Bereits 2006 hatte das Bundesgericht geurteilt: Vermögensverwalter müssen die Vergütungen, die sie von «Herstellern» von Finanzprodukten erhalten (Retrozessionen), ihren Kunden weitergeben. Insgesamt, so schätzt man, geht es in der Schweiz um 2,5 Milliarden Franken, das sind auf zehn Jahre gerechnet 25 Milliarden Franken.
Die Banken betonten damals, der höchstinstanzliche Gerichtsentscheid gehe sie nichts an, schliesslich beziehe sich das Urteil nur auf unabhängige Vermögensverwalter. Das hat die Banken aber nicht daran gehindert, hinter den Kulissen sehr wohl zu reagieren: Sie passten ihre Vertragsklauseln ab etwa 2007 so an, dass die meisten Kunden im Kleingedruckten ein Ja zu einem Verzicht auf Retrozessionen unterschrieben. Das ist allerdings nur rechtswirksam, wenn den Kunden diese Änderung mitgeteilt und von ihnen akzeptiert wurde – etwa durch Stillschweigen.
Viele Banken informieren Kunden falsch über erhaltene Vergütungen
2012 das gleiche Spiel: Das Bundesgericht hatte in seinem neuen Urteil bestimmt, die Banken müssten die – im Rahmen einer Vermögensverwaltung einbehaltenen – Retrozessionen an die Kunden weitergeben, auch rückwirkend. Die Banken betonten postwendend, das Urteil beziehe sich nicht auf die Anlageberatung. Viele behaupten auch, allfällige Ansprüche würden nach fünf Jahren verjähren. Dennoch haben die Banken nach dem Bundesgerichtsurteil 2012 in den Jahresabschlüssen viel Geld für Rückzahlungen an ihre Kunden zurückgelegt.
Zurzeit verhandeln die Banken mit betroffenen Kunden auf individueller Basis. Aus Rückmeldungen der Leser an K-Geld geht hervor, dass die Geldinstitute ihre Kunden häufig falsch informieren, statt ehrlich über die erhaltenen Vergütungen aufzuklären. Oder sie versuchen, die Kunden herunterzuhandeln.
Das sind die häufigsten Ausreden der Banken und die Gegenargumente:
«Sie haben rechtsgültig auf die Retrozessionen verzichtet»
Es ist Sache der Banken nachzuweisen, dass der Kunde wirklich davon erfahren hat und die neuen Klauseln akzeptiert. Reine Orientierungsschreiben und versteckte Hinweise in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder Verträgen reichen nicht aus. Ein solcher Verzicht gilt erst ab dem Zeitpunkt des Einverständnisses – nicht rückwirkend. Ein Verzicht ist überdies nur gültig, wenn die Höhe der kassierten Retrozessionen in etwa bekannt gegeben wurde, zum Beispiel eine Bandbreite in Prozenten der einzelnen Anlagen.
«Nach fünf Jahren verjährt Ihr Anspruch auf Retrozessionen»
Abgesehen von Juristen, die im Sold der Banken stehen, sind sich alle Fachleute inzwischen einig: Der Anspruch der Kunden auf Retrozessionen verjährt nach zehn und nicht nach fünf Jahren. Nicht einmal die UBS hat im bis vors Bundesgericht durchgezogenen Prozess behauptet, die Verjährungsfrist habe fünf Jahre betragen. Die 10-jährige Frist beginnt mit Beendigung des Vermögensverwaltungsmandats. Nach einer Betreibung oder Klage gegen eine Bank läuft diese Frist von neuem. Jeder Kunde kann also vermeiden, dass seine Ansprüche verjähren.
«Die Höhe der Retrozessionen erreichte nie mehr als 0,2 Prozent des Vermögens, deshalb besteht kein Anspruch.»
Es gibt keinen Schwellenwert zur Rückerstattung. Auch 0,2 Prozent können bei grossen Vermögen über die Jahre viel Geld bedeuten.
«Den Retrozessionsguthaben steht der Aufwand der Bank für die Vermögensverwaltung gegenüber. Deshalb fällt Ihr Anspruch weg.»
Das Bundesgericht hat klar gesagt: Die Retrozessionen haben nichts mit dem Aufwand der Banken zu tun. Es sind Rückzahlungen für die vom Kunden bezahlten zu hohen Courtagen. Die Banken kassieren im Zusammenhang mit diesen Verträgen bereits eine Vielzahl von Gebühren wie Verwaltungs- und Depotkosten, mit denen sie für ihren Aufwand bezahlt werden. Das Einheimsen der Retrozessionen durch die Banken würde auf eine «doppelte Bezahlung» hinauslaufen. Retrozessionen sind kein Teil des Auftragshonorars.
«Bitte haben Sie Geduld. Die Ermittlung Ihres Anspruchs benötigt sehr viel Zeit.»
Das ist möglich. Mehr als zwei Monate sollte man den Banken aber nicht einräumen, um Rechenschaft über die kassierten Vergütungen zu leisten. Verlangen Sie in diesem Fall unbedingt eine schriftliche Erklärung der Bank, dass sie die Verjährung nicht geltend macht. Sonst ist der Grund für die Verzögerungtaktik klar.
«Aus verschiedenen Gründen haben Sie keinen erkennbaren Anspruch. Aus Kulanz zahlen wir Ihnen einen Bruchteil aus.»
Darauf sollte man nicht eingehen. Die Bank soll genau begründen, weshalb Sie keinen Anspruch haben sollen. Und wenn ein Anspruch auf Retrozessionen besteht, muss die Bank eine genaue Aufstellung der kassierten Vergütungen vorlegen.
K-Geld sind Fälle bekannt, in denen nach Verhandlungen aus 1000 Franken 5000 Franken wurden, aus 600 Franken 4500 Franken.
«Es handelt sich bei Ihnen um reine Anlageberatung, nicht um eine Vermögensverwaltung. Deshalb haben Sie nichts zugut.»
Das Bundesgericht hat zwar explizit einen Vermögensverwaltungsvertrag beurteilt. Doch in der Natur der Sache sind sich beide Vertragsverhältnisse so ähnlich, dass es bezüglich Retrozessionen keine Rolle spielt. Das Urteil gilt für alle Verträge, in denen sich der Beauftragte verpflichtet hat, die Interessen des Kunden zu wahren.
Auch Berater handeln im Auftrag des Kunden: Sie nehmen Einfluss auf die gewählten Anlagen, und sie haben dafür einiges an Gebühren eingenommen. Der Interessenskonflikt der Berater ist derselbe wie bei der Vermögensverwaltung: Empfehle ich etwas, weil es den Kunden nützt, oder optimiere ich meine eigene Vergütung? Bei beiden Verträgen geht es darum, dass das Kundenvermögen optimal angelegt werden soll. Der Kunde wird individuell informiert und beraten, die einzelnen Schritte werden kommuniziert. Und die Vorgaben und Bedürfnisse der Kunden sollen sich im Depot spiegeln. Unbestritten ist deshalb: Die Banken müssen auch Anlageberatungskunden aufzeigen, wie hoch die geflossenen Retrozessionen waren.
«Es liegt kein schriftlicher Anlageberatungsvertrag vor.»
Selbst wenn die Banken Anlageberatungskunden den grundsätzlichen Anspruch auf Rückvergütungen einräumen, werden sie sich auf die fehlende Beweisbarkeit der Anlageberatung berufen. Tatsächlich findet Anlageberatung meist persönlich oder am Telefon statt. Das heisst aber nicht, dass sie nicht stattfand. Wichtig sind deshalb Beratungsprotokolle oder wenigstens indirekte Nachweise einer solchen Beziehung. Beweispflichtig für das Bestehen eines Beratungsvertrages sind die Kunden. Es lohnt sich deshalb, Anlageberatungen schriftlich festzuhalten.
«Für die Berechnung Ihres Anspruchs entstehen uns Kosten, die wir Ihnen in Rechnung stellen müssen.»
Diese Kosten dürfen die Banken den Kunden nicht belasten. Die Informations- und Rechenschaftspflicht ist Teil des Auftrags und kein besonderer Aufwand.
Rückstellungen von Banken: Beispiele
- 12,6 Millionen stellte die Bank Coop für Kundenansprüche zurück.
- 12,5 Millionen: Basler Kantonalbank
- 8,4 Millionen: Thurgauer Kantonalbank
- 6,6 Millionen: St. Galler Kantonalbank
- 6 Millionen: Graubündner Kantonalbank
- 5,1 Millionen: Valiant Bank
- 4,2 Millionen: Migros-Bank
- 4,1 Millionen: Zuger Kantonalbank
- 2 Millionen: Basellandschaftliche Kantonalbank
- Die Zürcher Kantonalbank hat keine Rückstellungen vorgenommen; die Bank Valiant spricht von «Eventualverpflichtungen» in Höhe von 6,3 Millionen Franken. n UBS und CS geben keine Zahlen heraus. Schätzungen gehen für beide zusammen von mehreren 100 Millionen Franken aus.