Im Juni 2015 brachte die Bank Vontobel einen sogenannten Barrier Reverse Convertible (BRC) auf den Markt mit einem Zinscoupon von 5 Prozent – für knapp drei Monate Laufzeit. Auf das Jahr hochgerechnet wären es 20,22 Prozent gewesen. Das wäre angesichts des gegenwärtig rekordtiefen Zinsniveaus ein sehr hoher Ertrag gewesen. Doch daraus wurde nichts.
Zum Verständnis eines BRC zunächst das: Der Anleger kauft keine Aktien, sondern ein Anlageprodukt, das mit einer bestimmten Aktie verknüpft ist – dem sogenannten Basiswert. Das kann irgendeine Aktie sein, zum Beispiel Nestlé, Novartis oder Swatch. Ist der BRC an die Aktien mehrerer Gesellschaften gekoppelt, spricht man von Multi Barrier Reverse Convertible.
Der Barrierewert des Produktes ist entscheidend
Der BRC hat eine Laufzeit – oft ein Jahr. Es können aber auch mehrere Jahre sein oder auch nur einige Monate. Und es gibt eine sogenannte Barriere – ein hypothetischer Kurs der zugrunde liegenden Aktie. Der Barrierewert liegt meistens bei etwa 50, 60 oder 70 Prozent des Aktienkurses zu Beginn der Laufzeit. Die Barriere macht den Kitzel dieser Geldanlage aus. Fällt der Kurs während der Laufzeit unter den Barrierewert, ist das Spiel zwar nicht gerade verloren, der erhoffte Maximalgewinn bleibt aber aus.
Die BRC-Wette kennt drei Szenarien:
Der Kurs des Basiswerts bewegt sich während der ganzen Laufzeit über der Barriere. Der Anleger bekommt am Ende der Laufzeit seine Anlagesumme zurückerstattet und zusätzlich den Zinscoupon.
Der Kurs des Basiswerts berührt die Barriere oder fällt darunter, liegt am Ende der Laufzeit aber wieder über dem Anfangspreis der Aktie zu Beginn der Laufzeit. Wie im Fall eins erhält der Anleger seine Anlagesumme plus Coupon ausbezahlt.
Der Kurs des Basiswerts berührt die Barriere oder fällt darunter und erholt sich bis zum Ende der Laufzeit nicht, bleibt also unter dem Ausgabepreis. Der Investor erhält anstelle seines Einsatzes Aktien des Basiswerts, zusätzlich eine Barabgeltung plus den Coupon. Das kann mit einem Verlust verbunden sein.
Es sind nicht nur Börsencrashs, die Aktienkurse purzeln lassen. Im Dezember 2014 zum Beispiel liess der Übernahmestreit um den Bauchemikalienkonzern Sika die Sika-Aktie an einem Tag um 20 Prozent einbrechen. Und am 26. August 2015 stürzten die Titel des Agrochemiekonzerns Syngenta um 18 Prozent ab, als Konkurrent Monsanto seine Übernahmepläne aufgab.
Solche Ereignisse erwischen BRC-Anleger auf dem falschen Fuss – etwa jene, die im Februar 2015 einen BRC auf Syngenta von Notenstein gezeichnet hatten, mit einem Jahrescoupon von 10 Prozent und einer Laufzeit von einem halben Jahr. Eine Woche vor dem Verfalldatum, eben an jenem 26. August, tauchte der Syngenta-Kurs auf Fr. 305.30 und unterschritt damit den Barrierewert dieses BRC von Fr. 307.13.
Syngenta-Aktien: Grosse Sprünge, fatale Wirkung
Da sich der Kurs bis zum Ende der Laufzeit nicht mehr auf das Niveau des Ausgabepreises zu erholen vermochte, wurde den Investoren ihre Anlagesumme nicht zurückerstattet. Stattdessen erhielten sie pro 1000 Franken Anlagegeld zwei Syngenta-Aktien zum damaligen Kurswert von je Fr. 326.90, eine Barzahlung von Fr. 314.80 sowie den garantierten Coupon von 50 Franken. Total sind das Fr. 1018.60. In diesem Fall resultierte damit zwar kein Verlust. Statt der erhofften Jahresrendite von 10 Prozent ergab sich aber nur eine solche von 3,72 Prozent.
Wesentlich schlechter sieht es im Fall des zu Beginn erwähnten BRC mit Basiswert Syngenta von Vontobel aus. Von-tobel emittierte diesen BRC mit einer Laufzeit von knapp drei Monaten Mitte Juni – zu einem Zeitpunkt also, als Monsanto in seinem Übernahmekampf pro Syngenta-Aktie 449 Franken bot. Vontobel legte die Barriere bei Fr. 341.60 fest, also weit unter dem Monsanto-Angebot. Der extrem hohe Coupon von 5 Prozent für die knapp drei Monate beziehungsweise 20,22 Prozent auf das Jahr gerechnet hätte die Anleger allerdings stutzig machen müssen.
Banken werben aggressiv für riskante Anlageprodukte
Am 26. August kam, wie erwähnt, der Abschied von Monsanto aus den Übernahmeplänen. Der Kurs der Syngenta-Aktie sackte auf Fr. 305.30 ab und damit weit unter die Barriere. Die Anleger mussten die Syngenta-Aktien übernehmen. Statt der stattlichen Rendite von über 5 Prozent blieb unter dem Strich ein Buchverlust von gut 12 Prozent für die drei Monate.
Marc Chesney, Finanzprofessor an der Universität Zürich, ist ein scharfer Kritiker der BRCs. Gegenüber der Zeitschrift «Schweizer Monat» sagte er: «Das sind komplexe Produkte, die hohe Renditen versprechen, im Schnitt jedoch toxisch sind.» Da würden Banken Gewinne auf Kosten der Kunden machen.
Wer sich auf BRCs einlässt, muss sich bewusst sein, dass hohe Verluste möglich sind. Der Coupon begrenzt das Risiko insofern, als er in jedem Fall, auch bei einem Totalabsturz der Aktie, ausbezahlt wird. Steigt umgekehrt der Kurs einer Aktie während der Laufzeit eines BRCs, bringt das dem Anleger nichts. Er bekommt in diesem Fall nur seine Anlagesumme plus Coupon zurück. Auch von Dividenden, die auf Aktien ausgeschüttet werden, sieht der BRC-Anleger nichts.
Die Banken vermarkten die BRCs aggressiv – oft in ganzseitigen Anzeigen. Seit Juli 2012 wurden im Segment der strukturierten Produkte der Schweizer Börse 6163 BRCs gezählt, mit SMI-Titeln als Basiswert – also mit Aktien der bedeutendsten Schweizer Unternehmen. Von den 2203 Single-BRCs, also solchen mit nur einer Aktie als Basiswert, unterschritten oder berührten 316 die Barriere. Den Anlegern wurden in diesen Fällen statt der Anlagesumme die Aktien ausgehändigt.
Anlageprodukt: Die vier Grundregeln beim Kauf eines Barrier Reverse Convertible
- Banken forcieren die Barrier Reverse Convertibles (BRC) aus eigenem Interesse. Kaufen soll nur, wer die Methodik dieser -Produkte versteht.
- BRCs sind wegen der hohen Zinscoupons attraktiv. Auch hier gilt: je höher der Coupon, desto höher das Risiko.
- BRCs, die auf mehreren Aktien basieren, vermindern das Risiko nicht. Im Gegenteil: Je mehr -Basiswerte ein BRC hat, desto grösser ist die Wahrscheinlichkeit, dass eine der Aktien unter die Barriere fällt.
- Investieren Sie nur in BRCs, deren Basiswerte (Aktien) Sie gegebenenfalls im eigenen Wertschriftendepot haben möchten.