Richard Bucher aus Basel (Name geändert) hält in seinem Wertschriftendepot bei der Basler Kantonalbank ein halbes Dutzend Obligationen. Alle sind mit stattlichen Zinscoupons versehen. So auch die Obligation 2.50 BS KB 06-21. Die Basler Kantonalbank hat sie 2006 aufgelegt und verzinst sie mit 2,5 Prozent bis zum Ende der Laufzeit im März 2021.
Dieser Zinssatz ist auf den ersten Blick lukrativ. Sparkontos werfen fast nichts mehr ab und heute neu aufgelegte Obligationen guter Schuldner haben oft einen Zinscoupon von 1 Prozent oder weniger.
Am Schluss erhält der Anleger nur den Nennwert zurück
Tatsächlich ist die Obligation der Basler Kantonalbank bisher für alle Anleger, die sie früh kauften, eine sehr gute Investition gewesen. Zum schönen jährlichen Zins kam ein Wertzuwachs hinzu. Der Kurs stand Ende Juli 2014 bei 112,6 Prozent. Wer von Anfang an dabei war, verzeichnete somit bis anhin einen Kapitalgewinn von fast 13 Prozent.
Doch genau dieser hohe Kurs stellt in der Restlaufzeit der Obligation einen empfindlichen Nachteil dar. Denn am Schluss erhalten die Anleger nur den Nennwert zurück, was einem Kurs von 100 Prozent entspricht. Von heute aus gerechnet ist ein Kapitalverlust programmiert, der den bisher aufgelaufenen Kapitalgewinn zunichte macht.
In Buchers Fall: Von der Obligation besitzt er zehn Stück à 5000 Franken Nominalwert. Dank des hohen Kurses von 112,6 Prozent beträgt ihr heutiger effektiver Wert 56 300 Franken. Hält Bucher der Obligation bis zum Schluss die Treue, erleidet er in der Restlaufzeit einen Kapitalverlust von 6300 Franken. Der wird einen grossen Teil der Zinseinnahmen wegfressen. Diese belaufen sich in der Restlaufzeit auf 8288 Franken. Der Kapitalverlust macht rund drei Viertel der Zinsen aus.
Da stellt sich die Frage, ob es sich lohnen würde, die Obligation zu verkaufen und damit den bisher aufgelaufenen, steuerfreien Kapitalgewinn einzustreichen. Verkaufen oder halten – vor diesem Entscheid steht Bucher bei zwei weiteren Obligationen in seinem Depot, die weit über 100 Prozent notieren. Womit auch bei ihnen Kapitalverluste drohen. Und so wie ihm ergeht es vielen Obligationären. Drei Viertel der rund 5000 an der Schweizer Börse kotierten Obligationen weisen einen Kurs über dem Nominalwert auf. Bei fast der Hälfte liegt der Kurs sogar 5 Prozent oder mehr «über pari», wie es im Fachjargon heisst.
Das bedeutet: Bei diesen Oblis zeichnet der Zinscoupon ein zu schönes Bild, liegen doch die tatsächlichen Renditen als Folge des programmierten Kapitalverlusts tiefer. Wo genau, darüber gibt eine Kennzahl Auskunft: die Rendite auf Verfall, oft auch Rückzahlungsrendite genannt. Bei der Obligation der Basler Kantonalbank mit dem Zinscoupon von 2,5 Prozent beträgt die Rendite auf Verfall noch 0,6 Prozent (Stand 31. Juli 2014). Das ist zwar mehr als mit den meisten Sparkonten zu holen ist. Doch bei Obligationen schlagen auch noch Depotgebühren zu Buche. Und noch viel mehr ins Gewicht fallen meist die Steuern. Sie können bei Obligationen mit Kursen über 100 Prozent richtig wehtun. Denn der Kapitalverlust lässt sich nicht von den Steuern absetzen. Zu versteuern ist der jährliche Zins, nicht etwa die tiefere Rendite auf Verfall.
Erfolgreiche Obligation kann in der Restlaufzeit zu Verlust führen
Unter der Annahme, dass Bucher eine mittlere Steuerbelastung von 25 Prozent hat, muss er auf den Zinseinnahmen in der Restlaufzeit seiner Kantonalbank-Obli gut 2000 Franken abliefern. Alles in allem wird diese für ihn zum Negativgeschäft, denn es resultiert unter dem Strich bis 2021 ein Minus von 967 Franken.
Bei einer solchen Konstellation empfiehlt es sich, die Obligation abzustossen und das Geld anderweitig anzulegen – obwohl der Verkauf zunächst Kosten verursacht. Die Basler Kantonalbank verlangt eine Courtage von 0,7 Prozent. Bucher muss zudem einen Kursverlust hinnehmen auf Grund der Handelsspanne an der Börse (auch Spread genannt). Im konkreten Fall beläuft sie sich auf rund 0,2 Prozent. Der Erlös beträgt somit knapp 55 800 Franken.Was damit machen? Es gibt zum Beispiel drei Möglichkeiten:
- Geld auf Anlagesparkonto parkieren. Die Basler Kantonalbank verzinst es momentan mit 0,3 Prozent. Würde Bucher den Erlös aus der Obligation bis 2021 auf dem Sparkonto liegen lassen und diesen Zinssatz erhalten, käme er auf einen steuerbereinigten Ertrag von 319 Franken. Vorteil gegenüber der Variante «Obligation laufen lassen»: 1286 Franken. Sogar wenn der Zins auf Null sinkt, ist das Konto rentabler. Sollten die Zinsen in den kommenden Jahren anziehen, steigt der Vorteil des Kontos auf über 1300 Franken.
- Zweite Variante: Kassenobligationen der Basler Kantonalbank kaufen. Für solche mit sechsjähriger Laufzeit offeriert sie gegenwärtig 0,625 Prozent. Dieser Satz bleibt bis zum Schluss konstant. Vorteil zu «Obligation laufen lassen»: 1623 Franken.
- Dritte Variante: Etliche Banken zahlen für sechsjährige Kassenoblis deutlich mehr als die Basler Kantonalbank. Spitzenreiter ist zurzeit die Cembra Money Bank mit 1,65 Prozent Zins. Entscheidet sich Bucher für sie, holt er 4594 Franken mehr heraus, als wenn er der Obligation 2.50 BS KB 06-21 die Treue halten würde.
Tipps: Wann sich ein Verkauf lohnt
Wenn Sie Obligationen in Ihrem Wertschriftendepot haben, sollten Sie genau prüfen, ob es sich lohnt, sie abzustossen. Als Faustregel gilt: Ein Verkauf lohnt sich umso eher, …
- … je deutlicher der aktuelle Kurs der Obligation über 100 Prozent liegt,
- … je höher die Belastung durch die Einkommenssteuer ist,
- … je grösser die Position im Depot ist, um die es geht (in der Regel nehmen die Verkaufsgebühren mit
zunehmendem Handelsvolumen prozentual ab), - … je höher der Zins einer alternativen, ähnlich sicheren Geldanlage ist.
Obligationen: Das Auf und Ab der Zinsen Obligationen sind Darlehen.
Ihr Nominalwert steht für die Höhe des Darlehens. Der Nominalwert wird in der Regel am Ende der Laufzeit vom Herausgeber der Obligation zurückbezahlt.
Zwar haben Obligationen meist einen fixen Zinssatz. Aber: Sinkt das allgemeine Zinsniveau und können deshalb neu herausgegebene Obligationen mit tieferen Zinscoupons ausgestattet werden, wirkt sich das auf die bereits laufenden, «alten» Obligationen aus: Ihre Kurse steigen. Grund: Weil ihre Verzinsung im Vergleich zu den neuen Obligationen höher ist, sind Anleger bereit, auf dem Markt mehr für sie zu bezahlen. Genau das Umgekehrte passiert, wenn die Zinsen steigen: Dann brechen die Kurse der «alten» Oblis ein.
Da die Zinsen in den letzten Jahren stark gesunken sind, notieren heute die meisten ausstehenden Obligationen über dem Nominalwert. Doch dieser «Mehrwert» wird sich bis zum Ende ihrer Laufzeiten vollständig abbauen.
Tipp: Informationen zu der im Haupttext erwähnten sogenannten Rückzahlungsrendite finden Sie auf der Internetseite der Schweizer Börse: www.six-swiss-exchange.com (/Marktdaten/Anleihen/Kurse).
Übrigens: Kassenobligationen unterliegen keinen Kursschwankungen.