Bei der Pensionierung müssen alle Pensionskassenversicherten eine weitreichende und unumstössliche Entscheidung treffen: Soll ich von der Pensionskasse die monatliche Rente nehmen? Oder will ich mir das ganze Alterskapital auszahlen lassen? Oder wähle ich die Kombination, also einen Teil als Rente und den Rest bar?
Finanzberater weisen gerne auf den Steuervorteil des Barbezugs hin. Sie tun dies teilweise aus Eigennutz. Denn sie hoffen, das bar bezogene Geld verwalten zu können. So sichert sich die Finanzbranche ständig fliessende Gebühren.
Doch wie sieht der Steuervorteil des Barbezugs genau aus? Diese Faktoren sind für die Berechnung massgebend:
Die Höhe des Alterskapitals in der Pensionskasse bestimmt die Steuer, die bei der Auszahlung des Kapitals einmalig geschuldet ist. Sie ist in jeder Gemeinde anders. Beispiel: In der Stadt Bern zahlt ein alleinstehender Konfessionsloser bei einem Bezug von 500 000 Franken eine Kapitalauszahlungssteuer von 42 485 Franken, in der Stadt Zürich kostet ihn das 56 337 Franken.
Nach der Auszahlung unterliegt der Betrag der kantonalen Vermögenssteuer. Sie ist aber relativ gering. Beispiel: Die jährliche Vermögensteuer für 500000 Franken beträgt in der Stadt Bern 1645, in Zürich 672 Franken.
Wer das bezogene Kapital auf einem Sparkonto deponiert, erhält zurzeit einen geringen Zins. Er muss als Einkommen versteuert werden. Wer mit dem Barbezug an die Börse geht, kann eine höhere Rendite erzielen – oder Geld verlieren. Auf allfällige Dividenden ist Einkommenssteuer geschuldet. Kapitalgewinne sind hingegen steuerfrei.
Beim Berechnen der Steuerbelastung für die Rente muss als Erstes die Höhe der Pensionskassenrente bekannt sein. Der ungefähre Betrag geht aus dem Pensionskassenausweis hervor, den alle Versicherten jeweils Anfang Jahr erhalten. Die Rente muss man zu 100 Prozent als Einkommen versteuern, zusammen mit der AHV-Rente und dem übrigen Einkommen im Alter – etwa dem Eigenmietwert auf das Eigenheim. Die Einkommenssteuer ist von Ort zu Ort unterschiedlich hoch. Es kommt also entscheidend auf den Wohnort an.
Durchschnittlich gesunde Rentner leben noch rund 20 Jahre
Die grosse Unbekannte bei der Entscheidung Kapital oder Rente ist die restliche Lebenserwartung. Denn für den Steuervergleich muss eine Annahme für die Rentendauer getroffen werden. Faustregel: Durchschnittlich gesunde Rentner können mit rund 20 Jahren rechnen. Stirbt ein Lediger früher, geht der Rest des ausbezahlten Kapitals an seine Erben. Hat er sich für eine Rente entschieden, bleibt sein Geld in der Pensionskasse.
Fazit: Die Berechnung des Steuervorteils hängt im Wesentlichen von den örtlichen Steuern und dem Gesamteinkommen ab. Das sind die bekannten Faktoren. Offen bleibt, wie viel Ertrag die Börsenanlagen im Falle des Kapitalbezugs bringen und wie lange man lebt. Dazu sind Annahmen zu treffen, wenn man das Für und Wider eines Kapitalbezuges abwägen will.
Klar ist deshalb: Beim Entscheid «Rente oder Kapital» ist es angesichts dieser zwei wichtigen offenen Faktoren heikel, allein auf eine Steuerberechnung abzustellen.
Die Credit Suisse hat in einer neuen Studie aufgezeigt, wie hoch das Einkommen nach Steuern bei Renten- bzw. Kapitalbezug ausfällt, wenn man die entscheidenden Faktoren verändert (siehe unten). Grundsätzlich lässt sich zum Steuervorteil sagen:
Je tiefer das verfügbare Altersguthaben der Pensionskasse ist, desto kleiner sind die steuerlichen Unterschiede zwischen Renten- und Kapitalbezug.
Je tiefer der Umwandlungssatz der Pensionskasse ist, desto eher lohnt sich der Kapitalbezug.
Je höher die erzielte Rendite auf dem bezogenen Betrag ist, desto eher lohnt sich der Kapitalbezug. Man sollte aber die erwartete Rendite nicht zu optimistisch ansetzen. Höhere Rendite sind nur möglich, wenn man auch höhere Risiken eingeht.
In Orten mit eher tieferen Einkommenssteuern ist der Rentenbezug eher attraktiv, in Steuerhöllen hingegen bringt der Kapitalbezug einen Steuervorteil.
Tipps: Lassen Sie sich nicht von Beratern ködern, die hohe Renditen versprechen
Je höher Sie Ihre Lebenserwartung einschätzen, desto eher lohnt sich die Rente. Bei tieferer Lebenserwartung ist eher ein Kapitalbezug angesagt.
Die Rente kommt garantiert lebenslang. Beim Kapitalbezug bleiben Sie flexibel, müssen sich jedoch um die Verwaltung des Geldes kümmern. Das bietet Chancen auf höhere Renditen, aber auch entsprechende Risiken. Auch drohen Fehlentscheide: Lassen Sie sich nicht von Produkten oder Beratern ködern, die hohe Renditen in Aussicht stellen oder gar garantieren.
Mit dem Kapitalbezug können Eigenheimbesitzer die Hypothek abzahlen oder den Kindern einen Erbvorbezug gewähren.
Mit einem Kapitalbezug können Rentner oft noch etwas für die Erben zur Seite legen. Bleibt das Geld in der Pensionskasse, gehen Erben leer aus.
Nach dem Tod eines Rentenbezügers erhält die Witwe ungefähr 60 Prozent der Altersrente. Nach einem Kapitalbezug hat sie nach einem frühen Tod des Rentenbezügers mehr Geld zur Verfügung, aber Sie muss das Geld selber verwalten.
Ist die Ehefrau beziehungsweise der Ehemann erheblich jünger, sollte man eher die Rente wählen.
Sie sollten eher die Rente wählen, wenn Sie keine grösseren Vermögenswerte haben.
Rente oder Kapital: Wie hoch ist das Einkommen im Alter?
Die Credit Suisse hat berechnet, wie viel Nettoeinkommen ein alleinstehender Rentner bei einer bestimmten angenommenen Rentendauer hat, wenn er entweder die Rente oder das Kapital nimmt. Dies unter der Annahme, dass der Mann nebst der Pensionskasse nur noch die AHV-Maximalrente von jährlich 28 200 Franken als weiteres Einkommen hat.
Beispiel: Ein Rentner in der Stadt Zürich hat ein Pensionskassenguthaben von 1 Million Franken mit einen Umwandlungssatz von 5 Prozent. Er erzielt auf dem bezogenen Kapital eine Nettorendite von 1,5 Prozent (nach Abzug der Kosten). Bei einer Rentendauer von 20 Jahren hat er bei vollem Kapitalbezug 20 Jahre lang 5942 Franken mehr jährliches Nettoeinkommen als mit dem Rentenbezug. Bei einer Rentendauer von 25 Jahren hingegen hat er mit der Rente jedes Jahr 2331 Franken mehr zur Verfügung als mit dem vollen Kapitalbezug.
Weitere Beispiele finden Sie in der Credit-Suisse-Studie «Berufliche Vorsorge: Rente oder Kapital» vom August 2018. Im Internet unter Credit-suisse.com ] Suchmaske: Studie Altersguthaben.