Von 1500 auf 4377 Franken: So massiv ist die Erhöhung der Jahresprämie der Visana für den selbständigerwerbenden Landwirt Jürg Friederich aus Suberg BE. Die höhere Prämie gilt ab Januar 2017 und betrifft sein Kollektiv-Krankentaggeld.
Die Visana begründet den Schritt mit dem «überdurchschnittlich hohen Schadenverlauf». Friederich hatte in den vergangenen zwei Jahren Sehnenprobleme an der Schulter und musste operiert werden. Weil er jeweils für mehrere Wochen ausfiel, musste ihm die Visana Taggelder als Lohnausfall zahlen. Im Jahre 2014 erhielt Friederich deshalb 9337 Franken, 2015 waren es 14400 Franken.
Leistungsbezug: Nach fünf Jahren in Form von Prämien zurückgezahlt
Zusammen sind das 23737 Franken. Wenn Friederich künftig eine Jahresprämie von 4377 Franken zahlt, hat er nach fünf Jahren 21885 Franken an die Visana überwiesen – und damit seine kürzlich bezogenen Versicherungsleistungen schon fast vollständig zurückgezahlt.
«Eine solche ‹Versicherung› ist ein Witz», sagt Stefan Thurnherr vom VZ Vermögenszentrum in Zürich. «Eine derart konsequente Schadenabwälzung auf den Kunden hat die Bezeichnung ‹Versicherung› nicht verdient.»
Die Visana bestätigt den Sachverhalt. Sie schreibt K-Geld, hier gelte das «kollektive Äquivalenzprinzip, das heisst Gleichheit von Prämien und Leistungen». Bei solchen Verträgen gebe es eine «Beobachtungsperiode» von drei Jahren. Wenn das Kollektiv in diesem Zeitraum Verluste ausweise, sei eine Prämienerhöhung zwingend nötig. Dass der Landwirt in den Jahren zuvor immer nur Prämien gezahlt und keine Leistungen bezogen hatte, spielt keine Rolle.
«Solche Vorfälle sind typisch für Krankenkassen», weiss Peter Wieland vom Versicherungsbroker Realprisma in Zürich. Und er bestätigt: «Im Grunde zahlt der Kunde den Schaden selber.»
Wieland weiss zum Beispiel vom Fall einer Verbandsleitung mit sechs Mitarbeitern, die ihr Kollektiv-Taggeld bei der Krankenkasse Innova versichert hat: Sie musste von einem Jahr aufs andere einen Prämienaufschlag von 8000 auf 16000 Franken pro Jahr hinnehmen. Eine Mitarbeiterin war schwer erkrankt und beanspruchte Taggelder für rund 20000 Franken. Seither ging die Prämie wieder markant zurück. Das zeigt, dass bei «Schadenfreiheit» – also wenn keine Krankheitsfälle auftreten – die Prämie wieder sinken kann.
Einen krassen Fall kennt Wieland von der ÖKK. Bei dieser Krankenkasse erwischte es einen Acht-Mann-Kleinbetrieb mit einer Prämienerhöhung von 7000 auf 31000 Franken. Der Betrieb kündigte dann und zahlt jetzt bei der Axa-Winterthur für die gleiche Leistung eine Jahresprämie von rund 16200 Franken. Die Prämie dürfte gemäss Wieland weiter sinken, sofern keine weiteren Krankheitsfälle auftreten.
Das Hauptproblem ist also die Grösse des Kollektivs. Und da ist Landwirt Friederich ein Extremfall. Bis vor zwei Jahren war seine Frau ebenfalls Teil seines Kollektivs, doch sie wechselte zur Krankenkasse Agrisano. Seither ist der Landwirt ein Ein-Mann-Kollektiv. Die Visana nennt das einen «Mikrobetrieb». Und ergänzt: «Seit dem 1. Juni 2016 können Einzelbetriebe ohne Personal bzw. ohne Familienangehörige bei uns nicht mehr versichert werden.»
Wartefrist erhöhen und Prämien sparen: Visana lehnte dies ab
Diese Einschränkung bekommt nun auch Bauer Friederich zu spüren. Er könnte nämlich seine Wartefrist von jetzt 14 Tagen heraufsetzen lassen – zum Beispiel auf 30 oder gar auf 60 Tage (siehe Kasten). Das heisst: Das Taggeld würde erst 30 oder 60 Tage nach Beginn der Arbeitsunfähigkeit bezahlt, was die Prämie markant senken würde. Doch die Visana sagt, das gehe nicht.
Landwirt Friederich hat theoretisch noch eine andere Sparmöglichkeit. Gemäss seiner aktuellen Police zahlt ihm die Visana ein Taggeld ab einem Arbeitsunfähigkeitsgrad von 25 Prozent. Er könnte diese Grenze zum Beispiel auf 50 Prozent erhöhen, um Prämien zu sparen. Doch auch da winkt die Visana ab: «Das ist im Segment Mikrobetriebe nicht möglich.»
Taggelder für Kleinbetriebe: Die wichtigsten Tipps
Werden Angestellte schwer krank und fallen länger aus, muss ihnen der Arbeitgeber für eine gewisse Zeit den Lohn zahlen. Dieses finanzielle Risiko können Betriebe zu einer Versicherung auslagern – mit einer Kollektiv-Taggeldpolice. Diese springt dann nach einer gewissen Wartezeit für den Betrieb ein und zahlt meistens 80 Prozent des Lohns. Das gilt auch für sehr kleine Betriebe. Zum Teil gibt es sogar Kollektiv-Tarife für Einzelpersonen. In der Regel müssen aber Einzelpersonen – zum Beispiel Selbständigerwerbende – eine Einzelversicherung abschliessen.
Kollektiv-Tarife für Versichertengemeinschaften sind grundsätzlich günstiger als Einzelversicherungen. Es lohnt sich also, wenn Selbständigerwerbende zum Beispiel nach einem Berufsverband Ausschau halten, der ein entsprechendes Kollektiv bildet. Für Landwirte und ihre mitarbeitenden Familienangehörigen gibt es unter anderem die Kollektiv-Lösung der Krankenkasse Agrisano. Ihr sind rund 6500 Personen angeschlossen.
Der Nachteil der anfänglich günstigen Kollektiv-Tarife: Wenn der Schadenverlauf schlecht ist, wenn also viele Krankheitsfälle auftreten, können die Prämien explodieren – vor allem bei Kleinbetrieben. Peter Wieland von Realprisma in Zürich beobachtet, «dass dann Prämienerhöhungen bei den grossen Versicherungsgesellschaften wie Zürich, Axa-Winterthur, Basler, Allianz, CSS, Helsana, Helvetia oder Swica in der Regel moderater ausfallen als bei den kleineren Krankenkassen». Bei grossen Kollektiven gebe es nur kleine Schwankungen.
Für Betriebe lohnt es sich, regelmässig Konkurrenzofferten einzuholen und allenfalls einen Wechsel ins Auge zu fassen. Kleinere Betriebe oder Selbständigerwebende müssen allerdings bei bestehenden Leiden mit einem Gesundheitsvorbehalt rechnen. Das betreffende Leiden ist dann von der Versicherungsdeckung ausgeschlossen.
Je länger die Wartezeit, desto günstiger ist die Prämie. Während der Wartezeit müssen Betriebe bzw. Selbständigerwerbende den Lohnausfall selber tragen bzw. aus dem Ersparten decken. Eine Wartezeit von nur 14 Tagen ist kurz und entsprechend teuer, 30 oder gar 60 Tage sind meist vernünftiger.