Das Angebot klingt verlockend: «Müheloses passives monatliches Einkommen» und «Komplett sorgenfrei». So wirbt die Internetbank Swissquote bei ihren Kunden für die sogenannte Wertpapierleihe. Dabei räumen Privatanleger einer Bank das Recht ein, Wertschriften aus ihrem Depot für eine bestimmte Zeit auszuleihen.
Der Kunde erhält dafür meistens eine Leihgebühr. Zudem entschädigt ihn die Bank für die wegen der Leihe ausfallenden Zins- und Dividendenerträge. Das Stimmrecht der Aktien geht an denjenigen über, der sie ausleiht. Das sind meist Händler, Fonds, Pensionskassen oder Grossaktionäre. Erstens tätigen diese mit den geliehenen Wertpapieren Leerverkäufe. Zweitens können sie mit zusätzlichen Stimmrechten ihre Position an Generalversammlungen stärken.
Kommt es nicht zur Rückgabe, droht der Totalverlust
Die Depotbank fordert vom Entleiher Sicherheiten im Umfang der verliehenen Wertpapiere. Das Problem für die Eigentümer der Aktien: Werden diese nach Ablauf der Leihe nicht zurückgegeben, droht ein Totalverlust. Das Gleiche gilt, wenn die Depotbank zwar vom Entleiher Sicherheiten verlangt hat, selber jedoch zahlungsunfähig wird.
Mehrere Handelsplattformen und Depotbanken praktizieren die Wertpapierleihe. Das Finanzunternehmen Degiro etwa hat vergleichsweise tiefe Depotgebühren (K-Geld 2/2020), bezahlt aber keine Leihgebühr. Neukunden willigen bei der Depoteröffnung automatisch ein, dass Degiro die Wertschriften seiner Kunden verleihen darf. Das Institut verwahrt die Wertpapiere der Kunden nicht selbst, sondern nutzt dafür eine separate Gesellschaft. Diese hat das Recht, die verwahrten Wertschriften zu verleihen.
Degiro bestätigt in einem Infoblatt zur Wertpapierleihe das Risiko eines Totalverlusts. Es sei jedoch «gering». Meldungen aus Deutschland lassen allerdings aufhorchen. Hinter Degiro steht die Flatexdegiro Bank AG, die von der deutschen Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) beaufsichtigt wird. Im Februar 2023 stellte die Aufsicht erhebliche Mängel im Risikomanagement der Flatexdegiro Bank fest. Dafür verhängte die Behörde ein Bussgeld von über einer Million Euro.
Bei der dänischen Saxo-Bank und der Schweizer Internetbank Swissquote ist die Wertpapierleihe für Kunden optional. Wer bei Swissquote die Funktion aktiviert, gibt der Bank das Recht, die Wertschriften im Depot zu verleihen. Bei der Saxo-Bank können Kunden einzelne Titel von der Wertpapierleihe ausschliessen. Vom Entleiher fordern beide Banken Sicherheiten – bei der Saxo-Bank in der Höhe von mindestens 102 Prozent der ausgeliehenen Wertpapiere, bei Swissquote sind es mindestens 105 Prozent. Auf diese Sicherheiten greifen die Institute zurück, wenn die ausgeliehenen Wertpapiere nicht zurückgegeben werden.
Die Entschädigungen für die Leihe sind bei den zwei Banken unterschiedlich: Die Saxo-Bank erlässt Kunden die Depotgebühren und überlässt ihnen 50 Prozent der Leihgebühr, die sie vom Entleiher fordert. Diese ist je nach Aktie und Nachfrage unterschiedlich.
Bei Swissquote müssen Anleger bei einer Wertpapierleihe für ihre Aktien weiterhin eine Depotgebühr zahlen. Sie können aber mit einer zusätzlichen jährlichen Nettorendite bis zu 2 Prozent rechnen. Die Höhe der Zusatzrendite hängt davon ab, ob die Anleger Wertpapiere in den Depots haben, die auf dem Wertpapierleihemarkt gefragt sind. Garantiert ist der Mehrertrag bei Swissquote nicht.