Kurz vor den Sommerferien beginnt in Peking die Zeit der bunten Einkaufsmärkte: Ausländer, die den Lieben zu Hause ein Mitbringsel aus China überreichen wollen, nehmen dieses Angebot dankend an. Ob Schmuck, Kleidung oder kleine Kunsthandwerksschätze – an den vielen Ständen lässt sich eigentlich immer etwas finden.
Das Bezahlen der ausgesuchten Präsente kann allerdings zum Problem werden. Denn immer wieder passiert es, dass mich die Verkäufer entgeistert anschauen, wenn ich mein Portemonnaie zücke. «Wie? Sie haben kein ‹WeChat Pay›? Ich habe überhaupt kein Wechselgeld. Es kommt ja keiner mehr mit Bargeld», heisst es dann halb belustigt, halb entschuldigend.
Immerhin borgen sich die Standbesitzer meist Geldscheine von den Nachbarn zusammen, damit ihnen das Geschäft mit mir nicht durch die Lappen geht. Aber es ist klar, welche Gedanken sich hinter dem professionellen Lächeln verbergen: Typisch Laowai – das bedeutet Ausländer auf Mandarin. Da hält sie ein Smartphone in der Hand, benutzt es aber nicht zum bargeldlosen Bezahlen. Damit bin ich in China eine Aussenseiterin. Die Bewohner des Riesenreichs haben sich dem bequemen Weg des Bezahlens per Handy-App verschrieben, am liebsten mit «WeChat Pay» des Internetkonzerns Tencent.
Eine halbe Milliarde Chinesen, so wird geschätzt, begleichen ihre Strom- oder Telefonrechnungen auf diesem Weg. Sie zahlen so ihre Rechnung im Restaurant oder kaufen Gurken und Rüebli auf dem kleinen Markt in der Nachbarschaft. Kein lästiges Abzählen von schmuddeligen Geldscheinen mehr. Einfach einen QR-Code scannen, Summe eintippen, fertig. Der Grund, dass das Bier am deutschen Stand unseres internationalen Schulfests in Strömen floss und Kaffee und Kuchen ebenfalls ein Verkaufsschlager waren, lag – na klar – daran, dass man bei uns mit «WeChat Pay» zahlen konnte.
Das digitale Bezahlen bringt auch Nachteile mit sich. Das scheint in China aber nicht für Irritationen zu sorgen. Kritiker warnen zwar, dass in dem an Überwachung reich gesegneten Land «WeChat Pay» und Co. für eine noch engere Verknüpfung von Big Data und Big Brother sorgen. Doch die Benutzer ärgern sich über anderes: Versagt das 4G-Netz oder klappt das Scannen des QR-Codes nicht, können sie nichts mehr einkaufen.
Dann schlägt jeweils meine Stunde: Entspannt zähle ich mit dem Mao-Porträt bedruckte 100-Yuan-Scheine ab, während andere Kunden an der Supermarktkasse auf die moderne Technik fluchen. Manchmal ist es doch smarter, nicht auf jeden Trend aufzuspringen.