Klar ist: Wer im gleichen Kanton wohnt und arbeitet, zahlt am Wohnort seine Steuern. Das gilt auch für Pendler, die im Nachbarkanton arbeiten und jeden Abend in ihren Wohnsitzkanton zurückkehren.
Unklar wird es, wenn jemand abwechselnd in zwei Gemeinden in unterschiedlichen Kantonen wohnt: während der Woche am Arbeitsort und am Wochenende bei der Familie, dem Partner oder bei den Eltern. Dann kommt es auf den sogenannten Lebensmittelpunkt an. Oder – wie es in den Steuergesetzen heisst – auf den Ort, wo sich ein Steuerpflichtiger «mit der Absicht dauernden Verbleibens» aufhält.
Damit ist jene Gemeinde gemeint, wo er seinen Partner oder seine Familie, Eltern und Freunde hat, wo die Kinder zur Schule gehen, er in Vereinen aktiv ist und am sozialen Leben teilnimmt. All diese Kriterien bestimmen das Steuerdomizil. Steuerpflichtige haben kein Wahlrecht. Und es spielt auch keine Rolle, wo sie sich offiziell anmelden und ihre Schriften hinterlegen.
Das musste ein Mann aus dem Kanton Zürich erfahren. Mit seiner langjährigen Lebenspartnerin besitzt er seit vielen Jahren je eine Wohnung in den Kantonen Zürich und Graubünden. Steuern zahlte er im Kanton Zürich. Anfang 2017 mietete der damals 60-Jährige im Mehrfamilienhaus im Kanton Graubünden zusätzlich ein Büro. Im April meldete er sich in der Zürcher Gemeinde ab, in der Bündner Gemeinde an und hinterlegte dort seine Schriften. Im Mai liess er sich vorzeitig pensionieren. Anfang Dezember 2017 erhielt er 1,9 Millionen Franken Kapital aus seiner Pensionskasse.
In der Steuererklärung für das Jahr 2017 gab er an, dass er im Juni 2017 seinen Wohnsitz nach Graubünden verlegt habe. Das Steueramt des Kantons Zürich akzeptierte das nicht und besteuerte ihn am bisherigen Wohnsitz. Folge: Der Steuerpflichtige musste für das ausbezahlte Vorsorgekapital 150 000 Franken mehr bezahlen als bei einer Besteuerung im Kanton Graubünden. Einsprache und Rekurs waren erfolglos. Doch das Zürcher Verwaltungsgericht und später das Bundesgericht gaben ihm Recht. Begründung: Der Mann habe 2017 mehr Zeit in Graubünden als in Zürich verbracht. Er spielte im örtlichen Golfclub und ging jassen – beides Indizien, dass er am Sozialleben teilgenommen und seinen Lebensmittelpunkt dorthin verlagert hatte. Dass seine Lebenspartnerin damals weiterhin im Kanton Zürich arbeitete, unter der Woche dort wohnte und auch Steuern zahlte, ändere daran nichts, urteilte das Bundesgericht (Urteil 2C_596/2020 vom 10. März 2021).
Der Fall wurde vom Bundesgericht als «atypisch» bezeichnet. Normalerweise gelten folgende Regeln, falls Wohn-, Arbeits- oder Aufenthaltsort auseinanderfallen:
- Ehegatten und gemeinsamer Wochenaufenthalt: Sie werden da besteuert, wo sie sich unter der Woche aufhalten. Ist das der Arbeitsort, müssen sie hier Steuern bezahlen.
- Ehegatten und ein Wochenaufenthalter: Arbeitet und wohnt ein Ehegatte während der Woche an einem anderen Ort, kehrt aber am Wochenende zur Familie zurück, ist der Ort der Familie Steuerdomizil.
- Ehegatten und ein Wochenaufenthalter in leitender Stellung: Ist ein Ehegatte Manager eines grossen Unternehmens und wohnt und arbeitet er während der Woche an einem anderen Ort, ist der Arbeitsort sein Steuerdomizil.
- Ehegatten ohne gemeinsamen Wohnort: Leben beide an verschiedenen Orten und verbringen sie die gemeinsame Freizeit nicht am Ort eines der Ehegatten, werden beide am eigenen Wohnort besteuert.
- Konkubinat mit gemeinsamem Haushalt: Beide werden in der Regel dort besteuert, wo sie zusammen wohnen.
- Alterswohnung und Pflegeheim: Mit dem Eintritt in eine Alterswohnung oder ins Pflegeheim werden diese Orte Steuerdomizil.
- Lehranstalt: Wer eine Schule in einem anderen Kanton besucht und da wohnt, aber regelmässig am Wochenende zu seinen Eltern fährt, wird weiterhin am Ort seiner Eltern besteuert. Ausnahme: Der Student lebt in einem Konkubinat am Studienort.
Häufig gibt es Diskussionen zwischen den Steuerbehörden und alleinstehenden Wochenaufenthaltern. Dazu entschied das Bundesgericht: Bei Ledigen ab 30 oder bei einem Aufenthalt von mehr als fünf Jahren ist der Arbeitsort als Steuerdomizil zu betrachten. Das gilt nicht, falls der Steuerpflichtige jedes Wochenende und für die Ferien zu seinen Eltern zurückkehrt und dort «persönliche und gesellschaftliche Beziehungen pflegt» (Urteil 2C_ 296/2018 vom 6. Juni 2018).