Anfang der 1990er-Jahre ging der Arbeitgeber von Andreas Huber (Name geändert) in Konkurs. Der damals 30-jährige Luzerner stand von einem Tag auf den anderen auf der Strasse. Der geschuldete Lohn blieb aus. In dieser Situation dachte Huber nicht an seine Pensionskasse und vergass sein Vorsorgeguthaben. Zum Vorschein kam das Geld erst wieder im Mai 2019: Die Auffangeinrichtung BVG suchte in seinem Auftrag nach verschollenen Geldern und stiess dabei auf ein Freizügigkeitskonto bei der Swiss Life. Den Betrag in der Höhe von Fr. 56706.80 liess Huber zur Pensionskasse Profond überweisen. Diese teilte das Geld seinem überobligatorischen Altersguthaben zu.
Überobligatorischer Teil: Pensionskassen legen Zins selber fest
Das Problem: Die gesetzlichen Vorschriften gelten für solche Guthaben nicht. Das heisst: Die Pensionskassen sind frei, wie sie das überobligatorisch Gesparte verzinsen. Sie können auch den Rentenumwandlungssatz nach Gutdünken festlegen. Anders beim Obligatorium: Hier legt der Bundesrat jedes Jahr einen Prozentsatz vor, mit dem das Altersguthaben mindestens zu verzinsen ist. Zurzeit ist das 1 Prozent. Und im Obligatorium gilt ein gesetzlicher Rentenumwandlungssatz von 6,8 Prozent. Im Überobligatorium ist der Umwandlungssatz bei den meisten Pensionskassen tiefer (K-Geld 6/2020). Oft verwenden die Kassen einen sogenannten umhüllenden Satz, der für beide Teile Anwendung findet und unter den vorgeschriebenen 6,8 Prozent fürs Obligatorium liegt. Im obligatorischen Teil landen Prämien von Angestellten und Arbeitgebern für einen Jahreslohn zwischen 25095 und 86040 Franken.
Freizügigkeitsgeld landete im falschen Topf
Ein Hinweis von K-Geld machte Andreas Huber darauf aufmerksam, dass die Pensionskasse Profond das aufgestöberte Freizügigkeitsgeld möglicherweise im falschen Topf verbucht hatte. Eine Nachfrage bei Profond bestätigte das. Denn die Swiss Life hatte dies auf der Austrittsabrechnung falsch ausgewiesen. Die Versicherung räumte einen Fehler ein. Ihre Abklärungen zeigten: Im Jahr 1994 war für Huber eine Freizügigkeitspolice bei der damaligen Coop Lebensversicherungs-Genossenschaft abgeschlossen worden. Diese Police ging später an die Nationale Suisse und 2011 an Swiss Life. Sie registrierte einen Anteil im Obligatorium von Fr. 0.00. Aus den Abschlussunterlagen von 1994 geht jedoch hervor, dass 63,6 Prozent der damaligen Einmaleinlage ins Obligatorium gehört hätten. Diese Information hat Swiss Life inzwischen an Profond weitergeleitet. Diese korrigierte die Angabe und stellte Huber einen aktualisierten Pensionskassenausweis aus.
Eigentlich müssen alle Pensionskassen die Informationen zur Höhe des obligatorischen und des überobligatorischen Altersguthabens bei einem Wechsel weitergeben. Laut Expertin Beatrix Schönholzer Diot vom Bundesamt für Sozialversicherungen kam es in der Vergangenheit aber immer wieder vor, dass die Angaben bei einem Wechsel vergessen gingen und später nicht mehr auffindbar waren. Bis vor wenigen Jahren wurde das nicht als Problem erkannt, weil es zwischen den Leistungen fürs Obligatorium und jenen fürs Überobligatorium kaum Unterschiede gab. Heute sind Zins und Rente im freiwilligen Bereich wie erwähnt oft viel tiefer. Deshalb präzisierte der Bundesrat per Anfang 2017 die entsprechende Regelung. Jetzt ist ausdrücklich festgehalten, dass Vorsorge- und Freizügigkeitseinrichtungen bei jedem Wechsel die nötigen Informationen zum Altersguthaben mitliefern müssen. Fehlt die Angabe, ist die neue Einrichtung verpflichtet, bei der früheren Kasse danach zu verlangen.
Seit Anfang 2017 gelten auch verbindliche Regeln zum Schutz des Obligatoriums bei einer Scheidung. Zuvor konnten Pensionskassen beim Vorsorgeausgleich nach einer Scheidung den entgegengenommenen Anteil des Ehepartners vollständig dem Überobligatorium zuteilen. Bei Wiedereinkäufen zur Deckung der Scheidungslücken war ebenfalls die vollständige Zuteilung ins Überobligatorium möglich – mit negativen Folgen für Verzinsung und Rentenumwandlungssatz. Die neuen Vorschriften halten fest, dass bei Entnahme, Gutschrift und Wiedereinkauf stets das Verhältnis zwischen Obligatorium und Überobligatorium gewahrt bleiben muss. Das gilt auch für Vorbezüge und Wiedereinzahlungen im Rahmen der Wohneigentumsförderung.
Pensionskasse: Verteilung des Altersguthabens regelmässig prüfen
Wer in eine Pensionskasse einzahlt, muss jedes Jahr eine Abrechnung über den Stand seines Altersguthabens und eine Aufstellung der Kosten und Leistungen der Pensionskasse erhalten (K-Geld 1/2021). Diese Angaben sollten jeweils mit dem Ausweis des Vorjahres verglichen werden. So ist ersichtlich, ob die einbezahlten Beträge im richtigen Topf landeten. Besonders wichtig ist die Kontrolle der Aufstellung nach einem Wechsel der Pensionskasse, nach einer Scheidung oder einem Einkauf. Ergeben sich Hinweise auf Fehler, sollte man bei der Kasse reklamieren und eine Korrektur verlangen.