Der Arzt Gerhard M. aus dem Zürcher Oberland hat keine Pensionskasse und muss seine Altersvorsorge selber organisieren. Er zahlt deshalb viel Geld in eine Sparversicherung der Basler Versicherung ein – jedes Jahr 20000 Franken.
Im November 2016 sah er, dass die Basler auf ihrem Prämiensperrdepot einen vergleichsweise guten Zins von 1 Prozent vergütete. Weil er für seine Police noch zehn Jahre lang einzahlen muss, überwies er Mitte November 100000 Franken auf das Depot. Im aktuellen Tiefzinsumfeld war dieses 1-Prozent-Angebot attraktiv.
Damit ist nun die Basler Versicherung berechtigt, Gerhard M.s künftige Prämien von diesem Depot abzubuchen, sobald sie fällig werden. In den «Sperrdepot-Bedingungen» steht aber auch: Solange die Prämien fällig sind, sind keine Rückzüge vom Depot möglich, und zwar «weder teilweise noch ganz».
Der Kunde ist also gefangen. Umso mehr ärgerte er sich, als ihm die Basler schon am 5. Januar 2017 mitteilte, der Zins sei rückwirkend auf Anfang 2017 auf ein halbes Prozent gesenkt worden.
Durfte die Versicherung den Zins aufgrund des geltenden Vertrags überhaupt senken? Ja, meint die Basler. In den «Sperrdepot-Bedingungen» stehe, das Geld werde «zurzeit zu 1,0% im Jahr verzinst». Mit diesem «zurzeit» seien Zinssenkungen erlaubt. Die Basler sagt aber, sie wolle künftig in den Bedingungen «noch deutlicher auf mögliche Zinsanpassungen hinweisen».
Das ist auch dringend nötig, denn juristisch ist das Vorgehen der Basler nicht haltbar. Die Rechtslage sieht so aus: Der Kunde hat einen Vertrag zu 1 Prozent abgeschlossen. Dies wurde somit zur Vertragsgrundlage. Eine Halbierung des Zinses ist eine Vertragsänderung. Sie wird nur gültig, wenn beide Parteien zustimmen.
Zinsanpassung: Das können die Kunden unternehmen
Das korrekte Vorgehen ist deshalb so: Die Basler muss dem Kunden frühzeitig mitteilen, dass sie den Zins senken wird.
Damit ist der Kunde informiert – und nun hat er drei Möglichkeiten:
Falls der Kunde nicht innert rund 30 Tagen auf die Mitteilung reagiert, darf die Basler davon ausgehen, dass er die Vertragsänderung akzeptiert hat, und der neue Zins kann in Kraft treten. Dieses Vorgehen ist innerhalb von bestehenden Vertrags- bzw. Kundenbeziehungen möglich.
Ist der Kunde hingegen nicht einverstanden, muss die Versicherung den bisherigen Zins weiterzahlen oder ihm ein Kündigungsrecht einräumen.
Das bestätigt Rechtsprofessorin Susan Emmenegger vom Institut für Bankrecht der Universität Bern. «Grundsätzlich müssen einer Vertragsänderung immer beide Parteien zustimmen. Einseitige Änderungsvorbehalte in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind nur gültig, wenn die Kriterien für die Anpassung und der Umfang der Anpassung vertraglich vereinbart werden. Ist dies nicht der Fall, sind einseitige Änderungsklauseln nur gültig, wenn dem Kunden im Falle einer Änderung ein Kündigungsrecht eingeräumt wird.»
Die dritte Möglichkeit: Der Kunde kann auch darauf bestehen, dass der bisherige Zins bzw. Vertrag weiterhin gelten soll. Dann riskiert er allerdings, dass ihm die Versicherung den Vertrag kündigt.
Auch andere Lebensversicherer haben Prämiendepots im Angebot (siehe Unten). Und sie alle haben – wie die Basler Versicherung – mögliche Zinssenkungen nicht sauber in den Vertragsunterlagen geregelt. Bei der Axa Winterthur zum Beispiel heisst es nur: «Der Zinsfuss orientiert sich an den Marktverhältnissen.» Eine derart schludrige Regelung ist keine gültige Vertragsgrundlage.
Zinssatz zum Zeitpunkt der Depoteröffnung ist Teil des Vertrags
Das Gleiche gilt für die Versicherer, die lapidar festhalten: «Der Zinssatz kann jederzeit angepasst werden.» Und es gilt auch für die Allianz, die festlegt, der Zins «könne jederzeit ohne Mitteilung einseitig neu festgelegt werden». Generali und Helvetia geschäften gar ohne allgemeine Vertragsbedingungen.
In all diesen Fällen gilt: Der Zins, der aktuell bei der Depoteröffnung bezahlt wird, wird zum Vertragsbestandteil. Und für eine Änderung gelten die oben dargelegten drei Punkte.
Prämiendepot: Nur für Lebensversicherungen
Prämiendepots gibt es nur für Lebensversicherungen. Die Mehrheit der Versicherer führt sie in zwei Formen. Entweder als normales «widerrufliches» Depot, bei dem der Kunde sein Geld auch wieder ganz oder teilweise abziehen kann. Oder als «unwiderrufliches» Sperrdepot, ab dem während der Vertragslaufzeit keine Rückzahlungen möglich sind.
In der Regel fallen keine Spesen oder Gebühren an. Die Zinsen sind gegenüber dem letzten Jahr teils stark gesunken.
Wer ein Prämiendepot einrichtet, ermächtigt damit die Versicherung, davon die jeweils fälligen Prämien bei Fälligkeit abzubuchen.