Michael und Andrea Manser (Namen geändert) wohnen im Kanton Appenzell Ausserrhoden. Sie sind 59 und 56 Jahre alt. Das kinderlose Paar möchte sich im Alter von 63 Jahren frühpensionieren lassen – und seinen bisherigen Lebensstandard beibehalten. Das bedeutet: Das Paar möchte in seiner Eigentumswohnung bleiben und drei Mal pro Jahr in die Ferien verreisen. Liegt das allein mit den Renten und den Ersparnissen finanziell drin?
Das Paar gelangte mit dieser Frage Anfang Jahr an K-Geld. Es will sich hinsichtlich einer Frühpensionierung professionell beraten lassen und erkundigt sich nach geeigneten Adressen. K-Geld vereinbart mit Mansers, dass sie für eine Pensionierungsplanung drei Finanzinstitute anfragen: die Schweizer Vermögensberatung AG, die UBS und das VZ Vermögenszentrum. Die Beratungshonorare übernimmt K-Geld. Im Gegenzug informiert das Paar die Redaktion über seine Erfahrungen und die Empfehlungen der Berater.
Im Februar nehmen Mansers mit den drei Finanzinstituten für einen ersten Termin Kontakt auf. Bei der UBS gestaltet sich das zunächst schwierig. Einen per Internet fixierten Termin lässt die Bank ohne Benachrichtigung verstreichen. Erst nach viel Geduld in der Telefonwarteschleife gelingt es dem Paar, ein Datum für ein Erstgespräch zu finden. «Aufgrund dieses ersten Eindrucks wäre die UBS für uns als Beratungspartner wohl durchgefallen», sagt Michael Manser. Mit der Vermögensberatung AG und dem VZ Vermögenszentrum sind die Termine hingegen rasch fixiert.
Zu den Erstgesprächen liefert das Ehepaar Manser allen Beratern dieselben Unterlagen ab: Steuererklärung, Pensionskassenausweise, die Liste aller 3a-Konten, Hypothekarverträge, Lohnausweise. Dazu kommt ein Blatt mit persönlichen Fragen, Zielen und Wünschen. Später reichen Mansers zusätzlich noch Auszüge der individuellen AHV-Konten, Pensionskassenreglemente und Schätzungen zu ihrem Stockwerkeigentum nach. Dessen Verkehrswert beträgt 850'000 Franken. Hinzu kommen zwei Abstellplätze in der Tiefgarage im Wert von 54'000 Franken. Auf Geheiss der Berater stellen sie ferner ihr aktuelles Jahresbudget und die mutmasslichen Ausgaben nach der Pensionierung zusammen.
Finanzsituation vor und nach der Pensionierung analysiert
Die Lebenshaltungskosten des Paars ohne Berücksichtigung von Wohnungskosten, Steuern und Beiträgen an die 3. Säule betragen zurzeit rund 72'000 Franken pro Jahr. Beide Eheleute arbeiten Teilzeit und verdienen zusammen netto 82'800 Franken jährlich. Für die Zeit nach der Pensionierung geht das Paar von einem leicht verminderten Jahresbudget von knapp 68'000 Franken aus. Auf Konten besitzt es Ersparnisse von 174'000 Franken.
Auf insgesamt acht 3a-Konten liegt Geld in der Höhe von 244'000 Franken. Das Pensionskassenguthaben von Michael Manser beläuft sich auf 375'000 Franken. Bis zur vorgesehenen Pensionierung mit 63 wird das Alterskapital voraussichtlich noch auf 475'000 Franken ansteigen. Bei Andrea Manser ist die Pensionskasse mit 187'000 Franken gefüllt. Daraus sollten bis zum Alter 63 noch 218'000 Franken werden.
An diversen Sitzungen analysierten die Finanzplaner im Beisein des Ehepaars dessen Einkommens- und Vermögenssituation vor und nach der Pensionierung. Auf dieser Basis erstellten sie einen Finanzplan, präsentierten eine langfristige Anlagestrategie und schlugen diverse Massnahmen vor. Die UBS verlangte für die Pensionsplanung 3231 Franken, das VZ Vermögenszentrum 3570 Franken. Die Vermögensberatung AG verlangte kein Honorar, weil sie sich ausschliesslich über Produktprovisionen finanziert.
Die UBS stellte einen Finanzplan bis 2052 auf. Dieser zeigt, dass eine Frühpensionierung des Paars mit jeweils 63 Jahren finanzierbar ist. Allerdings setzt der Plan der Grossbank voraus, dass Michael Manser 45 Prozent seines Pensionskassenkapitals im Alter 63 bezieht und mit mittlerem Risiko anlegt. Ferner geht die UBS davon aus, dass das Paar die Eigentumswohnung im Jahr 2041 ver-kauft, um zu neuem Kapital zu kommen.
Das VZ Vermögenszentrum rät Mansers davon ab, Geld aus der Pensionskasse zu nehmen. Stattdessen rät es, ganz auf eine Rente zu setzen. «Dieses Einkommen bringt Ihnen Sicherheit und bildet die Grund lage für die optimale Planbarkeit Ihres Budgets», argumentieren die VZ-Planer. Da Mansers in ihrer Eigentumswohnung bleiben wollen, erstellt das VZ einen Finanzplan ohne Immobilienverkauf.
VZ hält Frühpensionierung für unrealistisch
Am Ende kommt das VZ zu folgendem Schluss: Eine Frühpensionierung mit 63 Jahren und fast gleich bleibenden Lebenshaltungskosten sei nicht finanzierbar. Und das, obwohl die Mansers voraussichtlich eine volle Ehepaarrente der AHV erhalten. Anfang 2033, wenn beide das ordentliche Pensionierungsalter erreicht haben und die AHV-Ehepaarrente erstmals ausbezahlt wird, beläuft sich das bewegliche Vermögen – also ohne Stockwerkeigentum – laut VZ gerade noch auf 72'000 Franken.
Das Ehepaar Manser muss auch von seinem Vermögen leben, da die Ausgaben das Renteneinkommen aus AHV und den Pensionskassen klar übersteigen. Schon im Verlauf des Jahres 2035 ist gemäss dem VZ-Finanzplan das bewegliche Vermögen aufgebraucht. Das VZ rät Mansers deshalb, den Gürtel deutlich enger zu schnallen. Wenn sie ihre Lebenshaltungskosten 2028 auf 46'000 Franken senkten, würde das bewegliche Vermögen bis Ende 2055 reichen – ohne dass sie die Wohnung verkaufen müssen.
Beim Vergleich der Finanzpläne von UBS und VZ fällt auf: Die Differenzen stammen vor allem von den unterschiedlich hoch angesetzten Lebenshaltungskosten. Das VZ startet 2023 mit den aktuellen Lebenshaltungskosten von 720'000 Franken und rechnet diesen Betrag mit jeweils 1,5 Prozent Jahresteuerung fort. So liegen diese Kosten bereits 2033 bei 77'000 Franken. Bis 2052 sind es dann 103'000 Franken.
Bei der UBS hingegen starten die Lebenshaltungskosten 2024 mit 66'000 Franken. 2029 – zum ordentlichen Pensionierungstermin des Ehemanns – sinken sie auf 64'000 Franken und 2040 gar auf 60'000 Franken. Ab 2042 schlägt die UBS wegen der verkauften Eigentumswohnung 25'000 Franken Mietzins auf die Lebenshaltungskosten. Diese steigen dann bis 2052 auf 92'000 Franken an.
Karl Flubacher vom VZ Vermögenszentrum verweist darauf, dass man nach dem Vorsichtsprinzip rechne. Ganz bewusst setze das VZ die Teuerungsrate der Lebenshaltungskosten über die gesamte Planungszeit bei 1,5 Prozent an, auch wenn die Rate in den vergangenen Jahren oft tiefer gewesen sei. Damit seien auch die stetig steigenden Krankenkassenprämien berücksichtigt. Von Lebenshaltungskosten, die ans Alter angepasst sind, hält Flubacher nicht viel. «Das VZ hat immer mit gleichmässig ansteigenden Lebenshaltungskosten von 1,5 Prozent kalkuliert und ist auf diese Weise der Realität recht nahe gekommen.»
Laut der UBS rechnen ihre Pensionierungsberater bei den Lebenshaltungskosten durchgehend mit einer Teuerung von 1 Prozent. Beim Finanzplan ging der UBS-Berater der Mansers davon aus, dass sich die Ausgaben nach der Pensionierung reduzieren. Aufgrund seiner Erfahrung senkt der Berater zudem die Lebenshaltungskosten ab 2040 nochmals. Dann erreicht der Ehemann das Alter 75.
Sowohl UBS als auch VZ sehen für das Kapital der Mansers eine auf Langlebigkeit zielende Anlagestrategie mit einer Durchschnittsrendite von 3 Prozent. Mit welchen Finanzprodukten diese Strategie umgesetzt werden soll, ist bei beiden Finanzinstituten Thema zusätzlicher Beratungen. Diese sind kostenlos, weil sich UBS und VZ erhoffen, Depotbank der Mansers zu werden – oder allenfalls ein Vermögensverwaltungsmandat zu erhalten.
Vermögensberatung AG rät zum Kauf von Fonds
Bei den Sitzungen des Ehepaars Manser mit der Vermögensberatung AG (SVAG) stand die Wahl der Finanzprodukte im Vordergrund. Obwohl das Unternehmen auf seiner Website mit Ruhestandspla-nungen wirbt, waren ein Finanzplan und die Finanzierbarkeit der Frühpensionierung in der Beratung nicht wirklich ein Thema. In den abgegebenen Unterlagen heisst es dazu lediglich, dass dafür kein zusätzliches Kapital nötig sei.
Der Berater empfahl den Eheleuten, das gesamte Pensionskassenkapital zu beziehen und in Fonds zu investieren. Er zeigte Mansers, dass die Höhe der Rendite vom eingegangenen Risiko abhängig sei. Dabei verwies er auf die Zusammenarbeit der SVAG mit den Fondshäusern DWS und J. Safra Sarasin und warb für deren Fonds.
Laut Michael Manser arbeitete der Berater mit diversen Annahmen, die er kaum begründete. «Wir sind der Ansicht, dass dieses Unternehmen für eine fundierte Pensionierungsberatung nicht optimal ist. Wir können es daher nicht weiterempfehlen», sagt Manser.
Das überrascht nicht: Denn die Berater der SVAG erhalten keinen festen Lohn. Ihr Verdienst besteht allein aus Provisionen für vermittelte Finanzprodukte. Deshalb sind die Berater primär am Verkauf von Fonds und Versicherungen interessiert und nicht an einer profunden Beratung.
Laut SVAG-Sprecherin Doris Holstein bestand die Dienstleistung bei Mansers aus einer «Konzeptberatung, die weit über die reine Vermittlung von Versicherungen oder Investmentprodukten hinausgeht». Ziel sei es gewesen, das Paar zu befähigen, sich mit den Möglichkeiten der Geldanlage und des Kapitalbezugs aus der 2. Säule auseinanderzusetzen, bis die Pensionierung eintrete. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt habe der Berater lediglich Optimierungspotenzial bei den 3a-Konten des Paars erkannt. «Ein Vertragsabschluss stand zu keiner Zeit zur Diskussion», sagt Holstein.
Ehepaar Manser hält an seinem Plan fest
Nach den Analysen und Ratschlägen der drei Finanzinstitute wissen Michael und Andrea Manser nun, wie sie weiter vorgehen wollen. An der Frühpensionierung halten sie fest. Den Lebensstandard deutlich zu reduzieren, kommt für das Ehepaar nicht infrage. Stattdessen will es die Idee weiterverfolgen, einen Teil des Pensionskassenkapitals des Mannes zu beziehen. «Dieses Geld steht dann sicher meiner Frau zur Verfügung, falls ich deutlich vor ihr sterben sollte», sagt Michael Manser. Vorderhand plant das Paar sein Rentnerleben, ohne das Stockwerkeigentum zu verkaufen. «Das ist für uns der Notnagel», sagen die beiden.
Vorzeitig in den Ruhestand: Diese Punkte sollte man klären
Im Hinblick auf eine Frühpensionierung gilt es, verschiedene Entscheide zu treffen. Folgende Punkte sollten angehende Rentnerinnen und Rentner beachten:
Tragbarkeit Wohneigentum
In der Regel sinkt das Einkommen nach der Pensionierung. Deshalb wird es für Rentner oft schwierig, die Tragbarkeitsregeln der Banken für eine Hypothek zu erfüllen. Im Fall des Ehepaars Mansers empfiehlt das VZ Vermögenszentrum die Reduktion der Hypothekarsumme um 31000 Franken auf 439000 Franken per Frühpensionierung des Ehemannes im Frühling 2027. Die UBS schlägt eine Senkung des Kredits um 50000 Franken auf 420000 Franken vor, und zwar per Frühpensionierung der Ehefrau Ende 2032. Die Reduktion der Hypothek spart Wohnkosten.
Steueroptimierung Kapitalbezüge
Bei der Auszahlung von Vorsorgegeldern aus der 2. und der 3. Säule fallen einmalig Kapitalsteuern an. Um die Steuerprogression zu brechen, ist es je nach Kanton und Höhe der Kapitalsumme vorteilhaft, das Geld in unterschiedlichen Jahren zu beziehen. Der Massnahmenplan des VZ sieht vor, dass die Mansers die Auszahlung ihrer acht 3a-Konten über die Jahre 2025 bis 2032 verteilen.
Gegenüber einer kumulierten Auflösung der Konten jeweils vor der Berufsaufgabe der Ehepartner lassen sich auf diese Weise 11100 Franken Kapitalsteuern sparen. Die UBS empfiehlt den Bezug der Vorsorgegelder zwischen Ende 2026 und Ende 2032. Den Teilbezug des Pensionskassenkapitals des Ehemanns terminiert die Grossbank für April 2027.
AHV-Beiträge für Nichterwerbstätige
Wer vor dem ordentlichen Rentenalter von 64 (Frauen) respektive 65 (Männer) die Erwerbstätigkeit aufgibt, muss AHV-Beiträge für Nichterwerbstätige bezahlen. Vom Bezahlen eigener Beiträge ist man befreit, wenn der Ehepartner AHV-Beiträge von mindestens 1028 Franken pro Jahr leistet.
Bei Mansers reichen die AHV-Beiträge der Ehefrau nicht, um den Ehemann nach der Frühpensionierung von der Beitragspflicht zu befreien. Der Ehemann muss voraussichtlich Beiträge in der Höhe von 800 Franken pro Jahr zahlen, die Ehefrau – von 63 bis 65 Jahren – 1900 Franken jährlich. Als Grundlage für die Berechnung der AHV-Beiträge dienen das Vermögen und das 20-fache jährliche Renteneinkommen.
Einkäufe in die Pensionskasse
Besteht beim effektiv angesparten Altersguthaben in der Pensionskasse eine Lücke gegenüber dem theoretisch maximalen Altersguthaben, kann diese durch freiwillige Einkäufe geschlossen werden. Das lohnt sich vor allem in den letzten Jahren vor der Pensionierung. Denn die Einkäufe können vom steuerbaren Einkommen abgezogen werden und reduzieren so die Steuerlast.
In manchen Fällen führt ein Einkauf nicht oder nur geringfügig zu einer höheren Rente. Im Fall von Mansers rieten die Pensionierungsexperten von einem Einkauf ab, da beide Ehepartner zu einem früheren Zeitpunkt für die Finanzierung ihres selbstbewohnten Wohneigentums je 60000 Franken Kapital entnommen hatten. Erst nach der Rückzahlung eines Vorbezugs sind wieder Steuerabzüge möglich.