Ende 2023 betrug das gesparte Kapital in der 2. Säule insgesamt 1324 Milliarden Franken (K-Tipp 13/2024). Davon waren nur 1168 Milliarden für erwerbstätige Versicherte und Rentner bestimmt. Die Differenz von 156 Milliarden Franken verbuchten Pensionskassen und Versicherer als Reserven, freie Mittel und Überschüsse. Das sind 52 Milliarden mehr als Ende 2015.
Die Reserven waren im Jahr 2021 so hoch wie noch nie seit der Einführung der obligatorischen Pensionskassen im Jahr 1985. Zwei Hauptgründe: Die Kassen geben nur einen Teil der mit dem Geld der Erwerbstätigen erzielten Rendite an die Versicherten weiter. Und bei den Rückstellungen für die Rentner rechnen sie mit viel tieferen Renditen, als sie effektiv erzielen.
Hohe Reserven schmälern die Altersguthaben
Konkret: Laut Studien von Swisscanto, einer Tochtergesellschaft der Zürcher Kantonalbank, erzielten alle Kassen von 2012 bis 2021 mit dem Geld der Versicherten im Durchschnitt eine Nettorendite von 5,4 Prozent. Deren Altersguthaben verzinsten sie aber im Durchschnitt mit nur 2,4 Prozent.
Für jeden Rentner stellen die Kassen zum Zeitpunkt seiner Pensionierung einen bestimmten Betrag zurück. Diese Summe berechnen sie in der Regel unter Annahme einer zu hohen Lebenserwartung und einer sehr tiefen Rendite auf dem Altersguthaben der Rentner. Auch mit deren Geld erwirtschaften die Kassen eine Rendite von 5,4 Prozent. Sie berechnen aber die Rückstellung mit einem fiktiven Zinssatz von unter 2 Prozent.
Die Rückstellungen für Pensionierte sind darum oft zu hoch. Folge: Beim Tod eines Rentners bleibt Geld übrig, das den Reserven zufliesst.
Für die Versicherten haben die hohen Reserven in der 2. Säule Nachteile: Das Geld wird ihrem individuellen Altersguthaben vorenthalten und schmälert so ihr Alterskapital. Angestellte, welche die Stelle wechseln, können nur ihr permanent zu tief verzinstes Altersguthaben als Freizügigkeitskapital mitnehmen. Auch wer bei der Pensionierung statt der Rente das Kapital wählt, erhält aus den mit seinem Geld erwirtschafteten Reserven nichts. Darum schwimmen die Kassen immer mehr im Geld.
Verwaltungskosten stiegen in den letzten Jahren steil an
Das Geschäft mit der 2. Säule lohnt sich auch für Banken und Versicherungen: 2022 lagen die Vermögensverwaltungskosten aller Pensionskassen bei rund 6135 Millionen Franken. Dazu kommen Kosten von rund 752 Millionen Franken, die an Versicherungen bezahlt werden. Total zahlen die Zwangsversicherten laut Bund rund 6800 Millionen Franken.
Zum Vergleich: Der norwegische Staatsfonds verwaltet ähnlich viel Vermögen wie die schweizerischen Pensionskassen: Die Anlagekosten betragen aber weniger als einen Zehntel: 2022 waren es 439 Millionen Franken (K-Tipp 13/2024).
Laut Daten des Bundesamts für Statistik haben sich die Kosten für die Vermögensverwaltung aller Pensionskassen im Zehnjahresvergleich bis 2022 mehr als verdoppelt, während das Vorsorgevermögen in der gleichen Zeitspanne um nur rund 48 Prozent stieg. Die Kosten sind von Kasse zu Kasse sehr unterschiedlich, wie mehrere Vergleiche zeigen. Bei gut geführten Kassen sind sie gerade einmal halb so hoch wie beim Durchschnitt aller Pensionskassen.
Hohe Vermögensverwaltungskosten führen nicht unbedingt zu besseren Ergebnissen. Das stellte das Pensionskassenberatungsunternehmen C-alm nach einer Analyse der Kosten und Renditen fest: «Es gab Zeiten, da war es genau anders: Die teuren Kassen hatten die schlechtere Rendite», sagt Ueli Mettler von C-alm. Das Unternehmen verfasste für das Bundesamt für Sozialversicherungen mehrere Studien zum Thema Vermögensverwaltungsgebühren in der 2. Säule. Es definierte auch die Kosten, die alle Pensionskassen seit 2013 in den Jahresrechnungen ausweisen müssen. Damit stieg die Kostentransparenz.
Kassen tun zu wenig, um die Kosten zu senken
Laut einer neuen Pensionskassenstudie von Swisscanto, an der rund 480 Vorsorgeeinrichtungen mit einem Vermögen von rund 770 Milliarden Franken teilnahmen, lag die durchschnittliche Rendite der besten 10 Prozent der Kassen bei 8,2 Prozent. Die schlechtesten 10 Prozent erreichten eine Rendite von nur 2,3 Prozent. Die Vermögensverwaltungskosten aller untersuchten Kassen variierten zwischen 0,14 und 1,23 Prozent.
Wie wichtig es ist, dass Vorsorgeeinrichtungen einen guten Job bei der Geldanlage machen und mit möglichst tiefen Kosten hohe Renditen auf dem eingesetzten Kapital erwirtschaften, zeigt folgende Zahl aus der Studie: Seit 2004 haben die Märkte kumuliert 38 Prozent zum Vermögen in der beruflichen Vorsorge beigetragen. «Die Anlagerendite ist eine wichtige Beitragszahlerin», stellt Swisscanto fest.
Dennoch bemühen sich die Pensionskassen zu wenig um eine Senkung der Kosten. Das bemängelte Ende 2022 die Eidgenössische Finanzkontrolle nach ihrer ersten Evaluation der Kosten in der 2. Säule. Bei der Vermögensverwaltung fliesse «das Kostenkriterium erst sehr spät in den Entscheidungsprozess ein», hiess es da. Die Finanzkontrolle sieht bei den Stiftungsräten der Kassen Handlungsbedarf: «Als Kapitalgeber dieser Versicherung müssen Versicherte und Arbeitgeber dem Thema die Aufmerksamkeit schenken, die es angesichts der Milliarden von Franken, die jährlich für Verwaltungs- und Vermögensverwaltungskosten ausgegeben werden, verdient.»
Bisher sind alle politischen Vorstösse gescheitert, die das System der 2. Säule einer Effizienzkontrolle unterziehen wollten. Gabriela Medici vom Schweizerischen Gewerkschaftsbund führt das gegenüber K-Geld auf die starke Lobby der Finanzindustrie im Parlament zurück. Die Pensionskassen werden also weiterhin Milliarden aus den Versichertenvermögen bei Vermögensverwaltungen, Fondsanbietern, Banken und Versicherungen versickern lassen. Das Nachsehen haben die Versicherten.
Pensionskassen: Abstimmung vom 22. September betrifft alle
Bei der eidgenössischen Volksabstimmung vom 22. September steht viel auf dem Spiel: Ein Ja zur Änderung des Pensionskassengesetzes würde vielen Versicherten höhere Prämien, tiefere Renten oder beides bescheren.
Es geht bei der Abstimmung um den gesetzlich geregelten Teil der 2. Säule, das Obligatorium. Heute müssen die Kassen eine Rente mit dem Umwandlungssatz von 6,8 Prozent zahlen. Wird die Änderung angenommen, hätten künftige Rentner nur noch Anspruch auf eine Rente auf der Basis von 6 Prozent. Das sind knapp 12 Prozent weniger als heute. Diese Kürzung betrifft alle Angestellten, weil alle mindestens einen Teil ihres Alterskapitals im obligatorischen Teil der Pensionskasse versichert haben. Alle Erwerbstätigen müssten zudem mit höheren Lohnabzügen rechnen.
Für diese Verschlechterungen gibt es keinen Grund: Den Pensionskassen geht es blendend. Sie horten fast 160 Milliarden Franken, die eigentlich den Versicherten gehören.