Unfallversicherung: Betriebe und Angestellte zahlen oft zu viel
Bei den Prämien für die betriebliche Unfallversicherung gibt es grosse Unterschiede. Ein Wechsel des Anbieters kann sich lohnen.
Inhalt
K-Geld 04/2010
30.08.2010
Letzte Aktualisierung:
31.08.2010
Ernst Meierhofer
Auf den ersten Blick könnte man meinen, dass die betriebliche Unfallversicherung nur den Arbeitgeber interessiert. Denn er muss alle Angestellten gegen Unfälle versichern, die am Arbeitsplatz passieren. So will es das Gesetz. Der Betrieb wählt die Versicherungsgesellschaft aus – und er muss auch die entsprechenden Prämien zahlen.
Doch die gesetzlich vorgeschriebene Unfallversicherung bietet zwingend auch Schutz gegen Unfälle, ...
Auf den ersten Blick könnte man meinen, dass die betriebliche Unfallversicherung nur den Arbeitgeber interessiert. Denn er muss alle Angestellten gegen Unfälle versichern, die am Arbeitsplatz passieren. So will es das Gesetz. Der Betrieb wählt die Versicherungsgesellschaft aus – und er muss auch die entsprechenden Prämien zahlen.
Doch die gesetzlich vorgeschriebene Unfallversicherung bietet zwingend auch Schutz gegen Unfälle, die den Angestellten in der Freizeit passieren. Diese sogenannten Nichtberufsunfälle (NBU) sind ebenfalls versichert. Und diese Prämie zahlen in der Regel die Angestellten – via Lohnabzug.
Der Clou dabei: Der NBU-Prämienanteil für Angestellte ist im Schnitt rund zwölfmal höher als die Summe, die der Arbeitgeber für den Unfallschutz am Arbeitsplatz zahlt. Und genau deswegen kann es den Angestellten nicht egal sein, bei welcher Gesellschaft ihr Betrieb kollektivversichert ist.
Das zeigt die Prämientabelle im pdf-Artikel rechts – etwa bei den Angaben für das Reisebüro. Ist der Betrieb bei der Allianz versichert, kostet die Freizeitunfall-Versicherung für alle 36 Angestellten zusammen 26 730 Franken pro Jahr. Bei der Basler hingegen würden sie nur 20 031 Franken zahlen – 25 Prozent weniger. Und dies bei völlig identischen Leistungen.
Für einen Angestellten mit einem Brutto-Monatslohn von 5000 Franken heisst das konkret: Ist sein Betrieb bei der Allianz, macht sein monatlicher Lohnabzug für Freizeitunfälle Fr. 58.05 aus. Bei der Basler würde er nur Fr. 43.50 zahlen. Es lohnt sich also, den Anbieter zu wechseln. Angestellte müssen allerdings ihre Arbeitgeber bitten, die nötigen Schritte in die Wege zu leiten.
Allerdings können davon nur «bürolastige» Betriebe profitieren, die sich nicht bei der Suva versichern müssen – also insbesondere Firmen aus dem Dienstleistungs- und Beratungsbereich sowie aus dem Detailhandel. Bundesbetriebe hingegen sowie der gesamte Bau- und Industriesektor sind zwingend bei der Suva versichert und können nicht zu einem privaten Anbieter wechseln.
Wichtige Details zur Tabelle im pdf-Artikel:
- Die Vergleiche gelten für Dienstleistungsbetriebe unterschiedlicher Grösse. Wichtigste prämienbestimmende Kennzahl ist die Lohnsumme, also das, was alle Angestellten zusammen verdienen.
- Die Prämienangaben gelten nur für die obligatorische Versicherung. Freiwillige Zusätze sind nicht berücksichtigt.
- Bei den Frankenbeträgen stehen jeweils auch die Promillesätze (Verhältnis von Lohnsumme und Prämie). Diese sind für den Arbeitgeber wichtig, denn sie beziffern – etwa bei den Nichtberufsunfällen – den exakten Lohnabzug, den er bei den Angestellten machen muss, egal ob Mann oder Frau. Der Promille-Abzug erfolgt vom Bruttolohn.
Tipps für Betriebe, die ihre Unfallversicherung wechseln möchten:
Holen Sie mehrere Offerten ein und vergleichen Sie. Es kann sich lohnen, dazu einen erfahrenen Broker um Hilfe zu bitten. Die Tabelle zeigt, dass keine Gesellschaft prämienmässig immer vorne liegt.
Offerten: Mit der Versicherung nachverhandeln
- Die Verträge laufen üblicherweise fix für drei Jahre und verlängern sich danach automatisch um ein Jahr – mit einer Kündigungsfrist von drei Monaten. In der Regel muss man vor Ende September kündigen.
- Ganz wichtig ist die Risiko-Einstufung des Betriebes. Die Gesellschaften stufen die angeschlossenen Betriebe in unterschiedliche Risikoklassen und -stufen ein. Die verschiedenen Klassen und Stufen haben je nach statistischer Unfallhäufigkeit der betreffenden Branche mehr oder weniger hohe Prämien.
Diese Einteilung in Gefahrenklassen ist allerdings völlig intransparent und lässt viel Ermessensspielraum. Wenn eine Gesellschaft den Betrieb als Kunden unbedingt gewinnen möchte, kann sie seine Risikostufe bewusst «verbessern» und so die Prämie senken. Auch die Schadenhäufigkeit spielt hier eine Rolle, also die Tatsache, ob im Betrieb bis anhin viele Leute verunfallten oder nicht.
Das bedeutet konkret: Falls Sie mit einer Offerte nicht einverstanden sind, können Sie nachverhandeln. Tipp: Auch Betriebe, die die Gesellschaft nicht wechseln möchten, können je-des Jahr beim Versicherer vorstellig werden und um die Einteilung in eine günstigere Gefahrenklasse «märten». Ruedi Ursenbacher von der Firma «Fairsicherungsberatung» in Bern: «Wenn ein Betrieb in den Vorjahren relativ wenig Unfälle hatte, holen wir locker eine Tarifsenkung um 30 Prozent heraus.»
Unfallversicherung: Die Leistungen im Obligatorium
Die Leistungen der obligatorischen Unfallversicherung sind im Gesetz geregelt und für alle Anbieter (inkl. Suva) verbindlich. Sie gelten auch bei Berufskrankheiten. Das ist bezahlt:
- Arztkosten ohne Franchise und Selbstbehalt
- Spitalbehandlung in der allgemeinen Abteilung
- Taggeld bei vorübergehender Arbeitsunfähigkeit (80 Prozent des Lohnes) ab dem dritten Tag
- Rente bei Invalidität bis ans Lebensende (ebenfalls 80 Prozent des Lohnes), dazu Integritätsentschädigung und Hilflosenentschädigung
- Hinterlassenenrente für Witwen und Waisen nach Unfalltod der versicherten Person.
- Betriebe können ihre Angestellten gezielt besser versichern als gemäss Gesetz – mit freiwilligen Zusatzversicherungen.