhaltige Fonds
ESG (Environment, Social, Government) steht für eine umwelt- und sozialverträgliche Unternehmensführung. Es gibt diverse Indizes mit entsprechenden Fonds, bei denen diese Kriterien je anders zum Tragen kommen.
Die meistbeachteten Nachhaltigkeitsindizes stammen vom US-Indexhaus MSCI. Der normale, ungefilterte MSCI World Index umfasst 1562 Aktien aus 23 Ländern. Bei den Nachhaltigkeitsindizes werden Unternehmen ausgefiltert, die bestimmte Kriterien nicht erfüllen. MSCI führt folgende Nachhaltigkeitsindizes:
- ESG Screened Dieser Index enthält total 1481 Aktien von grossen und mittelgrossen Firmen. Ausgeschlossen werden 81 Titel aus den Branchen Kohle, Ölsand, Tabak und Waffen. Auch Firmen, welche die «UN Global Compact»-Prinzipien verletzen, scheiden aus – etwa, wenn Zwangs- oder Kinderarbeit nachgewiesen wird. Auch Fälle von Erpressung und Bestechung sind Ausschlusskriterien. Valor Index-Fonds: 43695827.
- ESG Leaders Nur 726 Aktien von grossen Konzernen enthält dieser Index, der zudem Glücksspiel und Atomkraft ausschliesst. Valor Index-Fonds: 51552088.