Velofahren ist umweltfreundlich und gesund. In Sydney ist es auch teuer. Ein Ausflug zum Bäcker hätte mich heute fast 572 australische Dollar gekostet. Das sind umgerechnet 380 Franken. Auf den 300 Metern trug ich keinen Helm. Das kostet 344 Dollar Strafe, wenn man erwischt wird. Am Lenker fehlte die Glocke, was eine Busse von 114 Dollar bedeuten kann. Zudem war mein Reflektor defekt, was ebenfalls 114 Dollar Strafe bedeutet.
Als ich die Polizeistreife sah, flitzte ich über das Trottoir in eine Einfahrt und versteckte mich hinter einem Müllcontainer. Wie eine Jugendliche, die nicht beim Rauchen erwischt werden will. Hätten die Beamten mich aufgespürt, wären weitere 114 Dollar wegen Fahrens auf dem Fussweg und 457 Dollar für «leichtsinniges Velofahren» fällig gewesen. So teuer sollten die Brötchen eigentlich nicht werden. Übrigens: Wäre ich mit dem Auto über einen Veloweg gebrettert, hätte mich das nur 191 Dollar gekostet.
Ich ziehe zum Velofahren weder Klickschuhe noch Leuchtkleider an. Ich will nur von A nach B. In Australien hat das Zweirad aber weitere Funktionen. In Sydney ist es ein High-Tech-Statussymbol. Man bringt es am Morgen im Auto in einen Park, um dort in Elastan der Marke Lycra mit Gleichgesinnten um die Wette zu rasen. Ich habe Freunde, deren mobile Wunderwerke aus Karbon die meiste Zeit in samtgepolsterten Haltern im Wohnzimmer verbringen.
Einige Mutige entscheiden sich trotz ignoranter Autofahrer und fehlender Velowege dafür, das Fahrrad schlicht als Fortbewegungsmittel zu nutzen. Ihre Aufgabe ist es, die Staatskasse zu füllen. Vor drei Jahren entschied das Bundesland New South Wales, die Strafen für radelndes Fehlverhalten zu vervielfachen: Über Nacht stieg die Busse fürs Velofahren ohne Helm um 445 Prozent. Im ersten Jahr mit dem neuen Gesetz nahm die Polizei allein helmlosen Velofahrern fast 2 Millionen Dollar ab. Im Jahr davor brachte dieses Vergehen nur 330 000 Dollar ein. Bis 2019 schrieben die Uniformierten den Radfahrern 17 560 Bussenzettel in Höhe von fast 6 Millionen Dollar.
Die Folge: In chronisch verstopften Städten wie Sydney steigen noch weniger Leute aufs Velo. Australische Kinder – jedes vierte ist übergewichtig – werden noch dicker. Jugendliche aus ärmeren Vierteln haben Strafregistereinträge, weil sie die Bussen nicht zahlen können. Und ich muss mich in Hinterhöfen verstecken.