Finanz- und Versicherungsberater erhalten von Vertreibern von Finanzprodukten Vermittlungsgebühren, wenn sie Kunden für deren Produkte finden. Dieses Provisionsmodell ist in der Schweiz und in vielen anderen Ländern verbreitet. Das ist problematisch, denn so haben die Berater einen Anreiz, vor allem Finanzprodukte zu empfehlen, die ihnen hohe Provisionen einbringen. Die Anleger bezahlen zwar nichts für die Finanzberatung, indirekt aber umso mehr über überhöhte Produktepreise. Denn aus diesen werden die Provisionen, auch Retrozessionen genannt, finanziert.
Dänemark, Finnland, Grossbritannien, Norwegen, Australien und Neuseeland haben Provisionen verboten, um Interessenkonflikte der Finanzberater zu beseitigen. Das geschah zwischen 2005 und 2019. Forscher der Universität Regensburg (D) haben nun untersucht, wie sich solche Provisionsverbote auswirken. Für die Studie griff ein Team des an der Uni beheimateten Center for Finance auf Daten der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) zurück. Die Forscher verglichen, wie sich die Vermögensbildung von privaten Haushalten in den 38 OECD-Ländern inklusive Schweiz mit und ohne Provisionsverbot entwickelte.
Das Resultat: Der um länder- und zeitspezifische Effekte bereinigte Renditeunterschied beträgt jährlich 1,7 Prozent. Anders gesagt: Das Vermögen der Haushalte in Ländern mit einem Provisionsverbot wuchs durchschnittlich um rund 1,7 Prozent mehr pro Jahr als die Vermögen in Staaten mit Provisionsmodell. Laut den Studienautoren «sprechen die Ergebnisse für die Einführung von Provisionsverboten».
Für Florian Schubiger von der Vermögenspartner AG in Zürich bestätigt die Studie, dass es für Anlagekunden auf lange Sicht klar günstiger kommt, wenn sie für eine Finanzberatung bezahlen. Denn bei Provisionsberatungen würden Privatanlegern oft überteuerte und unnötige Finanzprodukte mit langer Laufzeit angedreht. Die Vermögenspartner AG setze ausschliesslich auf Honorarberatung und erstatte den Kunden allfällige Vergütungen zurück. Den von den Forschern errechneten Renditeunterschied von jährlich 1,7 Prozent findet Schubiger aber «recht hoch». In der Schweiz dürfte die Differenz nach seiner Einschätzung bei rund 1 Prozent liegen.
Die Schweizerische Bankiervereinigung hält nicht viel von der Vergleichsstudie aus Deutschland. «Ein Provisionsverbot würde in der Schweiz somit vor allem die Wahlmöglichkeiten der Bankkunden einschränken und ist deshalb abzulehnen», so die Branchenvereinigung der Banken.
Der Schweizerische Versicherungsverband kritisiert an der Studie, dass der Risikoappetit der verschiedenen Länder nicht berücksichtigt worden sei. In Ländern wie Dänemark, Norwegen oder Australien würden erwerbstätige Personen zum Teil über sehr hohe Einkommen verfügen. Entsprechend sei die Risikobereitschaft in diesen Ländern höher, und folglich seien es auch die erzielten Renditen. In der Schweiz habe sich das Provisionsmodell bewährt. Der Verband sieht «keinen Handlungsbedarf».
«Keine Beratung ist besser als Interessenkonflikte»
Die Regensburger Forscher gehen in ihrer Studie auch auf das Argument ein, dass eine Beratungslücke drohe, wenn für Beratungen bezahlt werden müsse. Falls eine solche Lücke tatsächlich entstünde, sei das nicht notwendigerweise schlecht, meinen sie. Denn: «Gar keine Beratung kann besser sein als eine Beratung, die mit Interessenkonflikten behaftet ist.» Heutzutage könnten Anleger im Internet auch selbst börsengehandelte Indexfonds (ETF) erwerben. Das bringe mehr Rendite als die teuren aktiven Fonds, die von Finanzberatern in der Regel empfohlen würden.
In der Schweiz gibt es nur wenige Finanzberatungsunternehmen, die auf Provisionen sowie andere geldwerte Vorteile von Dritten verzichten und ausschliesslich auf ein Honorarmodell setzen. Dazu zählen zum Beispiel die erwähnte Vermögenspartner AG oder die Glauser + Partner Vorsorge AG in Bern und Brig. Für Versicherungs- und Vorsorgeberatungen können sich Interessierte an die Fairsicherung AG in Bern wenden.