Über diesen typischen Fall berichtete K-Geld in der Ausgabe 5/2016: Ein Alleingesellschafter einer GmbH sprach sich eine Dividende von 800 000 Franken zu. Die GmbH deklarierte die Dividende in der Steuererklärung korrekt und überwies die Verrechnungssteuer von 280 000 Franken an die Steuerverwaltung. In seiner persönlichen Steuererklärung deklarierte der Mann seine Beteiligung an der GmbH ebenfalls ordnungsgemäss. Doch die kassierte Dividende gab er nicht an. Deshalb erhält der Mann die Verrechnungssteuer von 280 000 Franken nicht zurück.
Am bekanntesten ist der Abzug der Verrechnungsteuer bei Zinsen auf Bankkonten. Doch sie wird bei allen Kapitalerträgen erhoben – also auch bei Dividenden (siehe Unten).
Dass sich der GmbH-Alleingesellschafter die Verrechnungssteuer ans Bein streichen muss, hängt mit dem Artikel 23 des Verrechnungssteuergesetzes zusammen. Dieser besagt: Wer Einkünfte, die mit der Verrechnungssteuer belastet sind, im jeweiligen Steuerjahr nicht deklariert, verliert den Anspruch auf Rückerstattung der Verrechnungssteuer.
Das Bundesgericht hat dazu präzisiert: Ein Anspruch auf Rückerstattung verwirkt nicht, wenn man die Kapitalerträge später von sich aus nachmeldet – also ohne Aufforderung durch die Steuerbehörde. Dies muss man gemäss Bundesgericht rasch tun – nämlich noch bevor die Veranlagung für das betreffende Steuerjahr rechtskräftig wird. So steht es im «Kreisschreiben Nr. 40» der Eidgenössischen Steuerverwaltung.
Kein Pardon gibt es aber, wenn der Steuerpflichtige Einkünfte absichtlich nicht deklariert und ihm die Steuerbehörde auf die Schliche kommt. Dann ist die Verrechnungssteuer definitiv verloren.
Dividendenertrag nicht deklariert – Rückzahlung verweigert
Diese Praxis führt zu stossenden Situationen. So etwa im Fall des Zürcher Kleinunternehmers Franz Waltert (Name geändert). Er hatte wie schon die Jahre zuvor die Verrechnungssteuer von 16 851 Franken auf den Dividendenertrag aus seiner Aktiengesellschaft im Jahr 2015 abgeführt. Die Aktien seines Unternehmens listete er ordnungsgemäss im Vermögensverzeichnis seiner privaten Steuererklärung auf.
Doch dann vergass er, die Dividende von 48 145 Franken als Einkommen zu deklarieren. Ihm eine Absicht zu unterstellen, wäre falsch. Denn: Dividenden von Unternehmen, an denen man mit mehr als 10 Prozent beteiligt ist, werden milde besteuert. Waltert müsste auf die Dividende eine ordentliche Steuer von nur etwa 10 000 Franken zahlen. Zur bezahlten Verrechnungssteuer von 16 851 Franken ist das eine Differenz von rund 6000 Franken, die Waltert unter dem Strich bleiben. Der Kleinunternehmer «gewinnt» also rund 6000 Franken, wenn er die Dividenden korrekt als Einkommen deklariert.
Doch die Steuerverwaltung des Kantons Zürich verlangt jetzt von ihm die 10 000 Franken Steuern auf den Dividendenertrag. Und die Eidgenössische Steuerverwaltung verweigert die Rückzahlung der Verrechnungssteuer von 16 851 Franken. Das will sich Waltert nicht bieten lassen. Er hat dagegen Rekurs eingereicht.
Auch Daniela Schneeberger, Präsidentin des Branchenverbands Treuhand Suisse und Nationalrätin (FDP/BL), kennt Fälle, die zu einem störenden Resultat führten. Zum Beispiel den eines Kleinunternehmers, der sich einen bescheidenen Lohn und eine relativ hohe Dividende auszahlte. Das ist steuerlich interessant, weil der Lohn AHV-pflichtig und voll steuerbar ist. Auf Dividenden hingegen sind keine AHV-Beiträge geschuldet, und Dividenden werden moderat besteuert.
Doch die kantonale Steuerbehörde monierte, der ausbezahlte Lohn sei im Branchenvergleich zu gering. In der Folge einigten sich der Steuerpflichtige und die Behörden auf einen etwas höheren Lohn und eine etwas tiefere Dividende. Daraufhin verweigerte die eidgenössische Steuerbehörde die Rückerstattung der Verrechnungssteuer, weil die Dividende ja zu hoch und damit «falsch» deklariert worden sei.
Mit dieser «schädlichen Praxis» und «übertriebenen Härte» will sich Schneeberger nicht länger abfinden. Sie hat deshalb im September 2016 im Nationalrat eine Motion eingereicht. Ihre Forderung: Die Verrechnungssteuer muss immer dann zurückerstattet werden, wenn die Erträge ordentlich versteuert werden und keine Hinterziehungsabsicht bestand.
Der Bundesrat signalisierte im November 2016 «Verständnis» für das Anliegen und will dem Parlament noch 2017 eine entsprechende Gesetzesänderung vorschlagen. Der Inhalt: Solange die Veranlagung noch nicht rechtskräftig ist, sollen verrechnungssteuerbelastete Einkünfte auch dann noch nachdeklariert werden können, wenn die Steuerbehörde nachgefragt hat.
Tipp: In der Regel ist die Verrechnungssteuer von 35 Prozent höher als die Steuermehrbelastung der Kapitalerträge. Es lohnt sich also auch finanziell nicht, die mit der Verrechnungssteuer belasteten Erträge in der Steuererklärung zu vergessen.
Verrechnungssteuer: Von der Sicherungs- zur Strafsteuer
Die Geschichte der Verrechnungssteuer ist die Geschichte einer sich munter drehenden Steuerschraube. 1944 wurde sie als reine Sicherungssteuer mit einem Satz von 15 Prozent eingeführt. Eine Sicherungssteuer soll die Steuerpflichtigen dazu «animieren», in der Steuererklärung alle Erträge anzugeben.
Zu Beginn wurde die Verrechnungssteuer jeweils zurückerstattet, sobald der Kapitalertrag (meist Zinsen und Dividenden) ordentlich versteuert war.
Bis 1976 wurde die Verrechnungssteuer schrittweise auf 35 Prozent erhöht – weltweit die höchste Sicherungssteuer. Zum Vergleich: In Deutschland, Frankreich, Italien, Österreich, Grossbritannien oder den USA liegt sie bei 20 Prozent. Liechtenstein verzichtet vollständig darauf.
Das funktionierte problemlos bis Mitte der 1990er-Jahre. Und dies selbst dann, wenn die Ausschüttung absichtlich verschwiegen worden war, um Steuern zu hinterziehen. Schliesslich entging dem Staat dadurch kein Geld. Und der Sünder wurde wegen Steuerhinterziehung gebüsst.
Doch dann verschärfte die Eidgenössische Steuerverwaltung ihre Praxis und verweigerte die Rückzahlung der Verrechnungssteuer, wenn die Nicht- oder Falschdeklaration in hinterzieherischer Absicht erfolgte. Die Busse wegen Steuerhinterziehung blieb zusätzlich.
2014 zündete die Eidgenössische Steuerverwaltung mit dem «Kreisschreiben Nr. 40» die nächste Stufe: Seither genügt selbst eine Nachlässigkeit ohne jede Hinterziehungsabsicht, dass die Rückerstattung der Verrechnungssteuer verweigert wird. Damit legt die Steuerbehörde das Gesetz buchstabengetreu aus. Immerhin ist nach dem gegenwärtigen Stand eine Nachkorrektur erlaubt, falls sie erfolgt, bevor die Steuerveranlagung definitiv wird. Und falls der Steuerpflichtige aus eigenem Antrieb selbst nachdeklariert hat.