Laut dem alljährlich publizierten Pensionierungsbarometer des VZ Vermögenszentrums in Zürich wird die Lücke zwischen Erwerbs- und Renteneinkommen immer grösser. Grund: Die Renten schrumpfen unter dem Strich. Die AHV-Renten sind seit 2002 zwar um 19 Prozent gestiegen. Doch die Pensionskassen senkten in dieser Zeit ihre Renten um fast 40 Prozent. Sie verzinsten die Altersguthaben tiefer und senkten im Überobligatorium die Umwandlungssätze. Deshalb erhalten Angestellte für ein bestimmtes Alterskapital zunehmend tiefere Pensionskassenrenten.
Die Renten der ersten und der zweiten Säule sollten gemäss Bund zusammen 60 Prozent des letzten Lohnes ausmachen und den Versicherten nach der Pensionierung «die Fortsetzung der gewohnten Lebenshaltung in angemessener Weise erlauben». Das ist laut VZ aber immer weniger der Fall. Wie gut lässt es sich nach der Pensionierung mit Rente und vorhandenem Vermögen leben?
K-Geld hat zwei Leute gefunden, die bereit waren, ihre finanziellen Verhältnisse vor und nach der Pensionierung offenzulegen: Thomas Knup (alle Namen geändert), Jahrgang 1954, wohnt in Luzern, ist alleinstehend und wurde per Anfang 2020 pensioniert. Albert Lutz, Jahrgang 1951, aus dem Zürcher Oberland ging im Jahr 2018 in Pension. Damals lebte er im Konkubinat mit seiner Partnerin Elvira. Inzwischen haben die beiden geheiratet und leben in einer neu gekauften Eigentumswohnung.
Thomas Knup verdiente als Angestellter einen Nettolohn von 80'600 Franken pro Jahr. Nun erhält er eine AHV-Rente von 28'692 Franken und eine Pensionskassenrente von 37'476 Franken. Die beiden Renten ergeben zusammen 66'168 Franken. Das sind 82,1 Prozent seines letzten Lohns als Angestellter. Hinzu kommt ein Vermögen von zurzeit 212 000 Franken, das auf einem Sparkonto liegt. Als Knup noch erwerbstätig war, zahlte er jedes Jahr den Maximalbetrag in die Säule 3a ein. Und er konnte pro Jahr zusätzlich rund weitere 5000 Franken auf dem Sparkonto ansparen.
Einzelhaushalt: Vermögen nimmt stetig ab
Knup kann den Lebensstandard, den er vor der Pensionierung hatte, beibehalten. Er musste den Gürtel also nicht enger schnallen. Allein mit den Renten wäre das jedoch nicht möglich: Er verbraucht laufend etwas von seinem Vermögen. Im letzten Jahr waren das 5144 Franken. Knups Vermögensverzehr war aber auch schon höher – etwa, als er beim Bezug einer komfortableren Wohnung neue Möbel kaufte oder einen Bedürftigen unterstützte. Das Sparkonto wirft einen nur geringen Ertrag ab.
Selbst 2023, als die Sparzinsen so hoch waren wie seit Jahren nicht mehr, erhielt er bloss 960 Franken Zins. Insgesamt nahmen die Jahresausgaben des bald 70-Jährigen seit der Pensionierung um rund 4400 Franken ab. Die deutlichste Reduktion zeigt sich im Bereich Versicherungen und Vorsorge. Dort ergab sich ein Minus von 5860 Franken. Das ist darauf zurückzuführen, dass mit der Pensionierung die Einzahlungen in die Säule 3a wegfielen. Die Ausgaben für Krankenversicherung und Gesundheit stiegen hingegen geringfügig an.
Knups Steuerlast verringerte sich um nur 822 Franken. «Ich habe deutlich weniger Einkommen, zahle aber fast so viel Steuern wie zur Zeit meiner Erwerbstätigkeit», ärgert sich der Luzerner. Grund: Als Pensionierter kann er weder Abzüge für Berufsauslagen und Weiterbildung noch für die Selbstvorsorge in der 3. Säule vornehmen. Die jährlichen Wohnkosten von Thomas Knup erhöhten sich um 2220 Franken, weil er in eine grössere, teurere Wohnung umzog. Er gönnte sich diese, weil er jetzt häufiger zu Hause und weniger oft unterwegs ist als früher.
Entsprechend reduzierten sich seine Kosten für Freizeit, Reisen und Konsum um 350 Franken – trotz Teuerung. Auch weil er ein SeniorenGeneralabonnement besitzt, sind seine Kosten für Reisen mit Bahn und Bus tiefer. Die Ausgaben für Essen und Getränke zu Hause hingegen stiegen um 5 Prozent. Grund: Er setzt vermehrt auf biologische und ökologische Lebensmittel.
Paarhaushalt: Rente ist höher als der letzte Lohn
Anders präsentiert sich die Situation bei Albert Lutz. Er verdiente zuletzt mit einem 80-Prozent-Pensum netto 99 995 Franken pro Jahr. Früher hatte er zum Teil in höheren Pensen gearbeitet. Von seinem Pensionskassenvermögen in der Höhe von 1'177'000 Franken bezog er 150'000 Franken als Kapital. Für die übrigen 1'027'000 Franken erhält er eine Rente von 72'636 Franken pro Jahr. Samt der AHV-Rente von 29400 Franken ergibt das jährlich 102'036 Franken. Der Rentenbetrag ist sogar etwas höher als Lutz’ letztes Salär.
Hinzu kommt der Lohn seiner noch erwerbstätigen Ehefrau Elvira in der Höhe von 71'315 Franken. Das ergibt Jahreseinnahmen von total 173'351 Franken. Auch punkto Vermögen ist das Paar gut gebettet: Vor Lutz’ Pensionierung betrug es 1,22 Millionen Franken, Ende letzten Jahres stieg es auf 2,96 Millionen Franken. Darin inbegriffen ist auch die neu gekaufte Eigentumswohnung mit einem Verkehrswert von 1,27 Millionen Franken (Hyposchuld von 500'000 Franken).
Der Vermögenszuwachs ist das Resultat einer Erbschaft, von Einnahmeüberschüssen und von guten Anlageerträgen. Letztere betrugen zum Beispiel im letzten Jahr 44'442 Franken. Mit der Pensionierung von Albert Lutz änderte sich bei den Eheleuten auf der Ausgabenseite nicht allzu viel. Laut dem bald 73-Jährigen reist das Paar heute zwar etwas häufiger als früher. Die Kosten seien aber nur wenig gestiegen, um 2000 auf 10'000 Franken pro Jahr.
Er und seine Frau hätten kein Interesse, nach Übersee zu fliegen, sagt Lutz. Sie verbrächten ihre Ferien in der Schweiz oder im europäischen Ausland.
Viel höhere Steuerrechnung wegen «Heiratsstrafe»
Auf ungefähr gleichem Niveau blieben bei Lutz die Krankheitskosten. Ausgaben für Kleider und Schuhe reduzierten sich. «Ich kaufe kaum mehr Kleider», sagt Albert Lutz. Dafür stieg das Budget für Geschenke, weil die Zahl der Enkelkinder wuchs. Gesunken sind die Wohnund die Mobilitätskosten. Das liegt aber nicht an Lutz’ Pensionierung. Vielmehr spart das Paar dank den eigenen vier Wänden viel Geld. Auch der Wechsel von einem Verbrennerauto auf ein kleineres Plug-in-Hybrid-Auto zahlte sich aus.
Die Steuern des Paares stiegen hingegen deutlich an, von 29'112 auf 51'882 Franken. Grund dafür ist in erster Linie die «Heiratsstrafe»: Das Paar wird nicht mehr separat, sondern gemeinsam besteuert und rutschte daher in eine höhere Progressionsstufe. Einnahmen und Ausgaben des Paars blieben nach Erreichen des Rentenalters bei Albert Lutz ungefähr gleich.
Mit der Pensionierung von Ehepartnerin Elvira in diesem Jahr werden sich die Einkommensverhältnisse aber ändern: Die gemeinsame AHV-Rente wird 35'076 Franken pro Jahr betragen, die beiden Pensionskassenrenten belaufen sich auf total 119'952 Franken. Insgesamt sind das Renteneinnahmen von 155'028 Franken. Das ist weniger als bisher, aber immer noch über 10'000 Franken mehr als die bisherigen Ausgaben. So wird sich das Vermögen der Eheleute wohl weiter vergrössern.
Albert Lutz sagt, er sei sich bewusst, dass er und seine Frau privilegiert sind: «Viele Pensionierte in der Schweiz erhalten nicht annähernd so hohe Renten.» Reich seien sie nicht, «aber uns geht es gut».