Dave Ramsey ist ein umgänglicher Mensch. Der Radiomann begrüsst mich mit «Hey Buddy», als er während einer Werbepause aus seinem Studio heraustritt, in dem er wochentags in der Nähe von Nashville (Tennessee) jeweils drei Stunden lang Geldfragen beantwortet. Dann posiert der Multimillionär für ein Erinnerungsfoto.
Ramsey ist ein vielbeschäftigter Mann. Zeit zum Plaudern bleibt kaum. Die Schlange mit Fans, die auf ein Foto warten, ist lang und die Pause kurz. The show must go on. Die Radio Talkshow des 58-jährigen Geldonkels hören jede Woche etwa 15 Millionen Leute.
Seit den Neunzigerjahren predigt Ramsey ein ausgeklügeltes System, das Amerikanern einen Ausweg aus der Schuldenfalle zeigen soll: Die Ausgaben für den Konsum werden radikal zusammengestrichen. Am Ende dieses Prozesses steht der «Schrei»: Hörer, die alle Kredite abgestottert haben, gehen in Ramseys Radiostudio und brüllen dort ins Mikrofon: «Wir sind schuldenfrei!»
Heute ist ein Ehepaar aus Utah mit seinen vier Kindern zu Gast. Cameron und Marie Willford bauten innert 22 Mo naten einen Schuldenberg von 50 000 Dollar ab. Wie das möglich war? Sie gönnten sich nur noch das Nötigste. Das Lebensmittelbudget betrug noch 250 Dollar pro Monat. Bei einem Jahreseinkommen von 75 000 Dollar eine beachtliche Leistung, findet auch Dave Ramsey. «Wir sind sehr stolz auf euch», sagt er. Dann schreit die Familie Willford ins Mikrofon. Und Marie bricht in Tränen aus.
Rund 30 Leute befinden sich in der Lobby des Radiostudios, um den Willfords zu applaudieren. Dann hören sie Ramsey weiter zu, wie er telefonisch Fragen über das umsichtige Haushalten beantwortet. So rät er einem Hörer, sein Studiendarlehen zurückzuzahlen, bevor er mit Aktien spekuliert. Einer alleinerziehen den Mutter sagt er, dass sie unbedingt mehr Geld verdienen müsse, um über die Runden zu kommen. Dabei preist Ramsey immer wieder Bücher und Kurse an, die er über seine Firma vertreibt. Sie zählt in zwischen mehr als 800 Angestellte. Und er spricht über seinen Glauben an Gott, der ihm geholfen habe, als er in den Achtzigerjahren Bankrott anmelden musste.
Mir wird das nach einer Weile zu viel. Mit dem Kult um die Person Dave Ramsey kann ich wenig anfangen. Da ich aber die unverblümte Sprache schätze, in der er seine Geldratschläge erteilt, werde ich ihm wohl weiter zuhören. Denn auch meine Familie, mit der ich in der Nähe von Washington lebe, ist am Abstottern zweier Kredite. Und wer weiss: Wenn wir dereinst schuldenfrei sind, reisen wir vielleicht nach Nashville und schreien gemeinsam in ein Radiomikrofon.