K-Geld-Leser Helmut Schönbacher aus Meyrin GE erhielt im September vergangenen Jahres einen Brief der UBS. Es ging um den UBS Vitainvest Swiss 25 Sustainable Fund. Schönbacher besitzt Anteile im Gegenwert von rund 36000 Franken. Die UBS behauptete im Brief, dass sämtliche Fonds der Vitainvest-Palette ab sofort «ein besseres Nachhaltigkeitsprofil» hätten.
Schönbacher verglich das aktuelle Faktenblatt mit demjenigen von 2018. Dabei stellte er fest, dass der Fonds die- selben Wertschriften besass wie damals: Aktien von Nestlé, Novartis, Roche und UBS sowie Anleihen der Eidgenossenschaft, der USA, der Pfandbriefbank und der Pfandbriefzentrale der Schweiz. Früher hiess der gleiche Fonds noch UBS Vitainvest 25 Swiss – ohne den Zusatz «Sustainable», auf Deutsch nachhaltig. Gleicher Inhalt – neue Deklaration: Schönbacher fühlte sich von der UBS veräppelt.
Karsten Güttler, Fondsexperte bei der UBS, rechtfertigt gegenüber K-Geld das Label «Nachhaltigkeit»: Aktien der Hersteller von Kohlestrom, Streubomben und Landminen seien verkauft worden. Allerdings entsprachen die vom Fonds im Rahmen der Nachhaltigkeitsstrategie veräusserten Aktien nur etwa einem Prozent des Fondsvermögens. Zudem besitzt der Fonds weiterhin Aktien von Rüstungsunternehmen. Güttler sagt dazu: Auch Demokratien müssten sich wehren können. Die Kernkraft sei ebenfalls kein Ausschlusskriterium. Wenn ein Energieversorger aber mehr als 30 Prozent des Umsatzes mit Kohlestrom erwirtschafte, werde die entsprechende Aktie verkauft. Diese Schwelle gelte auch für Bergbaukonzerne, die Kohle fördern.
Warum besitzt ein Fonds, der im Titel den Begriff «Swiss» trägt, Anleihen aus den USA? Dieser Zusatz bezieht sich laut Güttler ausschliesslich auf die Aktien – also auf einen Viertel der Anlagen des Fonds. Schweizer Anleihen würden kaum noch Zinsen abwerfen, deshalb müsse man US-Staatsanleihen beimischen. Und weshalb sollen Anleihen der USA nachhaltig sein? Güttler sagt: Die Vereinigten Staaten seien punkto Menschenrechte immerhin besser als andere Länder.
Zahl der angeblich grünen Fonds nahm in letzter Zeit deutlich zu
Der erwähnte UBS-Fonds steht für einen Trend, der sich beschleunigt. So zählte der Finanzexperte Manfred Stüttgen von der Hochschule Luzern, Abteilung Wirtschaft, von Mitte 2018 bis Mitte 2019 total 27 konventionelle Fonds, die in nachhaltige Fonds umgewandelt wurden. Deren Gesamtwert war mit 6 Milliarden Franken noch bescheiden. In den folgenden zwölf Monaten, also bis Mitte 2020, waren es bereits 73 angebliche grüne Fonds – mit einem Vermögen von total 28 Milliarden. Die grössten drei von ihnen sind je ein Aktienfonds von DWS (Valor 328870) und Robeco (Valor 1237582) sowie ein Fonds mit Zinsanlagen von Blackrock (Valor 21471105). Negativ aufgefallen ist der Robeco-Fonds: Stüttgen stellte fest, dass «keine wesentlichen Aktualisierungen und Änderungen in Bezug auf die Nachhaltigkeitsstrategie» ausgewiesen wurden.
Die Graubündner Kantonalbank benannte im Frühjahr 2020 gleich zehn konventionelle Fonds in nachhaltige um. Zu erkennen ist dies an der Abkürzung «ESG» im Namen der Fonds. Sie steht für «Environment, Social and Governance», soll also eine umweltgerechte, sozialverträgliche und ethisch korrekte Unternehmensführung garantieren. Florian Tromm ist bei der Bündner Bank für nachhaltige Anlagen zuständig. «Wir sind keine Öko-Bank», sagt er. Es gehe also nicht nur um Umweltfreundlichkeit. In den Fonds der Kantonalbank seien auch Auto-Aktien enthalten – allerdings nicht jene von VW. Der Ausschluss dieser Papiere sei nicht aus Umweltgründen erfolgt, sondern wegen der Unternehmensführung von VW im Zusammenhang mit dem Dieselskandal («Saldo» 13/2019). Laut Tromm schliesst die Bank in nachhaltigen Fonds nicht ganze Sektoren aus, sondern kaufe etwa auch Aktien von vorbildlichen Unternehmen einer bestimmten Branche.
«Begriff Nachhaltigkeit wird inflationär verwendet»
Peter Frech, Fondsmanager bei der Quantex AG in Zürich, kritisiert den «inflationären Gebrauch des Begriffs Nachhaltigkeit» bei Fonds. Auch das Label «ESG» bezeichnet er als «Augenwischerei» und zu wenig klar definiert. Jeder Fonds könne seinen eigenen Nachhaltigkeits-Standard wählen. Es sei praktisch unmöglich, die Einhaltung zu überprüfen. «Bald sind 99 Prozent der Fonds nachhaltig», prognostiziert Frech. Diese Entwicklung erschwere es Anlegern zunehmend, die wenigen Fonds ausfindig zu machen, die sich tatsächlich bemühen, strenge Standards einzuhalten.
Fazit: Anleger sollten sich nicht auf wohlklingende Fondsbezeichnungen verlassen. Es empfiehlt sich, auf dem Faktenblatt oder im Geschäftsbericht nachzusehen, welche Aktien ein Fonds besitzt. Nur so lässt sich beurteilen, ob die Anlage tatsächlich eine nachhaltige Welt fördert.