Als ich nach Beirut zügelte und mir einen Internetanschluss für meine Wohnung besorgen wollte, fiel ich fast in Ohnmacht. Es gibt Anbieter, die allen Ernstes 200 US-Dollar für die monatliche Nutzung berechnen – nach einer Installationsgebühr von 300 Dollar.
«Keine Sorge», sagte meine Nachbarin beim Einzug zu mir, «ich kenne da jemanden.» Dieser «Jemand» heisst George und betreibt einen Eckladen, in dem man verstaubte Ventilatoren kaufen kann. «Für 50 Dollar im Monat besorge ich dir Internet», sagte er gönnerhaft zu mir. Noch am selben Tag brachte er einen Router vorbei und verknüpfte Kabel auf dem Dach. Es ist mir egal, wessen Leitung George anzapft und welche nicht.
Wer in diesem System überleben will, braucht einen «Jemand» in fast allen infrastrukturellen Belangen. So zahle ich dem offiziellen Stromversorger 30 Dollar im Monat für Strom – und die gleiche Summe zahle ich einer Firma, damit sie mir einen Generator zu Verfügung stellt, der mein Gebäude drei Stunden am Tag versorgt. Das Land produziert einfach nicht genug Elektrizität für die gesamte Bevölkerung.
Jeden Morgen um neun steht Mohammed vor meiner Tür, um meinen Müll abzuholen. Es gibt keine Tonnen bei mir in der Nähe. Natürlich zahle ich die jährliche Gemeindesteuer von 200 Dollar, mit der die Abfallentsorgung eigentlich abgedeckt sein sollte. Doch damit der Müll auch tatsächlich entsorgt wird, stecke ich Mohammed monatlich noch mal 15 Dollar zu.
Im Sommer rufe ich häufig Rami an. Er ist mein «Jemand» für Wasser, wenn die öffentliche Wasserversorgung knapp wird oder ganz ausfällt. Als Faustregel gilt: Je höher die Temperaturen, desto weniger Wasser liefert das örtliche Wasserwerk. Stattdessen kommt Rami zwei- bis dreimal pro Woche mit seinem Tankwagen vorbei und füllt mir meinen Tank auf dem Dach. Er bezieht sein Wasser aus einem kleinen, privaten Reservoir. Kostenpunkt pro Lieferung: 20 Dollar.
Manchmal flehe ich Rami regelrecht an, mich zu besuchen. Er lässt sich oft bitten. Mein Geld braucht er nicht, die halbe Stadt ruft in den Sommermonaten nach ihm. Während ich auf ihn warte, beobachte ich Leute auf den umliegenden Dächern, die ihren Nachbarn das Wasser aus den Tanks klauen. Dazu habe ich mich noch nicht herabgelassen. Ein bisschen Würde bewahre ich mir.