Manchmal muss ich mich in Taipeh richtig zusammenreissen, um keine Wohnung zu kaufen. Fast täglich fische ich Flugblätter von Maklern aus dem Briefkasten. Vor der U-Bahn drückt man mir sie regelmässig in die Hand. Und an Strassenkreuzungen halten Obdachlose gegen Bezahlung riesige Werbetafeln. Sie weisen den Weg zu neuen Apartmentkomplexen.
Die 23 Millionen Taiwaner sind grosse Freunde der eigenen vier Wände: Mehr als 80 Prozent leben im Wohneigentum – doppelt so viele wie in der Schweiz. Doch als Spontankäufer kommen die meisten nicht infrage. Denn Schnäppchen gibt es keine. Die Preise sind hoch – in Taipeh, wo sich etwa drei Millionen Menschen in einem Talkessel drängen, sogar astronomisch hoch. Wohnungspreise von einer Million Franken sind in meinem Viertel normal. Das zahlt man sogar für alte Bausubstanz, der man diesen Preis nicht ansieht.
Eine Standardwohnung kostet in Taipeh 14 Jahreseinkommen eines durchschnittlichen Haushalts, haben Experten errechnet. Noch teurer ist nur noch Hongkong. «Trotzdem will fast jeder kaufen», erzählt die Maklerin Maureen Chiu in ihrem Büro, wo die Schaufenster mit Angeboten zugepflastert sind. Bis zur Heirat würden viele bei ihren Eltern leben, doch dann werde die Erwartungshaltung zu gross. Eltern zitieren gerne die alte chinesische Weisheit «Ohne Grund und Boden kein Vermögen».
Die ältere Generation langt beherzt in ihre Sparbüchse, um Wohnträume zu ermöglichen. «Wichtig ist, dass die Eltern bei der Anzahlung helfen», sagt Maureen Chiu. 30 Prozent Eigenkapital seien üblich. Den Rest stottern junge Familien dann mit bis zu 60 Prozent ihres Einkommens ab, über 20 Jahre oder länger. Wer das nicht will, weicht ins Umland aus.
Auch in beliebten Trabantenstädten kostet der Quadratmeter Neubau noch über 3000 Franken. Das entspricht einem ordentlichen Monatslohn. Dabei werden gemeinschaftlich genutzte Flächen wie Lobby oder Garten grosszügig eingerechnet. Wer 100 Quadratmeter bezahlt, bewohnt eigentlich nur 70.
Allerdings: Der Hype war schon schlimmer. Von 2005 bis 2014 legten Taiwans Immobilienpreise um 70 Prozent zu, in Taipeh verdoppelten sie sich gar. Doch dann ging etwas Luft aus der Blase, weil Spekulationsgewinne stärker besteuert wurden. Laut Maklerin Chiu gaben die Preise um 15 Prozent nach. Für taiwanesische Verhältnisse sei der Markt für Käufer zurzeit vorteilhaft. Mag sein. Aber Immobilienbesitzer werde ich in Taipeh trotzdem nicht. Denn ich finde solche Preise einfach nicht normal.