«Ich will nachhaltig, also sozial- und umweltverträglich anlegen», schreibt Margareta Keller aus Gontenschwil AG der K-Geld-Redaktion. Sie hat eine grössere Summe geerbt. Dieses Geld liegt auf einem Konto der Credit Suisse. Das kostet Gebühren, wirft aber keinen Zins ab. Auf Kellers Wunsch machte die Credit Suisse Anlagevorschläge. Die sind der Kundin aber zu wenig grün und zudem sehr teuer. Sie fragt sich, ob es möglich ist, gleichzeitig nachhaltig und kostengünstig zu investieren.
Auch Hans-Peter Friedli aus Grafenried BE möchte «wirklich grün und nachhaltig» anlegen. Gabrielle Bader aus Uster ZH schreibt, dass sie «primär eine nachhaltige Anlage» suche. Und Christian Baumann aus Rüti ZH will für seine 88-jährige Mutter «umweltfreundlich investieren».
Die vielen Anfragen an K-Geld zeigen: Die Nachfrage für nachhaltige Investitionen steigt. Das belegt auch eine Studie der Uni Zürich und des Verbands Swiss Sustainable Finance: Das Volumen von als nachhaltig deklarierten Fonds in der Schweiz hat sich innert eines Jahres verdoppelt. Ende 2018 waren 190,9 Milliarden Franken in solchen Produkten angelegt. Ein gutes Geschäft. Denn nachhaltige Fonds belasten Investoren klar höhere Gebühren als konventionelle.
Doch viele Anleger, wie etwa Markus R. aus Baar ZG, sind skeptisch: «Was heisst nachhaltig konkret?» Die Frage ist berechtigt, denn es gibt weder eine Definition von Nachhaltigkeit noch einen global verbindlichen Standard. Gemeint sind damit ganz allgemein umwelt- und sozialverträgliche Anlagen. Nachhaltige Aktien und Obligationen sollten also von Firmen stammen, welche mindestens die Umwelt nicht schädigen und ihre Angestellten gut behandeln. Von Managern nachhaltiger Fonds wird erwartet, dass sie Aktien von Unternehmen ausschliessen, die Gewässer verschmutzen, Waffen produzieren oder die Gesundheit von Angestellten oder Konsumenten gefährden.
Im Fonds «vorbildliche Unternehmen» – von AKWs bis Autofirmen
Einem grossen Teil von Managern nachhaltiger Fonds gehen diese Ziele zu weit. Masja Zandbergen, die im Fondshaus Robeco für die Einhaltung der Nachhaltigkeitskriterien sorgt, verfolgt den «Best-in-Class-Ansatz». Das bedeutet: Sie schliesst gewisse Branchen nicht generell aus, sondern sucht darin jeweils die Aktien eines «vorbildlichen Unternehmens», also etwa aus der Luftfahrt, von Autoherstellern oder der Erdölförderung. Nur: Welche Anleger, die nachhaltig investieren wollen, verstehen darunter Erdölfirmen und Autoproduzenten?
Was Geldverwalter als nachhaltig verkaufen, zeigt auch dieses Beispiel: Am 12. Juni wurde anlässlich der GFSI Swiss Sustainable Funds Awards in Genf der NN Green Bond Fund ausgezeichnet. Auf dem Faktenblatt dieses Siegerfonds steht die Definition der sogenannten Green Bonds: «Grüne Anleihen dienen der Finanzierung neuer oder bestehender Projekte, die der Umwelt zugutekommen.» Die grösste Position des Fonds sind französische Staatsanleihen. Sie machen 7,5 Prozent des Fondsvermögens aus. Auch die Electricité de France (EDF) ist darin gut vertreten. Der Energiekonzern produziert drei Viertel des Stroms in Atomkraftwerken.
Sogar in prämierten Fonds hats Firmen, die nicht ökologisch sind
Bei der Evaluation der Gewinner des Schweizer Nachhaltigkeitspreises spielte die Firma Conser, eine Spezialistin für die Auswahl nachhaltiger Fonds in der Schweiz, eine zentrale Rolle. Doch ihr Sprecher konnte K-Geld nicht erklären, warum ausgerechnet der Staat Frankreich und die EDF besonders grün sein sollen. Im Positionspapier des Fondsmanagers NN Investment Partners steht, EDF leiste einen positiven Beitrag zur Reduktion von Treibhausgasen. Radioaktiver Abfall scheint kein Thema zu sein.
Die Zürcher Agentur Inrate verspricht Investoren die Sicherstellung der von ihnen definierten Werte punkto Nachhaltigkeit. Sie listete K-Geld fünf erfolgreiche Fonds auf, «die nachhaltige Anleger bedenkenlos kaufen können». Darunter der Swisscanto Bond Fund Sustainable. Die grössten Positionen: Obligationen der Eidgenossenschaft und der Pfandbriefbank (siehe Tabelle im PDF).
Im Aktienfonds Raiffeisen Futura Swiss Stock sind Papiere von Novartis, Roche und Zurich Versicherung die Hauptbestandteile. Der Fondsmanager wählt dabei aus 3500 Wertschriften aus, die Inrate als nachhaltig einstuft. Inrate sagt, sie untersuche ganze Produktionszyklen. Das umfasse auch die Zulieferer der bewerteten Unternehmen und die Entsorgung der Produkte.
Die Bank Vontobel hat einen GFSI Swiss Sustainable Funds Award für einen nachhaltigen Aktienfonds gewonnen. Die viertstärkste Position hält die chinesische National Offshore Oil Corporation. Das zeigt: Selbst in prämierten nachhaltigen Fonds finden sich Unternehmen, welche die Bezeichnung ökologisch und sozialverträglich nicht verdienen.
Vontobel wirbt damit, künftig strengere Nachhaltigkeitsgrundsätze zu verfolgen: Die Bank hat ein Produkt angekündigt, bei dem es sich nicht um einen Fonds, sondern um ein Darlehen an Vontobel handelt. Mit diesem Geld kauft die Bank Aktien von 20 Unternehmen, welche der Welt nicht schaden, sondern sie aktiv verbessern sollen.
Vontobel präsentierte das Produkt am «Börsentag», der im Mai im Zürcher World Trade Center stattfand. Die Bank versprach «Rendite und eine messbare, positive, soziale oder ökologische Wirkung». Die 20 Unternehmen sollen also Musterschüler der Anlagewelt sein. Einer davon ist der US-Konzern Procter & Gamble. Er verkauft etwa Ariel und Meister Proper, Pampers und Gillette-Rasierklingen. Auch die Aktien des japanischen Sanitärtechnikers Toto liegen im Vontobel-Aktienkorb. Auf die Frage von K-Geld, was die Japaner besser machen als der Schweizer Konkurrent Geberit, wusste der Vontobel-Vertreter keine Antwort.