Die Pensionskasse der Stadt St. Gallen tat es auf Anfang 2016. Bei der Pensionskasse des Kantons Schwyz gilt es seit Anfang 2015. Die Zuger Pensionskasse machte den Schritt per Anfang 2014. Die Pensionskasse der UBS führte die Neuerung Anfang 2013 ein.
All diese Kassen haben – wie viele andere auch – die Kinderrente für Pensionierte abgeschafft oder auf drei Jahre begrenzt. Obwohl im Pensionskassengesetz BVG klar steht, dass «Versicherte, denen eine Altersrente zusteht», für jedes Kind eine Kinderrente erhalten.
Wie geht das? Wie können Kassen etwas aus ihrem Reglement streichen, das im Gesetz eindeutig verlangt wird?
Betroffen sind «späte» Väter, die von ihrer Pensionskasse bereits eine Altersrente beziehen. Falls sie jetzt noch Kinder unter 18 Jahren haben, steht ihnen laut Gesetz für jedes Kind eine Pensionierten-Kinderrente zu, und zwar in der Höhe von 20 Prozent der Altersrente. Ist das Kind in Ausbildung, verlängert sich der Anspruch – aber nur, bis das Kind 25 geworden ist.
Pensionskassen müssen einzig das gesetzliche Minimum einhalten
Das Bundesgericht hat 2010 einen Entscheid mit weitreichenden Folgen gefällt: Solange die Kassen das gesetzliche Minimum einhalten, können sie machen, was sie wollen. Dieser Entscheid trifft jene Versicherten, die mehr als die obligatorischen Beiträge gemäss Reglement einzahlen und so zu einem überobligatorischen Altersguthaben kommen. Konkret:
Das obligatorische Guthaben ergibt sich aus den Beiträgen, die gesetzlich vorgeschrieben sind. Das ist das sogenannte BVG-Minimum.
Überobligatorische Altersguthaben entstehen, wenn mehr als das BVG-Minimum eingezahlt wird (siehe Unten).
Zur Berechnung der Altersrente werden beide Töpfe zusammengezählt und in eine Rente umgewandelt. Sie ist höher als die gesetzliche Rente, die sich nur aus dem Obligatorium ergäbe.
Das Pensionskassengesetz regelt nur den obligatorischen Teil, also das obligatorische Minimum – z. B. die Pensionierten-Kinderrente von 20 Prozent der Altersrente. Gestützt auf den Bundesgerichtsentscheid dürfen Pensionskassen diese Kinderrente streichen, wenn die gesamte Altersrente so hoch ist, dass sie mindestens dem entspricht, was die gesetzliche Altersrente plus die gesetzliche Kinderrente zusammen ausmachen würden.
Beispiel: Die gesamte Altersrente beträgt dank überobligatorischer Einzahlungen 35000 Franken pro Jahr. Das gesetzliche Minimum für obligatorische Altersrenten liegt bei 15000 Franken. Dann würde die gesetzliche Pensionierten-Kinderrente 3000 Franken betragen. Somit ist die gesamte reglementarische Altersrente von 35000 Franken höher als BVG-Altersrente plus BVG-Kinderrente (18000 Franken bei einem Kind, 21000 Franken bei zwei Kindern). Das gesetzliche Minimum ist mit der Jahresrente von 35000 Franken eingehalten, auch wenn die Pensionskasse die Kinderrente streicht. Wäre kein überobligatorisches Altersguthaben vorhanden, müsste sie die Pensionierten-Kinderrente zahlen, auch wenn diese nicht mehr im Reglement stünde.
Wichtig: Bereits laufende Kinderrenten dürfen nicht aufgehoben werden – auch nicht bei überobligatorischem Guthaben.
Der Bundesgerichtsentscheid hat für die Versicherten auch negative Auswirkungen beim Umwandlungssatz, wie K-Geld in Ausgabe 5/2015 gezeigt hat: Die Pensionskassen dürfen das gesamte Alterskapital z. B. mit 6 Prozent in eine Rente umwandeln, obwohl der Umwandlungssatz laut Gesetz 6,8 Prozent beträgt. Das Überobligatorium wird dann einfach zur Kompensation mit einem viel tieferen Satz umgewandelt.
Die Kassen begründen die Abschaffung der Kinderrente mit der guten finanziellen Situation der Rentner. Die Pensionierten-Kinderrenten seien meist ein «Geschenk an Besserverdienende», heisst es etwa im Kanton Schwyz.
Inzwischen sind Kinderrenten auch im Parlament unter Druck. Bei den soeben beendeten Beratungen des Reformpakets «Altersvorsorge 2020» war auch die Abschaffung der Pensionskassen- Kinderrente ein Thema. Die Abschaffung der AHV-Kinderrente stand ebenfalls zur Debatte.
Denn auch Bezüger einer AHV-Rente erhalten Kinderrenten. Die Voraussetzungen sind gleich wie bei den Pensionskassen. Allerdings mit dem gewichtigen Unterschied, dass die AHV-Kinderrente 40 Prozent der AHV-Altersrente ausmacht. Entschieden wurde nichts, das Thema bleibt aber auf der politischen Agenda. Schon 2011 reichte der heutige Bundesrat Guy Parmelin im Parlament eine Motion ein mit dem Ziel, die AHV-Kinderrente abzuschaffen. Diese sei «stossend», denn AHV-Bezüger könnten ihre Kinder sehr wohl selbst finanzieren.
André P. aus Kreuzlingen TG ist Rentner und hat zwei minderjährige Kinder. Er erhält Kinderrenten von der AHV und von der Pensionskasse – total 3550 Franken im Monat. Für ihn ist klar: «Eine Abschaffung wäre falsch. Ich brauche dieses Geld.»
So entsteht das Überobligatorium
Obligatorisch versichert sind aktuell nur die Lohnbestandteile zwischen 24 675 und 84 600 Franken. Die meisten Angestellten haben auch ein überobligatorisches Altersguthaben. Die Gründe dafür:
Sie verdienen jährlich mehr als 84600 Franken und zahlen zusammen mit dem Arbeitgeber höhere Sparbeiträge ein.
Sie sind Teilzeiter und zahlen Beiträge schon ab einer tieferen Eintrittsschwelle als 24675 Franken Lohn. Oder sie verdienen weniger als 21150 Franken pro Jahr, zahlen aber trotzdem Beiträge, weil das Reglement dies so vorsieht (Zahlen für 2017).
Es werden höhere Beitragsprozente vom Lohn eingezahlt als gesetzlich vorgeschrieben.
Sie haben sich freiwillig in die Pensionskasse eingekauft.