Meine Belgrader Wohnung liegt an der Sonnenseite des prächtigen König Alexander Boulevard. Das fünfstöckige Haus stammt aus den 1930er-Jahren und ist, wie die ganze Häuserreihe, im Art-Deco-Stil gebaut und von uralten Platanen umrahmt.
Alles sehr schön – nur das Heizen ist problematisch. Wie die meisten Belgrader Altbauwohnungen hat sie keine Zentralheizung, sondern nur reich verzierte Kachelöfen. Doch es ist zu mühsam, die Kohlen aus dem Keller zu schleppen und die Asche täglich zu leeren. Also heize ich im Winter meine Wohnung mit Strom. Das tun auch die meisten Serben, denn die Zentralheizung ist in Serbien nicht weit verbreitet.
Plattenbauten haben zwar alle eine Zentralheizung, allerdings wird dort ab 22 Uhr nicht mehr geheizt. Also muss ein stromfressender Heizlüfter für die Zusatzwärme sorgen. In Altbauten oder auf dem Lande wird mit Nachtstromspeichern und elektrischen Heizkörpern geheizt. Doch der Strom ist teuer. Ich zahle in den kalten Wintermonaten bis zu 300 Euro monatlich, je nachdem, wie die Minusgrade sind.
Als pünktliche Zahlerin nutze ich den monatlichen 5-Prozent-Rabatt, den mir das staatliche Stromunternehmen EPS einräumt. Die meisten Serben zahlen aber gar nichts. Kein Wunder, denn die Arbeitslosigkeit beträgt bis zu 30 Prozent, Löhne und Renten sind karg. Die angehäuften Stromschulden belaufen sich auf 2000 bis 3000 Euro pro Schuldner. Doch Leute, die von einer monatlichen Rente um die 100 Euro leben müssen, können diese Schulden nie zurückzahlen. Seit Jahren duldet der Staatsbetrieb EPS diese Kleinschuldner – um des sozialen Friedens willen.
Um die Schuldner zu bewegen, überhaupt etwas zu bezahlen, wurde 2014 für unbezahlte Rechnungen die Mehrwertsteuer erlassen – immerhin 20 Prozent der Gesamtrechnung. Da hatte ich als pünktliche Zahlerin Pech: Mit meinen 5 Prozent Rabatt fuhr ich deutlich schlechter. Hätte ich jahrelang die Rechnung nicht bezahlt, hätte ich 20 Prozent weniger zahlen müssen.
Ich überlege mir deshalb, in Zukunft meine Stromrechnung zu ignorieren und auf den nächsten Schuldenerlass zu warten. Das wäre gut angelegtes Geld.