Stefan Haase, Co-Projektleiter der Luzerner Studie «Langzeitstrategien im Stockwerkeigentum», wundert sich über das mangelnde Verständnis vieler Stockwerkeigentümer: «Das Auto bringt jeder regelmässig in die Werkstatt. Im Stockwerkeigentum dagegen ist erstaunlich wenig Bewusstsein vorhanden für künftige Erneuerungen und die damit verbundenen Kosten.»
Hier will die Abteilung Technik & Architektur der Hochschule Luzern Abhilfe schaffen. Sie hat für Stockwerkeigentümer eine Toolbox mit Faltblättern entwickelt. Sie sollen Wissen vermitteln und der Umsetzung von Langzeitstrategien im Bereich des Unterhalts und der Erneuerungen dienen.
Stockwerkeigentum hat sich in den vergangenen zehn Jahren zur populärsten Eigentumsform entwickelt. Beispiel Kanton Zürich: Hier machte der Anteil der Eigentumswohnungen an neu erstellten Wohneinheiten im Jahr 1990 erst 41 Prozent aus. 2012 waren es bereits 74 Prozent.
Viele der Neukäufer scheinen sich aber auf den Erwerb der Wohnung und nicht auf ihren langfristigen Unterhalt zu konzentrieren. Die Studie der Hochschule Luzern hält dazu fest: «Es lässt sich beobachten, dass Entscheidungen über notwendige Erneuerungen verzögert, gar nicht gefällt oder mit einer unzureichenden strategisch-langfristigen Ausrichtung getroffen werden.»
Eine Erhebung der Hochschule Luzern in Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Wohnungswesen ergab im Jahr 2010 zwar, dass fast 84 Prozent der Stockwerkgemeinschaften über einen Erneuerungsfonds verfügen. Berechnungen zeigten aber auf, dass in diesen Fonds zu wenig Geld lag, um künftige Erneuerungen zu decken. Das angesparte Geld der meisten Fonds reichte nur für die Begleichung eines Viertels bis zur Hälfte der zu erwartenden Kosten (siehe K-Geld 6/2014).
Gemeinschaftliche Kosten werden unterschätzt
Vor allem kleine und selbstverwaltete Stockwerkeigentümer-Gemeinschaften messen dem Erneuerungsfonds wenig Gewicht bei. Dies legt gemäss den Studienverfassern den Schluss nahe, «dass die gemeinschaftlichen Kosten unterschätzt und die jährlichen Einzahlungen eher tief angesetzt werden».
Zentraler Bestandteil der Luzerner Toolbox ist ein exemplarischer Erneuerungsterminplan. Er zeigt unter anderem auf, wann mit welchen Sanierungen und welchen Kosten zu rechnen ist. Alles ist aufgelistet: von der Aussenfassade über den Brandschutz bis zum Veloraum.
Veranschaulicht wird das Ganze durch ein Ampelsystem: Es signalisiert die Dringlichkeit der Erneue-rung. Gegen Ende der Nutzungsdauer wechselt die Farbe von grün auf gelb und schliesslich auf rot.
In den Faltblättern der Hochschule Luzern geht es nicht nur um das Planen und Finanzieren von Erneuerungen. Wo es um viel Geld geht, ist immer auch Konfliktpotenzial vorhanden.
Die acht Faltblätter der Luzerner Toolbox liegen zurzeit noch nicht in gedruckter Form vor. Laut der Hochschule Luzern ist ein Druck aber in Planung. Zudem können die Faltblätter bereits jetzt auf der Website zum Projekt unter www.hslu.ch/cctp-stwe eingesehen und heruntergeladen werden.
Unterlagen für Stockwerkeigentümer
- Reibereien unter Stockwerkeigentümern sind häufig. Denn anders als in Einfamilienhäusern wohnen hier mehrere Parteien unter dem gleichen Dach. Ist es undicht, müssen sie gemeinsam über dessen Sanierung entscheiden. Oft treffen Stockwerkeigentümer zusammen, die wenig gemeinsam haben. Sie sind unterschiedlichen Alters, haben verschiedene Interessen und sind ideologisch anders geprägt.
- Auch für dieses Problem hat die Projektgruppe der Hochschule Luzern ein Faltblatt mit Lösungsansätzen entwickelt. Es empfiehlt, die Zuständigkeiten in einem Reglement klar zu definieren – und zwar bevor allfällige Konflikte aufbrechen. Denn: «Auch für Gemeinschaften, die zum Gründungszeitpunkt von einem freundschaftlichen Miteinander geprägt sind, ist die Klärung zentral, selbst wenn dies anfangs künstlich wirken kann», schreiben die Autoren.
- Die meisten Konflikte treten erst dann auf, wenn Erneuerungen zu projektieren und finanzieren sind. Unterschiedliche Bedürfnisse und Überzeugungen, oft aber auch voneinander abweichende finanzielle Spielräume führen zu Meinungsverschiedenheiten. Zu den Vorsorgemassnahmen im Konfliktfall gehört die Bestimmung von Ansprechpersonen, aber auch eine saubere Regelung der Geschäftsprozesse.
- So schlägt das Faltblatt etwa vor, bei jeder Sitzung drei Aspekte zu traktandieren: den Stand und die Prognose der Finanzierungsplanung und des Erneuerungsfonds, die Unterhalts- und Erneuerungsplanung mit Kostenangaben sowie Befindlichkeiten rund um das Zusammenleben.
Die Autoren des Faltblatts raten, mögliche Konflikte nicht per se als problematisch zu bewerten, sondern einen positiven Umgang damit zu pflegen.
Buchtipp: Informationen zur Eigentumswohnung
Mehr zum Thema finden Sie im «Saldo»-Ratgeber «Die Regeln des Stockwerkeigentums» (1. Auflage, 211 Seiten, Fr. 27.–).
- Kapitel 1: Der Kauf einer Eigentumswohnung – Vor- und Nachteile, Finanzierung, Kaufvertrag
- Kapitel 2: Die Aufteilung der
- Liegenschaft – was gehört wem?
- Kapitel 3: Reglement, Hausordnung und Streitbeilegung
- Kapitel 4: Reparatur, Unterhalt und Gemeinschaftskosten
- Kapitel 5: Die Versammlung der Stockwerkeigentümer
- Kapitel 6: Der Verwalter – Wahl, Abwahl, Pflichtenheft, Honorar
- Kapitel 7: Sinnvolle Versicherungen für Stockwerkeigentümer
- Kapitel 8: Der Verkauf der
- Eigentumswohnung
- Kapitel 9: Änderungen und Ende der Gemeinschaft
- Anhang: Mustervorlage für ein Reglement, Adressen