Schweizer Banken haben sich in der Vergangenheit einiges zuschulden kommen lassen: Sie heimsten hinter dem Rücken der Kunden Provisionen ein, verkauften angeblich kapitalgeschützte Produkte der Pleitebank Lehman Brothers an Kleinanleger und liessen es im Umgang mit Schwarzgeldern an Sorgfalt mangeln. Vor diesem Hintergrund beschloss der Bundesrat im Jahr 2012, die Rechte der Anleger zu stärken, und liess ein Finanzdienstleistungsgesetz ausarbeiten. Das neue Gesetz trat nun am 1. Januar 2020 in Kraft.
Allerdings: Auf Druck von Banken und Vermögensverwaltern strichen Bundesrat und Parlament viele der anfänglich vorgeschlagenen Vorteile für die Kunden wieder. Ursprünglich sah der Gesetzesentwurf eine Reihe von Verfahrenserleichterungen vor. Etwa kostenlose Prozesse gegen Banken, sofern Aussicht auf Erfolg besteht. Und die Banken hätten künftig beweisen müssen, dass sie die Kunden vollständig und richtig informierten.
Im neuen Gesetz bleibt nun alles beim Alten: Geschädigte Anleger müssen beweisen, dass sie von der Bank falsch oder unvollständig informiert wurden. Im Streitfall hätten die vorgeschlagenen Neuerungen die Position von Kleinanlegern gegenüber den mächtigen Banken gestärkt. Nach den Abstrichen bleiben den Privatanlegern aber kaum Verbesserungen.
K-Geld stellt die wichtigsten Neuerungen vor:
Unterschiedlicher Schutz
Banken, Vermögensverwalter und Anlageberater müssen zwischen Privatkunden und professionellen Kunden unterscheiden. Privatkunden geniessen einen höheren Schutz. Sie müssen umfassender informiert werden. Vermögende Privatkunden allerdings können wie professionelle Kunden behandelt werden. Voraussetzung dafür sind ein Vermögen von über zwei Millionen Franken. Oder von mindestens 500 000 Franken und genügend Finanzwissen.
Eignungsprüfung
Anlageberater und Vermögensverwalter müssen Privatkunden beraten und herausfinden, welche Finanzkenntnisse und Erfahrungen vorhanden sind. Nur so sind die Banken in der Lage zu beurteilen, welche Finanzinstrumente für die Kunden geeignet sind. Bei einer Vermögensverwaltung besteht für die Banken zusätzlich die Pflicht, die finanziellen Verhältnisse und Anlageziele zu erfragen.
Dokumentationspflicht
Banken, Vermögensverwalter und Anlageberater sind verpflichtet, alle vereinbarten Finanzdienstleistungen sowie die von den Kunden erhaltenen Informationen zu protokollieren und aufzubewahren. Bei der Anlageberatung müssen sie ferner die Bedürfnisse der Kunden sowie die Gründe für jede Finanzempfehlung dokumentieren. Die Kunden haben jederzeit Anspruch auf eine Kopie ihres Dossiers sowie auf eine Übersicht zu erworbenen Finanzprodukten, Portfolio, Performance und Kosten.
Informationspflicht
Finanzdienstleister müssen Anleger ausführlich informieren – so etwa über die Risiken und die Kosten von Finanzinstrumenten, deren Funktionsweise sowie mögliche Interessenkonflikte bei der Beratung. Bei der persönlichen Beratung ist für von der Bank empfohlene Finanzprodukte ein sogenanntes Basisinformationsblatt abzugeben. Es muss in leicht verständlicher Sprache alle wichtigen Angaben zum Produkt enthalten – zum Beispiel zum maximal drohenden Verlust oder den Kosten. Auf Anfrage müssen Berater den Kunden zudem einen umfassenderen Prospekt abgeben, sofern der Herausgeber des Produkts einen solchen erstellen muss.
Neu müssen die Banken auch darauf hinweisen, wenn sie ihren Kunden hauseigene Produkte empfehlen. Die UBS schreibt etwa im Kleingedruckten, dass «UBS-Finanzinstrumente bevorzugt ausgewählt oder empfohlen» werden, sofern deren Eigenschaften «vergleichbar sind» mit solchen von Drittanbietern.
Entschädigungen Dritter
Das Finanzdienstleistungsgesetz verbietet es Finanzdienstleistern nicht, Kickbacks von Dritten anzunehmen. Sie müssen aber von den Kunden eine Verzichtserklärung einholen, wenn sie solche Retrozessionen nicht vollumfänglich an sie weitergeben. Dabei müssen sie die Kunden vorgängig zumindest über die Grössenordnung der Provisionen, Kommissionen oder sonstiger monetärer Vorteile informieren. Kunden können im Nachhinein die Offenlegung der effektiv geflossenen Beträge verlangen. Dies ist nicht neu: Es entspricht der Praxis des Bundesgerichts.
Anschluss an Ombudsstelle
Alle Banken, Vermögensverwalter und Anlageberater haben die Pflicht, sich einer Ombudsstelle anzuschliessen. Finanziert werden die Ombudsstellen durch Beiträge der Finanzinstitute. Sie sollen, wenn möglich, Rechtsstreitigkeiten zwischen Kunden und Finanzdienstleistern schlichten. Laut Gesetz muss das unbürokratische Verfahren vor der Ombudsstelle für die Kunden «kostengünstig oder kostenlos» sein. Für die Banken ändert sich mit dieser Regelung nichts. Denn sie sind bereits der Institution Schweizerischer Bankenombudsman angeschlossen. Sie wurde im Jahr 1993 von der Schweizerischen Bankiervereinigung gegründet.
Neu ist der Anschluss an eine Ombudsstelle für Vermögensverwalter und Anlageberater. Allerdings dienen Ombudsstellen, die von der Branche selber finanziert sind, vor allem den Brancheninteressen und nicht jenen der Kunden. So intervenierte der Bankenombudsmann im Berichtsjahr 2018 nur in 233 von 1926 Fällen bei den Banken (12 Prozent).
Das Finanzdienstleistungsgesetz gilt wie erwähnt seit Anfang Jahr. Anleger können trotzdem nicht damit rechnen, dass alle neuen Vorschriften bereits zur Anwendung kommen. Von K-Geld angefragte Banken geben an, sie müssten ihre Abläufe und Richtlinien den neuen standardisierten und erweiterten Vorgaben des Gesetzes anpassen. Dafür nehmen die Banken die verschiedenen gesetzlichen Übergangsfristen in Anspruch. Erst per Anfang 2022 müssen sie alle Vorschriften umgesetzt haben.
EU-Anleger sind besser geschützt
Ein erklärtes Ziel des neuen Finanzdienstleistungsgesetzes Fidleg war es, in der Schweiz vergleichbare Regeln wie in der EU einzuführen. Dieses Ziel haben die Politiker klar verfehlt. Die seit 2018 geltende EU-Regulierung Mifid II schützt die Anleger deutlich besser als das Schweizer Gesetz. In der EU sind beispielsweise Kickbacks generell verboten. In der Schweiz bleiben sie erlaubt. Ausserdem müssen Finanzdienstleister in der EU dem Kunden die Kosten immer vollumfänglich und vor einer Transaktion offenlegen.