Peter Imhasli (Name geändert) aus Zürich stiess auf die Internetseite der Firma Finesco GmbH aus Sursee LU. Dort bewirbt der Geschäftsführer und Mitinhaber Christian Imesch «Zweitmarktpolicen aus den USA», auch «US Life Settlements» genannt. Die Renditen würden zwischen 8 und 26 Prozent pro Jahr liegen. Imhasli wurde neugierig und bestellte Informationsmaterial.
In den Broschüren schreibt die Finesco: «Investieren auch Sie wie Warren Buffett und Bill Gates in den US-Zweitmarkt für Lebensversicherungen». Solche Zweitmarktpolicen seien eines der «bestgehüteten Geheimnisse der Investmentbranche». Sie seien krisenresistent und: «Investitionen in US-Zweitmarktpolicen helfen Menschen, da diese sofort über Bargeld verfügen können.»
Worum handelt es sich bei solchen Anlagen? Und eignen sie sich für Privatanleger? Zweitmarktpolicen basieren auf Spekulationen mit Lebensversicherungspolicen von Leuten mit begrenzter Lebenserwartung. In den USA kam diese Anlageform in den 90-Jahren auf, als Aidspatienten ihre Lebensversicherungen verkauften, um mit dem Erlös dringend benötigte Medikamente zu erwerben. Heute geht es oft um Krebspatienten. Wer in den USA seine Lebensversicherung verkaufen möchte, muss sich einer Gesundheitsprüfung unterziehen.
Dabei schätzt ein sogenannter Medical Underwriter die Lebenserwartung ein. Danach bekommt der Versicherte für seine Police ein Angebot. Käufer solcher Versicherungen sind in der Regel spezialisierte Firmen. Diese bezahlen den Preis der Police und garantieren die Prämien, bis der Verkäufer stirbt. Nach dem Tod des Versicherten erhält der Käufer der Police die versicherte Summe. Je schneller der Versicherte stirbt, desto wertvoller wird die Police, weil weniger Prämien zu zahlen sind und die Versicherungssumme früh fällig wird.
Kurze Lebenserwartung, hohe Rendite
Im konkreten Fall offerierte Finesco-Chef Christian Imesch dem K-Geld-Leser eine Police mit der Nummer T-5708. Hinter dieser Zahl steckt eine 49-jährige Frau mit Hauptdiagnose Brustkrebs. Laut der medizinischen Einschätzung vom Januar 2024 hatte sie zu diesem Zeitpunkt noch 48 Monate zu leben. Peter Imhasli bekam eine detaillierte Beschreibung des Krankheitsfalles von der Finesco zugeschickt. Die Prognose sei ernst, die Heilungsschancen seien gering. Imesch kommentierte den Report für Imhasli und schrieb, die Lebenserwartung sei «eher kürzer als 48 Monate!».
Die krebskranke Frau hatte Ende 2018 eine Lebensversicherung beim Versicherer Farmers New World Life Insurance Company mit einer Versicherungssumme von 500'000 US-Dollar abgeschlossen. Das auf US-Zweitmarktpolicen spezialisierte Unternehmen Fidelity of Georgetown Inc. zahlt ihr für diese Police $ 382 643.30. Die Frau erhielt also noch 76,5 Prozent der ursprünglich garantierten Todesfallsumme.
Nun bietet die Finesco Privatpersonen an, sich bei dieser Police zu beteiligen, und schreibt, dass man von einer Jahresrendite von 8 Prozent ausgehen könne. Es wird eine Gesamtrendite von 30,67 Prozent in Aussicht gestellt. Wer sich an der Police T-5708 beteiligt, geht ein Direktinvestment ein. Vertragspartner der Schweizer Anleger ist laut der Finesco-Werbebroschüre die Fidelity of Georgetown aus Maryland (USA).
Das Geld für die Direktbeteiligung muss auf ein Konto der Bank of Utah überwiesen werden und ist in US-Dollar fällig. Bei diesem Direktinvestment gebe es keinen Aufschlag zum Kaufpreis und keine Managementgebühren, so die Finesco im Werbematerial. Auf dem Depotkonto in den USA gebe es zudem 0,5 Prozent Zins pro Monat, also 6 Prozent Zins pro Jahr.
Neben dem Direktinvestment hatte Finesco-Chef Imesch noch ein weiteres Angebot für Peter Imhasli: ein Investment von mindestens 100'000 US-Dollar in den LIP Funding Bond II (Compartment 18, ISIN: CH1108675658). Bei dieser Obligation, die auf US-Zweitmarktpolicen beruht, werden pro Jahr 6,1 Prozent Zins garantiert – plus bis zu 8 Prozent Zins jährlich. Die Laufzeit beträgt sieben Jahre. Als Verwaltungskosten werden jährlich bis zu 1,25 Prozent fällig.
Beratend tätig für dieses Produkt ist die FoG Services AG aus Stansstad NW, bei der Christian Imesch im Verwaltungsrat sitzt. Das Angebot einer Beteiligung an dieser Anleihe gilt laut Faktenblatt nur für qualifizierte Anleger und wäre für einen Kleinanleger wie Peter Imhasli nicht geeignet gewesen.
Juristische Streitigkeiten kämen teuer zu stehen
Beide Anlagen bergen für Kleinanleger Risiken. Bei einer Direktbeteiligung gilt der Gerichtsstand USA. Juristische Streitigkeiten würden teuer. Und man investiert in US-Dollar – geht also ein Währungsrisiko gegenüber dem Schweizer Franken ein. Die hohen Renditen hängen entscheidend davon ab, wie zuverlässig die medizinische Einschätzung zur Lebenserwartung der Versicherten ist. Die Zuverlässigkeit solcher Diagnosen wird überschätzt. Ein direktes Einzelinvestment in eine einzige solche Police ist ein Glücksspiel. Christian Imesch nahm zu den Fragen von K-Geld nicht Stellung.
Bei Investitionen in Obligationen wie den LIP Bond gilt: Je höher die Rendite, desto höher das Risiko, dass das Geld am Ende der Laufzeit nicht zurückgezahlt wird. Für vermögende qualifizierte Investoren wäre allenfalls eine Beteiligung an einem Fonds eine Überlegung wert. Seriöse Fonds halten 300 und mehr solcher Policen. Kleinanleger aber sollten von den Policen die Finger lassen. Hinzu kommt der moralische Aspekt: Mit solchen Anlagen wettet man auf den frühen Tod von Menschen.