Im April 2019 verkündete die Basler Pharmafirma Alibion AG, sie werde die erste «personalisierte» Therapie gegen chronische Polyarthritis entwickeln. Diese ist eine langwierige rheumatische Erkrankung und die häufigste entzündliche Erkrankung der Gelenke.
K-Geld-Leser Thomas F. aus St. Gallen erhielt im September 2019 einen Telefonanruf eines Aktienverkäufers: Albert Merturi stellte sich als Geschäftsführer der Zürcher Vonberg AG vor. Thomas F. kannte weder Merturi noch die Zürcher Firma. Merturi erklärte ihm, es bestehe eine grosse Nachfrage nach Aktien von Alibion. Eigentlich biete diese Startup-Firma keine Aktien mehr an, aber die Vonberg AG verfüge über eine Kaufoption. An dieser würde man Thomas F. gern beteiligen. Der Preis pro Aktie betrage 216 Franken. Thomas F. liess sich überzeugen: Er kaufte Aktien für 108000 Franken.
Im November 2019 besuchte Merturi Thomas F. in dessen Wohnung in St. Gallen und behauptete, es liege ein Vertrag zum Kauf der Alibion AG durch eine bedeutende Pharmafirma vor. Pro Aktie sei ein Preis von 432 Franken, also das Doppelte des Kaufpreises, vereinbart worden. Der Vertrag sei unterschrieben, die Kaufsumme von 43 Millionen Franken hinterlegt. Thomas F. habe nun die Möglichkeit, Aktien nachzukaufen.
Zunächst war Thomas F. skeptisch. Als ihm Merturi aber erzählte, er selber habe sein privates Depot von 753 000 Franken veräussert und dafür Aktien von Alibion gekauft, liess sich F. zum Kauf von weiteren 1000 Aktien zu je 216 Franken verleiten. Insgesamt hatte er nun 324 000 Franken in die Firma investiert.
Doch kaum hatte Thomas F. das neue Geld eingezahlt, erhielt er einen Anruf – angeblich von Daniel Rojas, Geschäftsführer von Alibion. Dieser erzählte ihm, er suche weitere finanzielle Mittel. Da wurde F. erstmals klar, dass ihm möglicherweise Fantasiegeschichten aufgetischt worden waren. In mehreren Telefonaten mit Merturi kam F. zur Einsicht, dass dieser wohl keine eigenen Aktien der Alibion besass. Denn F. fiel auf, dass Merturi den Inhalt der periodischen Aktionärsinformationen oft nicht kannte.
Diese Berichte an die Aktionäre waren desaströs: Testerfolge bei der Entwicklung der erwähnten Therapie blieben aus, höhere Dosierungen führten auch nicht zum Ziel, und die finanziellen Mittel des Startups versiegten im Schnellzugstempo.
«Ich bin einem Märchenerzähler aufgesessen»
Als die finanzielle Lage bei der Alibion immer düsterer wurde, kam es im August 2020 am Sitz der Vonberg AG in Zürich Altstetten zu einer Aussprache zwischen Thomas F. und Merturi. Dabei sagte Merturi laut Thomas F., er habe ihn ja nicht zum Unterzeichnen des Vertrags gezwungen. Er habe lediglich die Informationen weitergegeben, die er von Alibion erhalten habe. Thomas F. war fassungslos. «Ich bin einem Märchenerzähler aufgesessen», sagt er heute.
Anfang 2021 wurde über die Alibion AG der Konkurs eröffnet. Thomas F. erlitt somit einen Totalverlust von 324 000 Franken – ein Grossteil seines Pensionskassenvermögens. Die Überweisungen für die Aktienkäufe landeten auf dem Bankkonto eines gewissen Fabio Daprelà. Was F. nicht wusste: Dabei handelt es sich um einen Profifussballer des FC Lugano. Der Innenverteidiger des Tessiner Fussballvereins hatte sich im April 2019 bei der Alibion AG mit über 200000 Franken beteiligt.
Ein Teil seiner Aktien war ausschliesslich dazu bestimmt, an Leute wie Thomas F. verkauft zu werden. Das ist dem Aktienkaufvertrag zu entnehmen, der K-Geld vorliegt. Fabio Daprelà wird von der Spielerberatungsfirma Isma AG betreut. Deren Inhaber ist Steven Semeraro. Er sitzt bei den Aktienverkäufern der Vonberg AG im Verwaltungsrat und bezeichnet sich als deren «Partner». Semeraro und Daprelà reagierten auf Anfragen von K-Geld nicht.
Was Thomas F. ebenfalls nicht wusste: Vonberg-Geschäftsführer Albert Merturi mischt im Geschäft der dubiosen Aktienvermittler seit langem an vorderster Front mit. Das zeigen Untersuchungsakten, die K-Geld vorliegen. Mit 21 Jahren galt der heute 29-jährige Merturi bei der Global Equity Associates AG und später der Salfried AG bereits als «Spitzenverkäufer». Beide Firmen verkauften Aktien des wertlosen Pharma-Startups Amvac AG.
Die Staatsanwaltschaft Zug beziffert den Schaden auf mindestens 55 Millionen Franken. Sie stellte die Strafuntersuchung gegen Merturi im Amvac-Fall betreffend gewerbsmässigen Betrug und schwere Geldwäscherei Ende August 2019 ein. Die aufgelaufenen Kosten des Strafverfahrens in der Höhe von 24 500 Franken musste Merturi aber tragen, da er laut Staatsanwalt «die Einleitung des Strafverfahrens rechtswidrig und schuldhaft veranlasst» hatte. Zudem trage er eine erhebliche zivilrechtliche Mitverantwortung für die Anlegerverluste.
Der Aktienverkäufer will den geprellten Anleger nicht kennen
Albert Merturi sagt gegenüber K-Geld, im Vorfeld eines Investments würden Interessenten mit einer Dokumentation bedient, welche die Details der entsprechenden Gesellschaft enthalte. Investitionsentscheide würden ausschliesslich aufgrund der überreichten Dokumentation getroffen. Es sei ausgeschlossen, dass Vonberg-Mitarbeiter gegenüber Interessenten Aussagen machten, welche nicht im Dossier stünden.