Wer Aktien besitzt, muss darauf Vermögenssteuer zahlen. Dabei werden die Aktien zum Verkehrswert taxiert. Das ist der Preis, den ein Käufer zu zahlen bereit ist. Bei börsengehandelten Aktien ist die Feststellung dieses Werts kein Problem. Er entspricht dem Schlusskurs des letzten Börsentages Ende Dezember.
Was aber gilt für Aktien, die nicht gehandelt werden, also die Anteile der meisten kleinen und mittleren Unternehmen? Dafür wenden die Steuerämter den Verkehrswert nach der «Wegleitung zur Bewertung von Wertpapieren ohne Kurswert für die Vermögenssteuer der Schweizerischen Steuerkonferenz» an (Kreisschreiben Nr. 28). Die Steuerkonferenz ist ein privater Verein, der Steuerkader aller Kantone und des Bundes angehören. Präsidentin ist zurzeit Marina Züger, Chefin des kantonalen Steueramts Zürich. Der Verein hat keine gesetzgeberischen Kompetenzen.
Laut dem erwähnten Kreisschreiben wird bei der Bewertung eines Unternehmens der Ertragswert (Gewinn) zweimal und der Substanzwert (Eigenkapital) einmal gewichtet. Von dieser Bewertungsregel können die Steuerbehörden abweichen, wenn «eine bessere Erkenntnis des Verkehrswerts dies gebietet». Folgende Ausnahmesituationen sind erwähnt:
«Massgebliche Handänderung unter unabhängigen Dritten»
Verkauft ein Aktionär seine Aktien zu einem Marktpreis, gilt der Kaufpreis als Verkehrswert der Aktien. Dies ist aber nur dann der Fall, wenn mindestens 10 Prozent der Aktien verkauft werden und der Käufer vom Verkäufer unabhängig ist.
Neu gegründetes Unternehmen
Im Gründungsjahr und in der Zeit der Aufbauphase erfolgt die Bewertung nach dem Substanzwert.
Starke Personenbezogenheit
Wird der Ertrag fast ausschliesslich vom Allein- oder Mehrheitsaktionär erzielt, kann die Steuerbehörde den Ertragswert – gleich wie den Substanzwert – nur einfach gewichten. Bedingung dafür ist, dass das Unternehmen kein weiteres Personal beschäftigt – mit Ausnahme von Hilfskräften für Administration und Logistik.
Die Steuerbehörden gewähren solche Ausnahmen nur sehr zurückhaltend. Das zeigt der Fall zweier älterer Ärzte, die in einer Zürcher Gemeinde sieben Jahre lang gemeinsam eine Arztpraxis als Aktiengesellschaft betrieben. Jeder Arzt besass 50 Namenaktien im Nennwert von je 1000 Franken. Das Aktienkapital belief sich also auf 100 000 Franken.
Im September 2018 verkaufte der aus der Praxis ausscheidende Arzt seine 50 Aktien dem anderen Arzt für 250000 Franken. Das kantonale Steueramt berechnete den Verkehrswert der Aktien aber nach dem Kreisschreiben 28 (siehe Kasten). Das ergab für die Ärztepraxis einen Ertragswert von rund 3,5 Millionen Franken und einen Substanzwert von 400000 Franken. Aufgrund der doppelten Gewichtung des Ertragswerts resultierte unter dem Strich ein Steuerwert des Unternehmens von rund 2,5 Millionen Franken.
Dieser Betrag weicht um das Fünffache vom tatsächlichen Preis der Aktien beim Verkauf ab. Der tatsächliche Verkehrswert aller Aktien betrug 2018 ja nur 500000 Franken. «Das war der Marktpreis. Die Ärzte schenkten sich bei der Preisfindung nichts», sagt Pascal Bischof von der Zürcher Treuhandfirma Expertinum. Der Steuerexperte hatte die Ärzte beim Verkauf begleitet.
Bischof intervenierte beim Steueramt des Kantons Zürich, Dienstabteilung Wertschriften. Er verlangte eine Unternehmensbewertung gestützt auf den tatsächlich gezahlten Kaufpreis von 250000 Franken für die Hälfte der Aktien. Doch das Steueramt lehnte ab. Begründung: Der Verkauf sei zwischen den Aktionären und nicht mit einem unabhängigen Dritten erfolgt.
Pascal Bischof ärgert sich: «Mit der Differenz zwischen dem Verkaufswert aller Aktien der Ärztepraxis von 500000 Franken und dem vom Steueramt berechneten Unternehmenswert von 2,5 Millionen Franken wird ein fiktives Vermögen besteuert. Hier müsste der Gesetzgeber aktiv werden, damit nur der effektive Verkehrswert besteuert wird.»
Der in der Praxis verbleibende Arzt muss seine Aktien nun also mit einem Wert von 2,5 statt 0,5 Millionen Franken als Vermögen versteuern. Bei 2,5 Millionen beträgt die Vermögenssteuer rund 8500 Franken. Bei einer halben Million müsste der Arzt nur knapp 700 Franken zahlen. Michael Krampf
So berechnen Steuerämter den Wert eines Unternehmens
Der Wert eines Unternehmens wird von den Steuerbehörden mit nachfolgender Formel berechnet:
Unternehmenswert = (2 x Ertragswert + Substanzwert) : 3
Ertragswert: Grundlage sind in den meisten Kantonen die Reingewinne der letzten zwei Geschäftsjahre. Der Reingewinn des letzten Geschäftsjahres wird doppelt gewichtet.1 Der Durchschnitt der Reingewinne wird kapitalisiert – zurzeit mit 7 Prozent.
Bei der im Artikel erwähnten Aktiengesellschaft betrugt der Reingewinn im Jahr 2019 gerundet 235000 Franken, im Jahr 2018 waren es 280000 Franken. Das ergibt folgende Ertragswertberechnung:
Reingewinn 2019 von Fr. 235 000.– (doppelt) Fr. 470 000.–
Reingewinn 2018 von Fr. 280 000.– (einfach) Fr. 280 000.–
Total Fr. 750 000.–
Reingewinn-Durchschnitt : 3 Fr. 250 000.–
Ertragswert (Reingewinn-Durchschnitt : 0,07) Fr. 3 571 428.–
Substanzwert: Er setzt sich zusammen aus Aktienkapital, Reserven, Bilanzgewinn oder -verlust sowie ausgeschütteter Dividende. Bei der im Artikel erwähnten Aktiengesellschaft beträgt der Substanzwert 400 000 Franken.
Wert des Unternehmens: 2 x Ertragswert (= 7 142 856) + Substanzwert (= 400 000) = 7542856. 7542856 : 3 = Fr. 2 514 285.–
1 Dieses Modell ist Standard in den Kantonen AG, AI, AR, BE, BL, BS, FR, GL, GR, JU, LU, NW, SH, SO, SZ, TI, UR, VS, ZH. In den übrigen Kantonen hingegen bilden die Reingewinne der letzten drei Geschäftsjahre die Grundlage für die Ertragswertberechnung. Diese werden alle gleich gewichtet.