Vergangenen Oktober wurde der Immobilienfonds Streetbox an die Schweizer Börse gebracht – der letzte Zuwachs in dieser Anlageklasse. Jetzt sind 29 Immofonds an der Börse kotiert (siehe Tabelle im PDF). Alle halten ausschliesslich Liegenschaften im Inland.
Schweizer Immobilienfonds haben eine lange Tradition. Der erste (UBS Leman Foncipars) wurde im Kriegsjahr 1943 gegründet, in den 1950er-Jahren folgten sechs weitere. Die alten Fonds konzentrieren sich entweder auf Wohn- oder auf Gewerbeliegenschaften (Büros/Läden), manche auch auf eine Mischung davon. Unter den Gründungen der letzten zehn Jahre finden sich auch Fonds besonderer Art. So steckt etwa Streetbox das Geld in modulare Industriehallen. Livingplus der Credit Suisse konzentriert sich auf spezielle Wohnformen wie Seniorenresidenzen.
Durchschnittliche Rendite in den letzten 55 Jahren: Fast 7 Prozent pro Jahr
Immobilienfonds haben in den vergangenen Jahrzehnten eine hohe Rendite erzielt. Zahlen gibt es seit Ende 1960. Im Durchschnitt haben Schweizer Immofonds seither einen Gesamtertrag von fast 7 Prozent pro Jahr abgeworfen. In dieser Performance sind Kursveränderungen und Dividenden enthalten – unter der Annahme, dass die Dividenden immer wieder investiert wurden. Unberücksichtigt blieben dabei aber die bei den Anlegern direkt anfallenden Kosten: Kauf- und Verkaufskommissionen sowie Depotgebühren.
Die Kurse der börsenkotierten Immofonds notierten Ende Oktober 2016 im Durchschnitt 26 Prozent über dem schuldenbereinigten Wert ihrer Liegenschaften. Diese Differenz wird Agio genannt (siehe «Tipps» unten). Im historischen Durchschnitt war das Agio nur halb so hoch. In Krisenzeiten fiel es auch schon fast auf Null.
Immobilien: «Sachwerte, die einen Inflationsschutz bieten»
Der Grund für das gegenwärtig hohe Agio: Je tiefer die Zinsen sanken, umso mehr verloren Obligationen ihre Attraktivität. Viele Anleger, gerade auch kapitalkräftige wie Pensionskassen, wichen auf Immobilienfonds aus. Die Fonds weisen Dividendenrenditen von durchschnittlich 2,8 Prozent auf (siehe Unten).
Zwar zählen Immobilienfonds grundsätzlich – neben Obligationen und Aktien – zu den Kernbausteinen eines Wertschriftendepots. Aber gilt dies angesichts der meist hohen Agios noch heute?
«Ja», sagt Florian Schubiger von der Winterthurer Beratungsfirma Vermögenspartner. «Immobilienfonds sind Sachwerte, die einen Inflationsschutz bieten.» Tatsächlich übertraf deren Wertentwicklung – langfristig betrachtet – die Teuerung in der Vergangenheit bei weitem. Das gilt aber nicht für jede Kurzperiode.
Noch eine Einschränkung macht Florian Schubiger: «Eher zurückhaltend wäre ich, wenn ich selbst bereits Immobilien besitze, zum Beispiel in Form eines Hauses oder einer Wohnung.»
Auch wer noch nicht Immobilienbesitzer ist, sollte sich keine Illusionen machen. Hohe Renditen sind auf absehbare Zeit nicht zu erwarten, da die Agios bereits weit über ihrem langjährigen Durchschnitt liegen. Zudem nahm ein Fonds nach dem anderen in den letzten Jahren Geld auf und expandierte. Für Zukäufe von Immobilien bezahlten die Fonds zum grossen Teil satte Preise, was die Anlagerenditen drückt. Kommt dazu: Im Markt für kommerzielle Liegenschaften übersteigt das Angebot schon seit einiger Zeit die Nachfrage. Und neuerdings steigen auch bei Mietwohnungen zumindest regional die Leerstände.
Immobilienfonds: Langfristig eine gute Geldanlage
Das grösste Risiko sind allerdings erheblich anziehende Zinsen, was Obligationen wieder attraktiver machen würde. In diesem Fall würden die Agios schmelzen, will heissen: die Kurse stark sinken. Gut möglich, dass dann die Ausschüttungen die Kursverluste während einer gewissen Zeit nicht mehr wettmachen und eine negative Gesamtrendite resultiert.
Fazit: Die Immobilienfonds eignen sich nicht für Anleger mit kurzem Zeithorizont. Wer aber viel Geduld aufbringen und allfällige Phasen mit negativen Renditen durchstehen kann, für den sind Immobilienfonds nach wie vor eine Option. Denn langfristig dürften sie auch in Zukunft eine gute Geldanlage sein.
Tipps: Kauf von Immobilienfonds
Man muss nicht unbedingt Häuser besitzen, um in Immobilien zu investieren: 10 bis 20 Prozent des Wertschriftenportefeuilles können in Fonds anlegelegt werden, am besten verteilt über mehrere Jahre.
Wie investieren? Florian Schubiger von der Firma Vermögenspartner hält Indexfonds für die einfachste Lösung: «Mit ihnen ist man breit aufgestellt.» Am vorteilhaftesten ist der UBS ETF SXI Real Estate Funds (ISIN CH0105994401, siehe Seite 22). Er ist ein Dachfonds, der alle 29 an der Schweizer Börse kotierten Immobilienfonds enthält. Ihm werden zwar Verwaltungskosten von 0,25 Prozent pro Jahr belastet, was die Rendite eigentlich entsprechend schmälern müsste. Tut es aber nicht, denn: Unter den 29 Fonds im ETF befinden sich auch sechs hauseigene Fonds der UBS, bei denen die Grossbank auf einen Teil der Verwaltungskosten verzichtet.
Anleger, die gerne auf eigene Faust investieren, können auch direkt Immobilienfonds kaufen. So lassen sich Akzente setzen. Beispiele: Fonds mit einem hohen Anteil an kommerziellen Liegenschaften lassen langfristig eine überdurchschnittliche Rendite erwarten, sie sind dafür schwankungsanfälliger. Bei wohnungslastigen Fonds verhält es sich umgekehrt, was konservativen Anlegern entgegenkommt.
Wer selber Titel herauspickt, sollte über ausreichende Finanzkenntnisse verfügen. Zudem empfiehlt es sich, mehrere Fonds zu kaufen. Achtung: Dabei droht gerade bei relativ kleinen Depots die Kostenfalle. Je nach Tarifstruktur der Bank können der Kauf und das Halten mehrerer Fonds sehr teuer werden.
Die wichtigsten Begriffe zum Thema:
Agio: Positive Differenz zwischen dem Börsenkurs und dem Nettovermögen pro Fondsanteil. Das Nettovermögen besteht im Wesentlichen aus den Immobilien. Das Agio wird auch Aufpreis oder Prämie genannt. Ist die Differenz negativ, spricht man von einem Disagio oder Abschlag.
Performance: Sie gibt die Entwicklung des Börsenkurses und der Ausschüttung wieder. Es handelt sich um den Gesamtertrag, der den Anlegern zufällt.
Anlagerendite: Während die Performance stark von den Bewegungen an der Börse abhängt, gibt die Anlagerendite das wieder, was im Fonds effektiv passiert. Sie zeigt, wie rentabel der Fonds mit dem Geld der Anleger wirtschaftet.
Dividendenrendite: Ausschüttungen je Fondsanteil im Verhältnis zum Börsenkurs.
Einkommens-/Vermögenssteuern: Ein Teil der Fonds besitzt die Immobilien direkt. Die Besteuerung erfolgt bei ihnen im Wesentlichen auf Fondsebene, während die Anleger hier von der Einkommens- und Vermögenssteuer befreit sind (siehe Tabelle im PDF). Die anderen Fonds halten die Liegenschaften indirekt über Immobiliengesellschaften. Hier zahlen sowohl die Fonds als auch die Anleger Steuern.