Ein wichtiger Grundsatz im Nachbarrecht lautet: Ab einer gewissen Grösse müssen Bäume und Sträucher einen bestimmten Abstand von der Grundstücksgrenze einhalten. Diese Details sind in den Kantonen unterschiedlich geregelt (siehe Kasten). Ist der Abstand nicht eingehalten, kann der Nachbar auf «Beseitigung» klagen.
Zum Thema Beseitigung kennen die meisten Kantone auch eine Verjährungsfrist. Sie besagt: Bei Pflanzen, die den Mindestabstand nicht einhalten, muss der Nachbar innert einer Frist von beispielsweise fünf oder zehn Jahren (je nach Kanton) das Fällen oder Zurücksetzen verlangen. Duldet er den unrechtmässigen Zustand länger ohne zu reklamieren, ist sein Anspruch auf Beseitigung verjährt.
Im entsprechenden Gesetz des Kantons Aargau fehlt eine solche Verjährungsfrist. Das kantonale Obergericht hat aber mehrmals 30 Jahre als Richtlinie herangezogen. Es stützt sich dabei auf den Artikel 662 des Zivilgesetzbuches. Unter dem Titel «Ausserordentliche Ersitzung» steht dort: «Besitzt jemand ein Grundstück, das nicht im Grundbuch aufgenommen ist, ununterbrochen und unangefochten während 30 Jahren als sein Eigentum, so kann er verlangen, dass er als Eigentümer eingetragen werde.» Das Bundesgericht hat nun diese Aargauer Übertragung auf das Nachbarrecht abgesegnet (Urteil 5D_80/2015). Die strikte Auslegung sei nicht willkürlich.
Deshalb hatte Hans Ruedi Hübscher aus Wohlen AG Pech. Er klagte erst nach 31 Jahren formell auf Beseitigung eines hohen Ahorns. Dieser hält den in Aargau vorgeschriebenen Pflanzabstand von 6 Metern für grosse Bäume nicht ein. Auch das Bundesgericht hat die Klage mit Verweis auf die 30-Jahres-Frist abgewiesen. Zum Verhängnis wurde Hübscher auch, dass er zwar schon früher die vielen hohen Bäume bzw. Tannen und Fichten des Nachbarn mehrfach gerügt hatte. Aber das Gericht warf ihm vor, er habe den einzelnen Ahorn nie exakt und explizit als «Streitobjekt» bezeichnet – und habe somit seine «Substantiierungspflicht» verletzt.
Tipp: Wenn ein Baum oder eine andere Pflanze den kantonal vorgeschriebenen Abstand zur Grundstücksgrenze unterschreitet, sollten Sie beim Nachbar bald schriftlich und eingeschrieben die Beseitigung verlangen – und die Pflanze dabei genau bezeichnen.
K-Geld-Leseraktion: Pflanzabstände – das sind die Vorschriften
Wie hoch dürfen Grünhecken werden? Und wie nahe dürfen sie an der Grundstücksgrenze stehen? Was gilt diesbezüglich bei einzelnen Sträuchern? Wie hoch dürfen Zwergbäume werden, wenn sie näher als 2 Meter an der Grenze wachsen? Und welche Pflanzabstände sind bei hochstämmigen Obstbäumen und anderen hohen Bäumen einzuhalten? Wann verjährt der Anspruch auf Beseitigung, wenn der Abstand nicht eingehalten ist?
Alle diese Details und noch viel mehr sind in den Kantonen unterschiedlich geregelt. Dies gilt auch für das Kapprecht. Dieses legt fest, wann und wie ein Nachbar Äste und Wurzeln selber beseitigen darf, falls sie auf sein Grundstück herüberwachsen.
Eine detaillierte Übersicht für alle Kantone inklusive Pflanzenliste finden Sie in der Broschüre «Bäume und Sträucher im Nachbarrecht» des Gärtnerverbands Jardin Suisse. Sie kostet im Versand 43 Franken. K-Geld-Leserinnen und -Leser können sie mit dem Vermerk «Aktion K-Geld» für 38 Franken (inkl. Versand und MwSt.) per E-Mail bestellen bei info@jardinsuisse.ch oder per Telefon 044 388 53 00. Den Bestelltalon finden Sie hier. Die Aktion läuft bis Ende April 2016.