Anfang Dezember letzten Jahres wollte die 32-jährige Noemi Büchi (Name geändert) ihr Anlagesparkonto bei der Migros-Bank an der Aeschenvorstadt in Basel auflösen. Aufgrund eines alten Auszugs wusste sie, dass der Kontostand bei gut 7300 Franken liegen sollte. Doch dann erfuhr sie, dass sich auf dem Konto nur 4088 Franken befanden.
Die Sachbearbeiterin der Bank erklärte ihr, dass wegen «Adresslosigkeit» Gebühren erhoben worden seien. Büchi habe es unterlassen, ihre Adressänderung mitzuteilen, obwohl sie dazu gemäss den Geschäftsbedingungen verpflichtet gewesen wäre. Die Migros-Bank habe vergeblich versucht, sie zu kontaktieren. Für den Aufwand, die Adresse herauszufinden, entschädigte sich die Bank fürstlich: Sechs Jahre lang zog sie jedes Mal Fr. 538.50 von Büchis Konto ab – insgesamt 3231 Franken. Diese Gebühr ist in der Preisliste der Migros-Bank aufgeführt. Ebenso ist darin vermerkt, dass Adressnachforschungen in der Schweiz mindestens 30 Franken kosten. Büchi sagt, sie könne sich nicht daran erinnern, dass ihr diese Liste je ausgehändigt wurde.
Das betroffene Konto war 1992 von Noemi Büchis Urgrosseltern als Jugendsparkonto eröffnet worden. Im Juni 2010 teilte die inzwischen volljährige Noemi Büchi der Migros-Bank erstmals eine Adressänderung mit. Und im Juli 2016 bestätigte sie der Bank auf Nachfrage eine neue Adresse – wie schon zuvor in Basel. Sie unterliess es aber, der Migros-Bank ihren erneuten Umzug im Herbst des gleichen Jahres ins Zentrum der Stadt mitzuteilen. Dort wohnt sie bis heute.
Bank unternahm vermutlich keine Nachforschungen
Büchi liess sich den Restsaldo Ende Dezember auf ihr Konto bei der Basler Kantonalbank überweisen. Sie ärgerte sich aber weiterhin über die hohen Gebühren und kontaktierte deswegen die Rechtsberatung von K-Geld. Sie ist sich bewusst, dass sie nachlässig war, was die Umzugsmitteilung anging. Allerdings wäre es für die Migros-Bank «extrem leicht» gewesen, ihre Adresse herauszufinden, sagt Büchi. Denn sie habe seit jeher in Basel gewohnt. Zudem könne beim Einwohneramt Basel-Stadt jedermann für eine Gebühr von 6 Franken eine Adressauskunft verlangen. Noemi Büchi bezweifelt daher, dass die Migros-Bank ernsthaft versuchte, ihre Adresse ausfindig zu machen und sie zu kontaktieren. Sie sagt: «Es ist schlichtweg perfid, dass mir die Migros-Bank dafür über 3000 Franken gestohlen hat.»
Auf Anraten der Rechtsberatung verlangte Noemi Büchi bei der Migros-Bank Auskunft über alle Daten, welche diese zu ihrer Person gespeichert hat. Büchi fragte explizit auch nach Auskünften zu allenfalls getätigten Adressnachforschungen und den dafür belasteten Gebühren. Doch dazu finden sich im von der Bank gelieferten Dossier keine Angaben.
Mitte April schaltete sich K-Geld ein und stellte der Migros-Bank Fragen zum Vorfall. Darauf ging es schnell: Die Bank kontaktierte Büchi und versprach ihr eine Rückzahlung. Zwei Tage später trafen auf ihrem Konto Fr. 3292.50 ein, mit dem Vermerk «Rückerstattung Adressnachforschungsgebühren/Banklagerndgebühren 2016–2022».
Auf die Fragen von K-Geld ging die Migros-Bank nicht ein. Sie schrieb nur: «Vielen Dank, dass Sie uns auf die Situation unserer Kundin aufmerksam gemacht haben.» Man sei der Kundin «aus Kulanzgründen» entgegengekommen und habe die aufgelaufenen Gebühren erstattet.
Gestützt auf das Bankdossier ist davon auszugehen, dass die Bank nichts unternommen hatte, um die Adresse von Büchi ausfindig zu machen. Bankgebühren sind nur geschuldet, wenn sie zwischen Kundin und Bank vereinbart waren. Die Migros-Bank sagt dazu: «Die Preise für die Führung des Postarchivs für nachrichtenlose Vermögen sind in unseren Preisen für Dienstleistungen ausgewiesen. Diese sind Teil der Vertragsgrundlagen.» Gemäss dieser Preisliste hätte die Migros-Bank für eine Adressforschung in der Schweiz 30 Franken erheben dürfen – mehr nicht. Unter Juristen ist allerdings umstritten, ob ein Verweis im Kleingedruckten eines Vertrages auf Preislisten im Internet die dort veröffentlichten Gebühren überhaupt zum Vertragsinhalt macht.
Hohe Gebühren für die Suche nach Kunden
Die Banken sind verpflichtet, eine Suche zu starten, sobald sie feststellen, dass der Kontakt zu einer Kundin oder einem Kunden abgebrochen ist. Dafür verlangt etwa die Basler Kantonalbank (BKB) Fr. 107.70 pro Stunde. Der gleiche Ansatz gilt bei der Zürcher Kantonalbank (ZKB). Die Postfinance verlangt pro Stunde 120 Franken, bei Raiffeisen (Beispiel St. Gallen) sind es Fr. 129.25. Die Credit Suisse und die UBS nennen keine Zahlen.
Ist die Suche erfolglos und tritt Kontaktlosigkeit ein, belasten Banken happige Pauschalgebühren. Für kontaktlose und später nachrichtenlose Gelder verlangen die CS und die ZKB jährlich Fr. 107.70. Die Postfinance verlangt 120 Franken, die UBS Fr. 215.40, die BKB Fr. 323.10 und die Migros-Bank Fr. 538.50. Die Raiffeisenbank St. Gallen zwackt von solchen Konten alljährlich gar Fr. 646.20 ab. Diese Beträge sind nur geschuldet, wenn sie in den Verträgen aufgeführt sind.
Die Banken und die Postfinance weisen in ihren allgemeinen Geschäftsbedingungen nur generell darauf hin, dass sie bei eingetretener Kontakt- oder Nachrichtenlosigkeit für ihre Umtriebe «eine spezielle Gebühr» erheben und dass es eine Liste mit Preisangaben gebe. Eine solche Formulierung stellt jedoch keine vertragliche Grundlage für die erhobenen Gebühren in Höhe von mehreren Hundert Franken dar. Auch ein Verweis auf eine irgendwo publizierte Preisliste genügt nicht. Es ist nicht Sache der Kunden, in Filialen oder im Internet nach Listen zu suchen, die zudem einseitig durch die Banken erstellt und verändert werden.
So finden Sie vermisste Konten
Ein Umzug, ein Todesfall oder die Schliessung einer Firma: Es kommt vor, dass Kunden in solchen Situationen vergessen, dass sie auch die Bank benachrichtigen müssen. Das kann dazu führen, dass der Kontakt zwischen Kunde und Bank abbricht. Bankengesetz und -verordnung sowie Richtlinien zum Umgang mit kontakt- und nachrichtenlosen Vermögen legen fest, wie die Banken in solchen Fällen vorgehen müssen.
In den Richtlinien wird unterschieden zwischen Kontakt- und Nachrichtenlosigkeit. Kontaktlosigkeit tritt ein, wenn die an den Kunden versandte Post der Bank retourniert wird, auch sonst kein Kontakt mehr zum Kunden besteht und die Suchmassnahmen der Bank erfolglos geblieben sind. Der Status «kontaktlos» gilt zehn Jahre lang. Meldet sich während dieser Zeitspanne niemand, gelten die Vermögenswerte weitere 50 Jahre lang als «nachrichtenlos».
Wird ein Vermögen ab 500 Franken kontaktlos, müssen Banken die Angaben zum Besitzer an eine zentrale Datenbank melden. Auf diese hat nur der Bankenombudsmann Zugriff. Wer kontaktlose Gelder sucht, sollte sich deshalb an den Ombudsmann wenden. Dieser führt eine Abfrage der Datenbank durch. Die Suche kostet 100 Franken. Weitere Infos im Internet unter Bankingombudsman.ch (dort unter «Kontosuche») oder via Tel. 043 266 14 14.
Langfristig kontaktlose Vermögenswerte werden im Internet auf Dormantaccounts.ch publiziert und können direkt über diese Website geltend gemacht werden.