Christian Pesler aus St. Gallen war im Herbst 2015 der Meinung, der Ölpreis werde steigen. Deshalb kaufte er ohne fachliche Beratung in mehreren Schritten für total 133750 Franken Faktorzertifikate der deutschen Commerzbank.
Ein Faktorzertifikat ist ein Finanzprodukt mit vierfachem Hebel. Das heisst: Steigt der Ölpreis um 1 Prozent, legt dieses Wertpapier um 4 Prozent zu. Nach unten greift der Hebel im gleichen Ausmass.
Trotz starkem Preisanstieg satte 30 Prozent Verlust
Doch Pesler lag längere Zeit falsch mit seiner Annahme: Bis Anfang Januar 2016 sank der Ölpreis markant – von 58 US-Dollar pro Fass um 52 Prozent auf 28 US-Dollar (siehe Grafik im PDF). Seither erholt sich der Ölpreis wieder. Besonders stark stieg er im zweiten Halbjahr 2017. Pesler hoffte deshalb, mit seinem Ölinvestment doch noch einen Gewinn einzufahren.
Doch dann machte ihm die Commerzbank einen Strich durch die Rechnung. Sie kündigte das Produkt Ende September 2017 und zahlte Pesler aus. Der Ölpreis lag zu diesem Zeitpunkt bei 57 US-Dollar, also nahe bei Peslers Einstiegspreis. Doch wegen der kundenfeindlichen Ausgestaltung des Produkts erhielt der Anleger trotzdem nur 93990 Franken ausgezahlt. Das bescherte ihm ein Minus von 30 Prozent, obwohl er gar nicht verkaufen wollte.
Herausgeber können ein Faktorzertifikat kündigen
Faktorzertifikate haben kein im Voraus festgelegtes Verfalldatum. Im Fachjargon heisst das «open end». Im Faktenblatt des Produkts steht jedoch, die Emittentin habe das Recht, das Indexzertifikat per Ende jedes Quartals zu kündigen. Die Commerzbank konnte das Wertpapier also nach Belieben vom Markt nehmen.
Spekuliert damit die Herausgeberin gegen die eigenen Kunden? Dazu schreibt die Commerzbank: «Die Kursentwicklung des Produkts war für die Kündigung nicht ausschlaggebend.» Was war also der Grund? «Die Kündigung des Produkts war rein administrativer Natur. Es wurde durch ein Nachfolgeprodukt mit gleichen Eigenschaften ersetzt.»
Christian Pesler hätte also neue Faktorzertifikate erwerben und damit vom steigenden Ölpreis profitieren können. Die Commerzbank hätte sogar die Kaufkosten übernommen. Doch er wollte nicht, denn er war mit dem Kleingedruckten des neuen Produkts nicht einverstanden. So war beispielsweise die Kündigungsfrist von 30 Tagen auf einen Tag verkürzt worden. Sein Vertrauen in die Commerzbank ist weg. Zudem hatte Pesler nach über zweijähriger Leidenszeit genug vom Spekulieren.
In Öl investieren: Das sind die Möglichkeiten
Wer als kleine Beimischung im Depot langfristig auf Öl oder Ölfirmen setzen will, hat Folgendes zur Auswahl:
Börsengehandelte Indexfonds
UBS ETF CMCI Oil hedged (ISIN CH0116015352). Jährliche laufende Kosten 0,26 Prozent.
ComStage STOXX Europe 600 Oil & Gas ETF(ISIN LU0378436447). Jährliche laufende Kosten: 0,25 Prozent, Dividendenrendite: 5,2 Prozent. Damit investiert man in europäische Ölkonzerne wie Total,
Royal Dutch Shell, BP und ENI.
Die Grafik im PDF zeigt, dass dieser Indexfonds seit 2008 besser rentiert und weniger schwankt als das Öl.
Derivate
Sogenannte Derivate wie zum Beispiel Warrants oder Faktorzertifikate sind nur für kurzfristig orientierte Spekulanten geeignet.